BHP Billiton – GegenStrömung https://www.gegenstroemung.org/web Tue, 03 Nov 2020 11:07:44 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.7.1 Fünf Jahre nach dem Bruch des Damms des Rückhaltebeckens von Mariana https://www.gegenstroemung.org/web/blog/fuenf-jahre-nach-dem-bruch-des-damms-des-rueckhaltebeckens-von-mariana/ Tue, 03 Nov 2020 11:07:42 +0000 http://www.gegenstroemung.org/web/?p=2140 Triste Schlaglichter auf eines der größten Umweltverbrechen der jüngeren brasilianischen Geschichte, den Dammbruch bei Mariana, der am 5. November 2015 eine ganze Region ins Unglück stieß.

Im November 2015 brach nahe Mariana in Brasilien ein Rückhaltedamm des Bergbau-Unternehmens Samarco. Seither kämpft eine ganze Region mit den massiven sozialen und ökologischen Folgen dieser Katastrophe.

Am 5. November 2015 brach der Damm des Rückhaltebeckens Fundão nahe der Kleinstadt Mariana im Bundesstaat Minas Gerais in Brasilien. Millionen Kubikmeter an Bergwerksschlamm aus der Eisenerz-Mine der Firma Samarco und ein Tsunami aus Schlamm zerstörte mehrere Dörfer, 349 Häuser, Schulen und Kirchen… Die Flüsse Rio Gualaxo do Norte, Rio do Carmo und Rio Doce wurden verseucht. Insgesamt starben 19 Menschen. Samarco ist eine Aktiengesellschaft, die zu gleichen Teilen im Besitz der australisch-britischen BHP Billiton Brasil Ltda. und der brasilianischen Vale S.A. steht.

Laut Erhebung der US-amerikanischen Beraterfirma Bowker Associates stellt die Katastrophe von Mariana einen Dreifach-Negativ-Rekord in der Geschichte des Bergbaus dar: 1. Die Menge an ausgetretenem Schlamm: 32 bis 62 Millionen Kubikmeter, 2. Die Größe des betroffenen Gebiets: 680 Kilometern Flusslauf, 3. Die Schadenshöhe: 5 bis 55 Milliarden USD.

Fünf Jahre nach dem Bruch bei Mariana warten noch immer 334 Familien aus den damals komplett zerstörten Kleinstädten Bento Rodrigues, Paracatu de Baixo und Gesteira auf ihre Häuser als Entschädigungsleistung. Nach Angaben der Renova-Stiftung seien die Arbeiten der neuen Ersatz-Gemeinden im Gange, wie z.B. die Erdbewegung der Zufahrtsstraßen und der Grundstücksflächen, Arbeiten der Regenwasserkanäle, Wasser- und Abwassernetze. Das „neue“ Bento Rodrigues sei weiter vorangeschritten, so Renova, aber auch hier wurde 2019 der Eröffnungstermin auf 2021 verschoben. Die betroffenen Anwohner:innen trauen dem aber nicht, sie beobachten die Arbeiten, haben Angst, dass dort wieder schlampig gearbeitet wird, dass beispielsweise der korrekte Wasseranschluss vergessen wird, so eine Bewohnerin gegenüber der Zeitschrift Brasil de fato. Bei den Wiederaufbauplänen für Gesteira sieht die Situation deutlich schlechter aus: Hier wurde wegen Rechtsstreitigkeiten der Zuständigkeit vor einem Bundesgericht der bisherige Prozess gestoppt, unklar ist, wann dort weitergebaut wird.

Für Letícia Faria von der Bewegung der Betroffenen von Staudämmen (MAB) hat das System. Sie sieht die Verzögerungen als Ausdruck des Wiedergutmachungsmodells der Renova-Stiftung, das „das Image der Unternehmen schützt, eine gute Propaganda für das, was getan wird, was [die Stiftung] macht und so einen Präzedenzfall schafft, so dass alle zukünftigen Reparaturen, sei es durch Bruch oder Dammbau, von einer solch privaten Stiftung durchgeführt werden. Es handelt sich um eine Strategie zur Stärkung der Macht der Unternehmen in den Territorien“, so Faria gegenüber Brasil de fato Ende Oktober dieses Jahres. „Die Wiedergutmachung wird nicht umgesetzt, weil das Ziel darin besteht, die Gemeinden den Unternehmen gegenüber dauerhaft unterwürfig zu halten“, fügt sie hinzu.

Auch die Staatsanwaltschaft kritisiert, dass fünf Jahre nach dem Bruch noch immer nicht alle Entschädigungen geleistet wurden. „Die Katastrophe, die nicht nur Mariana, sondern das gesamte Einzugsgebiet des Rio Doce, ein Gebiet, das [von der Größe her] Portugal entspricht, verwüstet hat, hält weiter an. Fünf Jahre später ist nichts fertig“, sagt Silmara Goulart, Generalstaatsanwältin und Koordinatorin der Rio Doce Task Force. „Keine, absolut keine der betroffenen Gruppen, seien es Bauern, Wäscherinnen, Handwerker, Fischer, Kleinhändler, wurde vollständig entschädigt. Auch die Umwelt hat sich nicht vollständig erholt. Selbst die Gemeinde Bento Rodrigues, Symbol der Katastrophe, ist nicht wieder aufgebaut worden“, fügte die Staatsanwältin Silmara auf einer Pressekonferenz am 29. Oktober hinzu, berichtet das Internetportal Ecodebate.

Um die entstandenen Schäden zu beheben, hatten die Bundesbehörden, die Staaten Minas Gerais und Espírito Santo 2016 ein Transaktions- und Anpassungsabkommen (TTAC) mit den für den Staudamm verantwortlichen Unternehmen Samarco, BHP Billiton und Vale unterzeichnet. Zusätzlich zur Gründung der Renova-Stiftung, einer Organisation, die die Aufräumarbeiten, die Kompensationen und die Entschädigungen umsetzen sollte, legt das TTAC 42 Programme fest, die in dem 670 Kilometer langen Gebiet entlang des Rio Doce und seiner Nebenflüsse umgesetzt werden müssten. Später, im Jahr 2018, unterzeichneten die Justizbehörden mit den Unternehmen ein weiteres Abkommen, um die wirksame Beteiligung der betroffenen Personen am Prozess der vollständigen Entschädigung für die von ihnen erlittenen Schäden zu gewährleisten.

Jedoch, laut der neuesten Analyse der Bundesstaatsanwaltschaften, ist bei weitem nicht genug passiert. Fünf Jahre nach der Katastrophe sind demnach noch immer 29.039 Einwohner:innen von der Wasserversorgung per Tankwagen abhängig, da die Nutzung der verseuchten Wasserläufe und Grundwasserleiter noch immer unsicher ist, was durch die neue Coronavirus-Pandemie noch gravierender wird. Bis August dieses Jahres waren nur 153 von 374, das entspricht 41 Prozent der Maßnahmen zur Verbesserung der Wasserversorgungssysteme, abgeschlossen. Die im damaligen TTAC festgelegte Frist war bereits 2018 ausgelaufen. „Dies betrifft das grundlegendste Recht, nämlich den Zugang zu Wasser und den Zugang zu ihrer eigenen Gesundheit. Wenn man nicht sicher ist, dass das Wasser, aus dem die Nahrung für seine Kinder besteht, konsumiert werden kann, hat man keinen Seelenfrieden, und dann hat man ein weiteres psychisches Problem“, sagt Carolina Morishita, eine staatliche Pflichtverteidigerin in Minas Gerais.

Erst im September dieses Jahres hatten Wissenschaftler:innen der Universidade Federal do Espírito Santo (Ufes) neue Studienergebnisse veröffentlicht, die in den Sedimenten des Rio Doce hohe Belastungen an vor allem Kadmium und Arsen nachwiesen, die auch in Fischproben, in Proben von Untergrundwasser sowie in menschlichen Proben in deren Haar und Fingernägeln gefunden wurden.

Außerdem erhielten laut der brasilianischen Bundesstaatsanwaltschaft von den 31.755 registrierten Familien bis August 2020 nur 10.885, das entspricht 34 Prozent, eine Art Entschädigung. André Sperling, Staatsanwalt in Minas Gerais, verglich die Situation mit Brumadinho, wo 2019 ebenfalls ein Damm in Vale brach und der 259 Tote hinterließ. Dort erhalten laut Sperling mehr als 100.000 Menschen eine gewisse Unterstützung. „Dies ist im Rio-Doce-Becken nie auch nur annähernd geschehen. Es hat nie eine Gelegenheit gegeben, den Betroffenen ein wenig mehr Sicherheit für diesen Verhandlungsprozess zu geben. Was es gibt, ist, dass die betroffenen Menschen hilflos sind“, sagte er, so berichtet es das Internetportal Ecodebate.

Beim Prozess um Entschädigungszahlungen zeigt sich zudem eine strukturelle Benachteiligung von Frauen. So hat die Bundesstaatsanwaltschaft anhand einer Untersuchung der Verwaltungsakten der Betroffenen jüngst festgestellt, dass bislang nur 39 Prozent der vom Dammbruch bei Mariana betroffenen Frauen überhaupt erst in den Betroffenenbefragungen angehört wurden. Laut Maíra Almeida Carvalho, Psychologin des Teams für psychische Gesundheit von Mariana, in dem sich die meisten der durch den Dammbruch Vertriebenen befinden, wurden seit Beginn der Reparationsverhandlungen seitens der zuständigen Stiftung Renova meist nur die beruflichen Aktivitäten der Männer berücksichtigt. „Es war sehr klar, dass nur die formalen Aktivitäten von Männern berücksichtigt wurden, um beispielsweise finanzielle Nothilfe zu erhalten. Dies verschärfte die Konflikte, da die Frauen noch stärker der Tatsache ausgesetzt waren, dass sie keine anerkannten Aktivitäten hatten und noch abhängiger waren. Neben ihrer Arbeit haben sie immer auch die Rolle des Betreuers für die Familie, die älteren Menschen und die Kinder übernommen“, sagte die Psychologin der Tageszeitung Estado de Minas, die eine mehrteilige Serie zu den Folgen von Mariana anlässlich des nun anstehenden fünften Jahrestages herausgegeben hat.

Bereits in den ersten Jahren nach dem Dammbruch, als offiziell die ersten Wiedergutmachungsprozesse von der von Samarco, Vale und BHP Billiton eingesetzten Stiftung Renova begannen, wiesen Betroffene darauf hin, dass es zu einer systematischen Diskriminierung von Frauen in diesem „Wiedergutmachungsprozess“ käme: Männlich-chauvinistische Standards herrschten bei der Freigabe von Entschädigungszahlungen. Diese Kritik wurde Ausgangspunkt dafür, dass die Bundesstaatsanwaltschaften von Minas Gerais und Espírito Santo eine Studie zur Situation der vom Dammbruch bei Mariana betroffenen Frauen im Einzugsgebiet des Rio Doce in Auftrag gab. Für die Durchführung der Analyse nutzte die beauftragte Beratungsfirma Ramboll Daten aus den Registern, aus den Ombudsmann-Büros und den Verwaltungsakten der Renova-Stiftung. Die Studie kam zu dem Schluss, dass es eine Reihe von Verstößen gegen Frauen in der Entschädigungsarbeit gab, wie z.B. sexuelle Belästigungsprobleme, Betrug, Probleme mit der Anerkennung, weil die nicht-formalisierte Arbeit der Frauen nicht berücksichtigt wurde. Laut der Zeitschrift Brasil de fato ging es bei 37 Prozent der Beschwerden von Frauen um sexuelle Belästigung, bei 38 Prozent um Betrug und bei 20 um Korruption. Dem Bericht von 2019 zufolge sind nach wie vor etwa 43 Prozent der Frauen arbeitslos. Von denjenigen, die nach dem Dammbruch irgendeine Art von Krankheit zeigten, hatten 80 Prozent Tuberkulose und 50 Prozent ein Atemwegsproblem.
Exemplarisch spricht die betroffene Bewohnerin Simone Silva, die zu der Gruppe organisierter Frauen gehört, die seit mehr als drei Jahren auf eine Antwort des Bergbauunternehmens warten und noch nicht als betroffen anerkannt sind. 2019 erklärte sie gegenüber Brasil de fato: „Renova hat die Frauen auf dem Territorium nicht anerkannt. Dies war ein Grund für viele Ehekriege und sogar für Trennungen zwischen Paaren, denn im Allgemeinen erkennt sie [die Stiftung Renova] den Mann an, aber sie erkennt die Frau nicht an“, sagte sie.

Die Bewohner:innen leiden noch immer unter Krankheiten. Um 15 Prozent hat die Einnahme von Psychopharmaka der überlebenden Betroffen in den 39 vom Dammbruch in Mitliedenschaft gezogenen Munizipien in den Bundesstaaten Minas Gerais und Espírito Santo entlang der Flutwelle aus Bergwerksabraum, der den Lauf des Rio Doce hinunterraste, zugenommen, so Medienberichte. Um 75 Prozent haben die schweren Fälle von anhaltenden Atemwegserkrankungen zugenommen, berichten laut dem Pressebericht die Mediziner:innen in den betroffenen Munizipien. Und die von der Stiftung Renova, die für die Wiederinstandsetzung, die Renaturierung, die Entschädigungen und die Maßnahmen zur medizinischen Betreuung der Betroffenen zuständig ist, angekündigte Medizinbetreuung wurde noch immer nicht umgesetzt. Laut der von der Bundesstaatsanwaltschaft zur unabhängigen Beobachtung der von Renova in die Wege geleiteten Maßnahmen eingesetzten Consulting Ramboll wurde bisher nur in den beiden Bezirken Mariana und Barra Longa medizinisches Personal durch Renova aufgestockt, wobei man in Mariana damit aber durchaus weiter ist als in Barra Longa, wo grad noch immer erst der Masterplan diskutiert wird, so die Tageszeitung Estado de Minas Gerais Anfang November.

Auch die Aufräumarbeiten gehen nach wie vor nur schleppend voran. Die Consulting Ramboll nahm Auswertungen der Aufräum- und Instandsetzungsarbeiten Renovas unter die Lupe. Die Analyse zeigt, dass Renovas Aktionen zur Sanierung der Umwelt zu den am meisten verzögerten oder nicht umgesetzten Maßnahmen gehören. Bisher wurden von den 44 Millionen Kubikmetern Bergematerial, die aus dem Damm ausgetreten sind, nur 1.161.591 (2,6 Prozent) aus den Flussbetten der Flüsse Gualaxo do Norte, Rio Carmo und Rio Doce entfernt. Von den 17 durch Bergbauabfälle in Mitleidenschaft gezogenen Gewässerabschnitten verfügen nur fünf überhaupt über einen Entsorgungsplan, wohin das Material verbracht werden soll. Am krassesten zeige sich, so Ramboll, die Verschleppung der Aufräumarbeiten am Staudamm Candonga. Dort waren 26 Prozent allen Abraums aus dem Bergwerk von Samarco im Stauseereservoir hängen geblieben, und die Stiftung Renova hatte sich verpflichtet, das Material aus dem Stausee zu entfernen, auf dafür extra vorbereiteten Flächen zu lagern und hinterter so aufzubereiten, dass es – gereinigt um Schadstoffe – wiederverwendet werden könne, beispielsweise im Straßenbau oder bei Häuserbauprojekten. Am Stausee Candonga hatte Renova dafür das Gelände der angrenzenden Fazenda Floresta gemietet, doch die dortigen Arbeiten ruhen seit 2018, so die Tageszeitung Estado de Minas Gerais Anfang November. Denn Renova bevorzugt mittlerweile die Variante, das Material aus dem Bergbauschlammtsunami im Stausee zu belassen, die Bundesstaatsanwaltschaft verlangt die Entfernung aus dem Reservoir, – der Rechtsstreit darüber kann sich noch Jahre hinziehen.

Währenddessen steht die zum Stausee Candonga gehörende Wasserkraftanlage Usina Hidrelétrica de Risoleta Neve still, da die Turbinen durch das Eisenschlamm haltige Wasser beschädigt werden würden, ginge das Kraftwerk in Betrieb, ohne zuvor den Abraum aus dem Kraftwerksee entfernt zu haben. „Das Wasserkraftwerk Risoleta Neves in Candonga ist seit fünf Jahren stillgelegt, und in der Zwischenzeit erfolgt [der Ausgleich des Ausfalls] des Stromnetzes durch andere Einheiten. Der Verbraucher wird durch den Ausgleichsmechanismus des nationalen Elektrizitätssektors [zusätzlich mit erhöhten] Kosten belastet, dieser wurde bisher von der National Energieagentur Aneel auf 416 Millionen R$ geschätzt“, sagt Staatsanwalt Paulo Henrique Camargos Trazzi gegenüber Tageszeitung Estado de Minas Gerais.

Indessen wurden eine Reihe von Rechtsprozessen gegen die für den Dammbruch Verantwortlichen eingestellt, einige wenige laufen noch weiter. Bis wann mit einem diesbezüglichen Abschluss zu rechnen ist, ist offen. Im September dieses Jahres jedenfalls haben die Bundesstaatsanwaltschaften von Minas Gerais und Espírito Santo jedenfalls ihre 2018 vorläufig eingestellte Zivilentschädigungsklage gegen Samarco wieder aus den Schubladen geholt, weil die Entschädigungsprozesse seitens der Stiftung Renova zu langsam laufen und die Staatsanwaltschaften gezielte Verschleppung und Übervorteilung der Betroffenen mutmaßen. Die nun wieder aufgenommene Klage sieht eine Gesamtentschädigung von 155 Milliarden Reais vor (derzeit umgerechnet 23 Milliarden Euro).

// christian russau

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Fundação Renova und die Greenwashing-Propaganga fünf Jahre nach dem Bruch des Samarco-Vale-BHP Billiton-Damms bei Mariana https://www.gegenstroemung.org/web/blog/fundacao-renova-und-die-greenwashing-propaganga-fuenf-jahre-nach-dem-bruch-des-samarco-vale-bhp-billiton-damms-bei-mariana/ Tue, 20 Oct 2020 12:16:06 +0000 http://www.gegenstroemung.org/web/?p=2121 Knapp fünf Jahre nach dem Bruch des Rückhaltebeckens Fundão bei Mariana versucht die von Vale zur Beseitigung der Schäden und zur Leistung von Kompensationsmaßnahmen sowie Entschädigungszahungen eingesetzte Stiftung Fundação Renova in großseitigen Anzeigen, die in Form von Presseberichten daherkommen, in Internetportalen des Bundesstaates Minas Gerais die Leistungen der Fundação Renova zur Renaturalisierung und zur Wiederherstellung des Rio Doce in werbetauglichem Greenwashing schönzureden.

Unter dem schön klingenden Titel „Recuperação do rio Doce“ („Die Wiederherstellung des Rio Doce“) veröffentlicht die Fundação Renova in dem Portal „O Tempo“ sponsored content, der als Publieditorial zwar gekennzeichnet ist, ein Umstand, der vielen Leser:innen aber nicht sofort auffallen sollte. In dem Text beschreibt die Fundação Renova den Umfang und die Bedeutung der Wiederaufräum-, der Wiederhestellungsarbeiten sowie der geleisteten Entschädigungen. Am Beispiel der Wasserqualität des Rio Doce versucht die Fundação Renova ihre Arbeit ins strahlende Licht zu rücken: Das Wasser des Rio Doce sei jetzt wieder „so sauber wie vor dem Bruch“, das Wasser sei „nach Aufbereitung trinkbar“, die Wasserqualität stehe unter konstanter Beobachtung, im übrigen sei der „Rio Doce das am meisten kontrollierte Wassereinzugsgebiet“ des ganzen Landes. Das Wasser des Rio Doce könne also für die Viehwirtschaft und alle anderen Tiere verwendet werden, für den Ackerbau, für Freizeitspaß und eigne sich – nachdem es behandelt wurde – auch für den menschlichen Verbrauch als Trinkwasser.

Komisch nur: Warum hatten Wissenschaftler:innen der Universidade Federal do Espírito Santo (Ufes) erst vor Monatsfrist neue Studienergebnisse veröffentlicht, die in den Sedimenten des Rio Doce hohe Belastungen an vor allem Kadmium und Arsen nachwiesen, die auch in Fischproben, in Proben von Untergrundwasser sowie in menschlichen Proben in deren Haar und Fingernägeln gefunden wurde?


Zum Hintergrund:

Im brasilianischen Bundesstaat Minas Gerais ist am 25. Januar 2019 in der Nähe der Kleinstadt Brumadinho, rund 25 Kilometer südwestlich des Landeshauptstadt Belo Horizonte, ein Damm eines Rückhaltebeckens für die Erzschlammreste der Mine Corrego do Feijao gebrochen. 272 Menschen starben, aber so genau weiß das niemand bis heute, denn noch immer werden Menschen vermisst. Die Betreiberfirma von Mine und Rückhaltebecken, die brasilianische Bergbaufirma Vale, erklärte, in dem gebrochenen Becken hätten sich 11,7 Millionen Kubikmeter Erzschlammreste befunden. Nachdem der Damm des ersten Rückhaltebeckens gebrochen war, erreichte der Erzschlamm das nächstgelegene Rückhaltebecken und überflutete dieses. Der sich ins Tal ergießende Schlamm-Tsunami hatte unter anderem eine Betriebskantine mit sich gerissen, in der gerade viele Arbeiter:innen zu Mittag aßen. Busse, in denen Arbeiter:innen saßen, die von oder zur Betriebsschicht fuhren, wurden mitgerissen, mindestens ein Dorf wurde zerstört und auf hunderten Kilometern ist der vom Schlamm geflutete Fluss Paraopeba bis heute biologisch tot.

Dieses Szenario erinnert an den Dammbruch von Mariana des Rückhaltebeckens Fundão, als dort 2015 bei der Mine Germano der Firma Samarco (im gleichanteiligen Besitz von Vale und dem anglo-australischen Unternehmen BHP Billiton) der Damm brach. Millionen Kubikmeter an Bergwerksschlamm aus der Eisenerz-Mine der Firma Samarco und ein Tsunami aus Schlamm zerstörten mehrere Dörfer, Häuser, Schulen und Kirchen. Die Flüsse Rio Gualaxo do Norte, Rio do Carmo und Rio Doce wurden verseucht. Fischfang ist entlang der 680 Kilometer Flusslauf bis heute nicht möglich, ein Desaster für Tausende von Kleinfischer:innen, die damit ihren Lebensunterhalt bestreiten. Insgesamt starben 19 Menschen. Laut Erhebung der US-amerikanischen Beraterfirma Bowker Associates stellte die Katastrophe von Mariana einen Dreifach-Negativ-Rekord in der Geschichte des Bergbaus dar.

Dabei ist klar: Die Dammbrüche von Mariana und Brumadinho si nd nur die sichtbare Spitze des Eisbergs an Skandalen im brasilianischen Bergbau. Grundsätzlich erfolge der Bergbau in Brasilien, so Juliana Malerba von der brasilianischen Nichtregerungsorganisation FASE, „auf Basis der Umweltungerechtigkeit“. Denn genau die Gruppen, die bereits historisch diesen Prozessen der Umweltausbeutung ausgesetzt waren, „die Ärmsten, die Schwarzen, die quilombolas, die traditionellen und indigenen Gemeinschaften, die am Fluss wohnenden ribeirinhos, die Kleinfischer, die Kleinbäuerinnen und -bauern, es sind genau diese Gruppen, auf deren Territorien und Gebieten sich diese Aneignung der Natur nach wie vor ereignet.“ Anstatt dass durch grundlegende Politiken der öffentlichen Hand dafür Sorge getragen werde, dass diese Gruppen in Würde in ihren Gebieten und Territorien leben können, werden die Gebiete durch rücksichtslosen Bergbau zu „Opfergebieten“, so Malerba.

Und dabei gibt es auch eine deutsche Mitverantwortung: Im Jahr 2019 exportierte Brasilien Eisenerz im Wert von 22,7 Milliarden US-Dollar. Eisenerz dominierte demnach mit 87,79 Prozent den Export mineralischer Rohstoffe. Der Anteil des Eisenerzes lag bei 10,06 Prozent der Gesamtexporte (etwa 225 Milliarden US-Dollar) und lag somit nach dem Sojakomplex an zweiter Stelle der brasilianischen Exporte. Das aus Brasilien nach Deutschland exportierte Eisenerz stellt derzeit satte 43 Prozent der deutschen Gesamteinfuhren von Eisenerz dar.

So attestiert auch der Leiter der Deutschen Rohstoffagentur, Peter Buchholz, Brasilien eine bedeutende Rolle bei der Rohstoffsicherung Deutschlands. „Beachtliche 8,5 Prozent der deutschen Gesamtimporte mineralischer Rohstoffe stammen aus Brasilien.“ Hinzu komme, so Buchholz, dass der brasilianische „Bedarf an Explorations-, Abbau-, Förder-, Verlade- und Aufbereitungstechnik und darüber hinaus in der Infrastrukturentwicklung wie dem Hafenausbau und an der Schiffs-, Eisenbahn- und Lkw-Technik sehr hoch“ sei und künftig „noch erheblich steigen“ werde.

So ergänzt sich also die alte und neue internationale Arbeitsteilung zwischen Brasilien und Deutschland: „Im Fokus stehen neue Lieferquellen für strategisch wichtige Rohstoffe und Zwischenprodukte sowie neue Absatzmärkte für Bergbaumaschinen und -ausrüstungen.“ Das Industrieland Deutschland produziert hochwertige Maschinen und Anlagen, das Rohstoffexportland Brasilien bleibt auf den externalisierten Kosten wie Umweltzerstörung und Menschenrechtsverletzungen im Bergbau sitzen. Den Gewinn machen die transnationalen Konzerne in beiden Ländern, den Preis zahlen die Menschen in den Territorien.

//christian russau www.outro-mundo.org

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Bergbau-Tailings, Zerstörung Amazoniens: Fragen an die Deutsche Bank https://www.gegenstroemung.org/web/blog/bergbau-tailings-zerstoerung-amazoniens-fragen-an-die-deutsche-bank/ Thu, 21 May 2020 07:53:45 +0000 http://www.gegenstroemung.org/web/?p=2059 Die Deutsche Bank hielt am 20. Mai ihre alljährliche Hauptversammlung ab. Diesmal rein virtuell per Internet, aber wir mussten wiederum kritisch nachfragen und haben die Fragen vorab online eingereicht.

Vorab von Christian Russau (Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre) zur virtuellen Jahreshauptversammlung der Deutsche Bank AG am 20. Mai 2020 eingereichte Fragen zu TOP 2 und TOP 3:

Ein paar Blicke in Ihre Konzernbilanzen offenbart – leider wie jedes Jahr – in der Tat Erschreckendes. Seien es verantwortungslose Bergbauprojekte, die die Natur zerstören und die in nicht wenigen Fällen Menschen töten, seien es Anteile an oder Kredite für Fleischverarbeiter, die belegtermaßen an der illegalen Rodung und Landnahme in Amazonien ihren Anteil haben. Im Konkreten geht es mir heute um vor allem zwei Firmen: den brasilianischen Bergbaukonzern Vale und den brasilianischen Fleischverarbeiter JBS sowie um deren Connection zur Deutschen Bank.

Zu Vale: Bereits im vorvergangenen und im vergangenen Jahr haben wir Sie zusammen mit den brasilianischen Kolleg*innen bereits ausführlich gewarnt und auf die Bruchrisiken der Tailingdämme des brasilianischen Erzbergkonzerns Vale hingewiesen. Die Brüche von Mariana und Brumadinho sprechen hier Bände.

Fall 1: Der Bruch von Mariana. 19 Tote. Der Damm des Rückhaltebeckens der Firma Samarco (je 50% in Eigentum von Vale und BHP Billiton) brach, 19 Menschen starben und 680 Kilometer Flusslauf des Rio Doce wurden verseucht, so dass zeitweise mehr als zwei Millionen Menschen von der Trinkwasserversorgung abgeschnitten waren und die über 1.500 Kleinfischerinnen und -fischer bis heute ihrem Beruf nicht mehr nachgehen können, weil der Fluss klinisch tot ist. Infolge des Dammbruchs von Mariana wurde bei Dutzenden von Kindern hohe Arsenrückstände im Körper medizinisch nachgewiesen. Diese Kinder sind über einen langen Zeitraum dem toxischen Schlamm ausgesetzt gewesen. Es gibt seitens der verantwortlichen Firmen keinerlei Ansatz eines Vorgehens, das eine reale Erfassung der Gesundheitssituation und der Kontamination durch das Wasser gewährleistet. Die Familien, die ihre Häuser in den Schlammmassen verloren haben, deren Häuser und Städte sind noch immer nicht wiederaufgebaut worden. Die gesamte soziale und Umwelt-Dimension dieses Desasters ist noch immer nicht vollkommen erfasst worden, so dass eine umfassende und adäquate Wiedergutmachung und Entschädigung verunmöglicht wird. Und dies alles viereinhalb Jahre nach dem Dammbruch von Mariana.

Fall 2: Der Bruch von Brumadinho. 270 Tote. Im brasilianischen Bundesstaat Minas Gerais brach 25. Januar 2019 in der Nähe der Kleinstadt Brumadinho, rund 25 Kilometer südwestlich des Landeshauptstadt Belo Horizonte, ein Damm eines Rückhaltebeckens für die Erzschlammreste der Mine Córrego do Feijão. Vale erklärte, in dem gebrochenen Becken hätten sich 11,7 Mio. Kubikmeter Erzschlammreste befunden. Der Erzschlamm flutete ein ganzes Tal.

Obwohl ich Sie bereits im vor- wie auch im vergangenen Jahr darauf hingewiesen habe, steht die Deutsche Bank noch immer in Geschäftsverbindungen zu den verantwortlichen Firmen. Zwischen 2010 und 2017 stellte die Deutsche Bank der brasilianischen Vale 701 Mio. Euro und der anglo-australischen BHP Billiton 622 Mio. Euro an Krediten und Anleihen zur Verfügung. Außerdem hält die Deutsche Bank Aktien an den beiden Unternehmen in Höhe.

Ich frage Sie: zum Stichtag 30. März 2020 hielt die Deutsche Bank, inklusive Töchter, wieviele Bonds, Anteile an (auch multilateralen) Kredittranchen sowie an Assets der Firma Vale sowie der Firma BHP Billiton?

Zu JBS: JBS S.A. ist der weltgrößte Fleischproduzent der Welt. JBS steht für eine lange Kette von Umweltzerstörungen – direkt und indirekt, konkret wie symbolisch. Dazu kommen gravierende Verstöße beim Arbeitsrecht. Das Arbeitsministerium hat wiederholt Fälle von sklavenarbeitsähnlichen Zwangsverhältnissen der Arbeiterinnen und Arbeiter in der Produktionskette von JBS aufgedeckt. Erinnern muss ich auch an den immensen Anteil, den die weltweite Viehwirtschaft am CO2-Ausstoß hat, nach Angaben der Vereinten Nationen nämlich derzeit rund 15 Prozent.

2017 haben die Besitzer von JBS eingestanden, mehr als 1.800 brasilianische Politiker*innen mit mehr als 150 Mio. US-Dollar bestochen zu haben.

Im August vergangenen Jahres wurde in so ziemlich allen Medien darüber berichtet, wie es in Amazonien zu einer massiven Zunahme der Brände kam. Die gezielt gelegten Brände haben sich allein Amazonien im Vergleich zum Vorjahr ersten Berechnungen zufolge verdoppelt. Sie müssen sich diesen Vorgang so vorstellen: Die Tropenholzmafia, die Fleisch- und Sojabarone, die illegalen Goldsucher, die bewaffneten Pistoleiros und die Auftragskiller sehen nun ihre Untaten als legitimiert an. Ihr Hauptmann, Jair Bolsonaro, sei já nun schließlich Präsident Brasiliens. Ein Präsident, der sich für jede verbale Ungeheuerlichkeit sofort hergibt und mit ur-reaktionären Verbalinjurien nur so um sich schlägt. Die genannten Gruppen wähnen sich im Auftrag ihres Präsidenten, den Indigenen, den Quilombolas (afrobrasilianischer Bewohnerinnen von Quilombo-Siedlungen, die damals von entflohenen Sklavinnen gegründet wurden), den Kleinbäuerinnen und Kleinbauern ihr Land und deren Ressourcen zu stehlen. In Amazonien werden die Brände gezielt gelegt, auch in indigenen Territorien, und zwar von diesem Mafia-Triumvirat des Tropenholzes, des Agrobusiness‘ und der Goldgräber. Der Vorgang läuft meist so ab: Erst verbale Morddrohungen durch gedungene Pistoleiros, dann fällt die Holzmafia in die Gebiete ein und macht die lukrativen Objekte ihrer Begierde aus. Diese werden mit schwerem Gerät und unter bewaffnetem Einsatz illegal herausgeholt, dann werden zwei große Caterpillar mit mehrfach gehärtetem Stahlseil im Abstand von 50 Meter aufgestellt, und die Caterpillar ziehen das gewundene Stahlseil, den Correntão. Dieser reißt alles, aber auch jeden noch so dicken Stamm mit allem Wurzelwerk aus. Das lässt man drei, vier Monate liegen und austrocknen, dann wird alles gezielt in Brand gesetzt. Nach nur einigen kurzen Wochen danach wird Saatgut für capim, also Gras, ausgebracht, und ein paar Wochen drauf stehen auf diesen illegal gebrandrodeten Flächen Rinder. 80 Prozent der in Amazonien illegal gebrandrodeten Flächen erfolgen für die Rindviehhaltung.

Hier die Zahlen, was die Viehhaltung in Amazonien bedeutet: 1970 galt ein Prozent Amazoniens als gerodet, heute liegt dieser Wert bei 20 Prozent. Gab es in Amazonien im Jahr 2000 noch 47 Millionen Rinder, so sind es heute 85 Millionen Rinder. Dies entspricht 40 Prozent aller 219 Millionen Rinder Brasiliens. Es gibt in Brasilien also mehr Rinder als Einwohner*innen.

Noch einmal ausführlicher zur Frage, was hat die JBS-Fleischproduktion mit Amazoniens Wäldern zu tun? JBS rühmt sich, (auf Druck großer Umwelt-NGOs hin) ein Abkommen unterzeichnet zu haben. Darin verpflichtet sich der Konzern JBS, ab Oktober 2009 kein Fleisch aus illegal gebrandrodeten Flächen zu beziehen. Doch JBS wurde erwischt. Rinderherden aus illegal gerodeten Flächen waren umdeklariert worden, wie die Investigativjournalist*innen von Repórter Brasil wiederholt herausgefunden haben. Für das Jahr 2016 hat die NGO Global Witness aufgedeckt, dass dies in 20 Prozent der Produktion von JBS der Fall war.

Solche Verbrechen galten den brasilianischen Umweltbehörden bereits in der Vergangenheit allenfalls als Vergehen, die mit lächerlichen Umweltstrafen belegt wurden. JBS hat diese aus der Portokasse beglichen. Unter einer Bolsonaro-Regierung wird dergleichen noch ungleich weniger verfolgt, meist geschieht sogar das Gegenteil. Es ist dieses Geschäftsmodell von JBS, das zu einem Großteil der illegalen Brandrodungen in Amazonien mitverantwortlich ist. Schon seit Jahren fordern Indigene einen Boykott des tödlichen brasilianischen Agrobusiness‘, weil es indigenes Blut an den Händen habe.

Und was hat das mit der DEUTSCHEN BANK zu tun?

JBS wird durch international agierende Banken mit großzügigen Krediten finanziert. Die gleichen Banken halten auch noch Aktienpakete an JBS. Stand April 2019 hatte die Deutsche Bank Anteile an JBS in Höhe von 11 Mio. US-Dollar gehalten und Kredittranchen in Höhe von 56,7 Mio. US-Dollar vergeben. Ich frage Sie: zum Stichtag 30. März 2020 hielt die Deutsche Bank, inklusive Töchter, wieviele Bonds, Anteile an (auch multilateralen) Kredittranchen sowie an Assets der Firma JBS?

Ein weiteres schwerwiegendes Argument, warum Sie als Deutsche Bank Firmen wie JBS weder Kredite geben sollten, noch Anteile dieser Firma kaufen sollten: JBS ist direkt und indirekt mitverantwortlich für den Skandal, die in Brasilien so dringend nötige Agrarreform gezielt zu verhindern. Das geschieht in einem Land, in dem eine extrem ungleiche Landverteilung herrscht, wo etwa 10% der Bevölkerung rund 80% des Landes besitzen und gleichzeitig 4,8 Mio. Familien dringend auf Land warten. In solch einem Land wie Brasilien wirkt sich weniges so fatal auf die Agrarreform aus wie ein übermächtiges System kapitalistischer Aufkäufer von Fleisch. Deren Fleischfabriken kontrollieren den Markt und diktieren den Preis , um die Kleinbäuerinnen und -bauern und Kleinproduzent*innen gezielt schlechter zu stellen und sie aus dem Markt zu drängen. Dies geschieht über Verträge mit den Großproduzenten, die sich oft das Land historisch schon lange angeeignet haben – sei es durch gezielte Drohungen, Landtitelfälschungen oder durch schlichte Marktmacht. Ein Konzern wie JBS zementiert in solch einem auf Latifundien beruhenden Aufkaufsystem den Status Quo der ungerechten Landverteilung. Wenn es ein Symbol der gegen jedwede Agrarreform gerichteten reaktionären Wirtschaftselite in Brasilien gibt, dann ist dies JBS.

Die Deutsche Bank sollte ihre Policy endlich an grundlegenden menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten ausrichten. Solange dies nicht geschieht, verweigern wir Vorstand und Aufsichtsrat die Entlastung.

Antworten der Deutschen Bank:
Die Deutsche Bank erwiderte, die Bank bekenne sich „voll und ganz, unsere Verantwortung zur Einhaltung der Menschenrechte zu achten, wir arbeiten aber auch kontinuierlich daran, uns zu verbessern.“ Menschenrechtsregeln würden explizit in Investitionsentscheidungen integriert. Bei Tailings im Besonderen: Seit 2011 verfüge die Deutsche Bank über „umfassende Regeln, die die Zuständigkeiten und Verfahren zum Erkennen, Bewertung und Entscheidung in Bezug auf Umwelt- und soziale Risiken festlegen“, diese gelte auch für industrielle Großprojekte.

Zu Geschäftsbeziehungen (Anteile, Kredite, Bonds, Anleihen etc) zu Vale, zu AngloAmerican, zu BHP Billiton: Unsere gesetzlichen Verpflichtungen erlauben uns nicht, zu Geschäftsbeziehungen Stellung im Einzelnen zu beziehen. Mit Erlaubnis unseres Kunden (Vale) hatten wir auf der Jahreshauptversammlung 2019 zu unseren Geschäftsbeziehung damals Auskunft gegeben. (Fragen Russau 2019). Am neuen „Global Tailing Review“ sei die Deutsche Bank nicht direkt beteiligt, würde sich aber regelmäßig darüber informieren.

Zu JBS: „Ja, wir sind uns der Risiken einer fortschreitenden Entwaldung sehr bewusst. Deshalb finanziert die Deutsche Bank keine Geschäfte, bei denen Primär-Wälder, Gebiete mit erhöhtem Schutzstatus oder Moorgebiete umgewandelt werden. Außerdem finanzieren wir keine Geschäfte, die nachweislich mit illegaler Abholzung oder dem unkontrollierten oder illegalen Einsatz von Feuer in Verbindung stehen. Wir haben Leitlinien für Unternehmen eingeführt, die eine nachhaltige landwirtschaftliche Produktion fördern sollen. Wir überprüfen regelmäßig, ob sich unsere Kunden an unsere Vorgaben halten. Wenn wir dabei auf Probleme stoßen, sprechen wir unsere Kunden darauf an.“

// christian russau

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„Kein Profit über das Leben!“ https://www.gegenstroemung.org/web/blog/kein-profit-ueber-das-leben/ Tue, 28 Apr 2020 09:07:56 +0000 http://www.gegenstroemung.org/web/?p=2046 Versicherungsgesellschaften müssen dringend aufhören, Policen für Bergbauunternehmen zuzulassen, die systematische Verletzungen von Menschenrechten in ihren Einflussgebieten betreiben. Stellungnahme von Maíra Sertã Mansur von der Internationalen Koordinierung der vom Unternehmen Vale Betroffenen (Articulação Internacional – Atingidos e Atingidas pela Vale) anlässlich der Jahreshauptversammlung von Munich Re, Allianz, Hannover Re und Talanx in diesem Frühjahr 2020.

n Brasilien haben die Brüche der Tailing-Dams von Fundão der Firma Samarco (zu je 50% im Besitz von Vale und BHP Billiton) im Jahr 2015 sowie der Bruch des Tailing-Dams Barragem I der Firma Vale in Brumadinho im Januar 2019 die ganze Perversität der Firmen im Bergbausektor bloßgelegt.

Das Verbrechen von Samarco/Vale/BHP verursachte den Tod von 19 Menschen sowie den Verlust einer Schwangerschaft im dritten Monat. Zudem kam es durch den Bruch vom 5. November 2015 bei Mariana zu einer Umwelt- und sozialen Katastrophe ungeahnten Ausmaßes, dies auf einer Länge von 586 Kilometern entlang des durch den Bruch verseuchten Flusses Rio Doce, in zwei brasilianischen Bundesstaaten, in Minas Gerais und in Espírito Santo.

In Brumadinho war es erneut die Firma Vale, die verantwortlich zeichnete für einen Bruch, einen, der 270 Menschen das Leben nahm, darunter zwei schwangeren Frauen. Und erneut gab es eine soziale und Umweltkatastrophe, auf hunderten von Kilometern.

Sowohl die Firmen Samarco (Vale/BHP Billiton) im Falle von Mariana als auch Vale im Falle Brumadinhos haben Versicherungen abgeschlossen. Die von den Fällen betroffenen Unternehmen haben eine Versicherung für ihren Betrieb abgeschlossen. Diese Versicherungen betrafen jedoch in erster Linie den Schutz des eigenen Vermögens und den Deckungsschutz vor Verlust von Gewinnen. Die Beträge, die für Umweltfragen und zivilrechtliche Haftung vorgesehen sind, sind minimal oder schlicht nicht vorhanden. So sind selbst bei großen Katastrophen wie der von Samarco und Vale die Unternehmen immer versichert, während die betroffenen Menschen und die Umwelt auf sich allein gestellt sind.

Obwohl es also Versicherungsschutz gab, hat Samarco nach fast fünf Jahren des Bruchs von Fundão viele der Betroffenen immer noch nicht anerkannt, ihnen nicht alle ihre Rechte zugesichert und auch nicht die Wiederherstellung des Rio Doce als wirtschaftlich und natürlich intakte Region geschafft. Vale im Falle des Bruchs von Brumadinho folgt dem gleichen Fahrplan, um den Betroffenen das Leben schwer zu machen und denjenigen, die betroffen sind, eine vollständige Wiedergutmachung möglichst zu erschweren.

So tragen die Versicherungsgesellschaften eine Mitverantwortung für die Verbrechen, indem sie Strukturen wie Erzaufbereitungsdämme versichern, ohne die sozialen und ökologischen Auswirkungen eines katastrophaen Bruchfalls wie der von Mariana und Brumadinho zu berücksichtigen. Es kann nicht sein, dass einzig der Aussage der Versicherungsnehmer (der Unternehmen Samarco, Vale, BHP Billiton) vertraut wird, aber der schon vor den Dammbrüchen lautstarke und fundierte Kritik und Warnung der Zivilgesellschaft vor den katastrophalen Bruchfolgen keine Beachtung geschenkt wird. Dämme brechen nicht ohne vorherige Anzeichen, und aus diesem Grund sind Samarco/Vale/BHP und Vale in Brumadinho für Verbrechen gegen Mensch und Umwelt verantwortlich. Sowohl bei Mariana als auch bei Brumadinho haben Untersuchungen gezeigt, dass den Unternehmen genügend Warnhinweise auf Brüche schon vorher bekannt waren. Im Falle Brumadinhos war es sogar eine deutsche Firma, TÜV SÜD aus München, dessen hundertprozentige Tochterfirma in Brasilien dem Damm von Brumadinho offensichtlich wider besseren Wissens Sicherheit attestierte, zwei Mal, wenige Monate bevor der Damm im Januar 2019 brach. Die Staatsanwaltschaften in Brasilien und Deutschland erheben deshalb Anklage gegen die Verantwortlichen.

Versicherungsgesellschaften müssen dringend aufhören, Policen für Bergbauunternehmen zuzulassen, die systematische Verletzungen von Menschenrechten in ihren Einflussgebieten betreiben. Deshalb fordern wir, dass der Profit nicht mehr über das Leben gestellt wird.

Übersetzung: Christian Russau (outro-mundo.org)

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Warnung ignoriert, verschleppt, vom Tisch gewischt https://www.gegenstroemung.org/web/blog/warnung-ignoriert-verschleppt-vom-tisch-gewischt/ Sun, 10 Mar 2019 14:56:21 +0000 http://www.gegenstroemung.org/web/?p=1875 Laut einem neuen australischen Pressebericht wußten die Firmenverantwortlichen bei den Samarco-Miteigentümerinnen Vale und BHP Billiton bereits Ende 2008, dass dem Fundão-Damm ein erhöhtes Bruchrisiko inhärent war.

Samarco-Dammbruch bei Mariana am 5.Nov.2015: Laut Recherchen der australischen Zeitungen „The Age“ und “The Sidney Morning Herald” wussten die Firmenverantwortlichen bei den Samarco-Miteigentümerinnen Vale und BHP Billiton bereits Ende 2008, dass dem Fundão-Damm ein erhöhtes Bruchrisiko inhärent war. Entsprechende Unterlagen von den Vorstandssitzungen der an Samarco beteiligten Firmen in Perth, London, Melbourne, Dubai und in Brasilien aus den entsprechenden Jahren, die nun vor Gericht vorgelegt wurde, deuten darauf hin. Dies geht aus dem Zeitungsbericht des “The Sidney Morning Herald” vom 4. März 2019 hervor.

Am 5. November 2015 brach der Damm des Rückhaltebeckens Fundão nahe der Kleinstadt Mariana im Bundesstaat Minas Gerais in Brasilien. Millionen Kubikmeter an Bergwerksschlamm aus der Eisenerz-Mine der Firma Samarco und ein Tsunami aus Schlamm zerstörte mehrere Dörfer, 349 Häuser, Schulen und Kirchen… Die Flüsse Rio Gualaxo do Norte, Rio do Carmo und Rio Doce wurden verseucht. Insgesamt starben 19 Menschen. Samarco ist eine Aktiengesellschaft, die zu gleichen Teilen im Besitz der australisch-britischen BHP Billiton Brasil Ltda. und der brasilianischen Vale S.A. steht.

Laut Erhebung der US-amerikanischen Beraterfirma Bowker Associates stellt die Katastrophe von Mariana einen Dreifach-Negativ-Rekord in der Geschichte des Bergbaus dar: 1. Die Menge an ausgetretenem Schlamm: 32 bis 62 Millionen Kubikmeter, 2. Die Größe des betroffenen Gebiets: 680 Kilometern Flusslauf, 3. Die Schadenshöhe: 5 bis 55 Milliarden USD.

Bis heute warten die betroffenen Menschen auf den Wiederaufbau ihrer Häuser und Dörfer und auch auf Entschädigung. Die Flüsse Rio Gualaxo do Norte, Rio do Carmo und Rio Doce sind bis heute verseucht, Tausende Kleinfischer/innen sind um ihre Existenz gebracht worde, die Wasserversorgung von über einer Million Menschen entlang des Flusses Rio Doce ist zwar formal wieder hergestellt und das Flusswasser, das zum Trinkwasserverbrauch aus dem nach wie vor verseuchten Flusswasser entnommen wird, wird zwar aufbereitet, doch die Menschen misstrauen dem Wasser. Wer es sich leisten kann (also nur ein Bruchteil der Menschen), trinkt im Supermarkt gekauftes, abgefülltes Flassenwasser.

// christian russau

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Rede von Joceli Andrioli von der brasilianischen Bewegung der Staudammbetroffenen (MAB) auf der Jahreshauptversammlung der Deutsche Bank am 24. Mai 2018 in Frankfurt https://www.gegenstroemung.org/web/blog/rede-von-joceli-andrioli-von-der-brasilianischen-bewegung-der-staudammbetroffenen-mab-auf-der-jahreshauptversammlung-der-deutsche-bank-am-24-mai-2018-in-frankfurt/ Fri, 25 May 2018 19:02:50 +0000 http://www.gegenstroemung.org/web/?p=1737 GegenStrömung dokumentiert die deutschsprachige Übersetzung der Rede von Joceli Andrioli von der brasilianischen Bewegung der Staudammbetroffenen (MAB) auf der Jahreshauptversammlung der Deutsche Bank am 24. Mai 2018 in Frankfurt

– ES GILT DAS GESPROCHENE WORT –

Sehr geehrte Damen und Herren,

mein Name ist Joceli Andrioli. Ich bin von der brasilianischen Bewegung der Staudammbetroffenen (MAB). Unsere Bewegung setzt sich für die Rechte derjenigen ein, die für den Bau von großen Energie- und Staudammprojekten vertrieben oder zwangsumgesiedelt werden oder deren Menschenrechte aufgrund von Dammbrüchen verletzt wurden.

Warum bin ich aus Brasilien hierher – zur Hauptversammlungversammlung der Deutschen Bank – gereist? Es geht um die Verbindung der Deutschen Bank mit den Bergbaukonzernen Vale und BHP Billiton: zwischen 2010 und 2017 stellte die Deutsche Bank der brasilianischen Vale 701 Mio. Euro und der anglo-australischen BHP Billiton 622 Mio. Euro an Krediten und Anleihen zur Verfügung. Außerdem hält die Deutsche Bank Aktien an den beiden Unternehmen.

Die beiden Kreditnehmer der Deutschen Bank, Vale und BHP Billiton, sind Eigentümer der Firma Samarco, die für das größte Bergwerksunglück aller Zeiten verantwortlich ist. Am 5. November 2015 brach der Damm eines Rückhaltebeckens für Minenschlämme der Firma Samarco und zerstörte das Flusstal des 580 km langen Rio Doce. 19 Personen starben, mehr als eine Million Menschen sind betroffen – sei es, , dass die riesige Schlammwelle ihre Häuser oder ihr Land unter sich begraben hat, sei es, dass ihr Trinkwasser mit Schwermetallen verseucht ist, sei es, dass sie ihre wirtschaftliche Lebensgrundlage als Landarbeiter oder Fischer verloren haben oder dass sie von den giftigen Schlämmen aus dem Bergbaurückhaltebecken krank geworden sind. Es war eine Katastrophe mit Ansage – schon 6 Monate vor dem Dammbruch war dem Unternehmen Samarco bekannt, dass der Damm brechen könnte und dass die Folgen verheerend sein würden. Doch das Unternehmen hat nichts getan, um die Katastrophe zu verhindern.

In den zweieinhalb Jahren seit dem Dammbruch wurden mehrere Beschwerden bei der Arbeitsgruppe „Wirtschaft und Menschenrechte“ der Vereinten Nationen eingereicht. Dennoch waren die verantwortlichen Firmen – die Ihre Bank, die Deutsche Bank – weiterhin mit großzügigen Krediten bedient – noch nicht einmal in der Lage, in diesen zweieinhalb Jahren die genaue Zahl der betroffenen Menschen zu ermitteln – von der Zahlung einer angemessenen Entschädigung und umfassenden Wiedergutmachung, wie es internationale Menschenrechtsstandards vorschreiben, ganz zu schweigen.

Es gibt Dutzende Kinder, bei denen Arsenwerte im Körper nachgewiesen wurden, die zum Teil um das Hundertfache über den zulässigen Höchstwerten der Weltgesundheitsorganisation liegen. Diese Kinder waren über einen langen Zeitraum dem toxischen Schlamm ausgesetzt. Es gibt jedoch seitens der verantwortlichen Firmen keinerlei Maßnahmen, um die bedrohliche Gesundheitssituation zu untersuchen oder gar die De-Kontamination von Boden und Wasser zu gewährleisten.

Die Menschen, die ihre Häuser und Dörfer unter den Schlammmassen verloren haben, sind bis heute nicht umgesiedelt worden. Bei Demonstrationen und Protesten der betroffenen Bevölkerung, die sich gegen das Gebaren der Firma richten, wird die Militärpolizei eingesetzt, um die Proteste zu unterdrücken.

Ein Entschädigungsprogramms, das von der brasilianischen Justiz als illegal erklärt worden war, wird trotz seiner zahlreichen Defizite fortgesetzt.

Die Deutsche Bank hat der Firma Vale auch nach dem Dammbruch noch Kredite gewährt, obwohl zu diesem Zeitpunkt schon verschiedene Beschwerden gegen die Firma Samarco bei den Vereinten Nationen und bei der Interamerikanischen Menschenrechtskommission eingereicht worden waren.

Der Hochkommissar für Menschenrechte, Zeid Ra’aad Al Hussein, hat betont, welch wichtige Rolle internationale Finanzinstitute in Bezug auf die Einhaltung der Menschenrechte haben. Demnach müsste die Deutsche Bank ihre Anlage- und Kreditpolitik einer genauen Überprüfung unterziehen, um sicherzustellen, dass Menschenrechtsklauseln greifen und dass effiziente interne Mechanismen geschaffen werden, die eine vorherige Identifizierung möglicher menschenrechtlicher Risiken ermöglichen. Wie kann es sein, dass eine Firma wie Samarco – mit Mitteln der Vale – den Betrieb wieder aufnimmt, ohne irgendeine Garantie, dass sich so etwas wie der Dammbruch nicht wiederholt und ohne dass zuvor die Betroffenen vollständig entschädigt wurden?

Ich frage Sie:

Werden Sie Kredite, die Sie den Firmen Vale und BHP Billiton zur Verfügung stellen, und die Aktienanteile, die Sie an den Firmen Vale und BHP Billtion halten, einer grundsätzlichen, menschenrechtlichen Überprüfung unterziehen?

Werden Sie zukünftige Finanzierungszusagen an Vale oder BHP Billiton an die Bedingungen knüpfen, dass die Opfer des Dammbruchs entschädigt und die Umweltschäden beseitigt werden?

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

// Übersetzung: Christian Russau

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Der Dammbruch von Mariana und seine noch immer ungelösten Folgen https://www.gegenstroemung.org/web/blog/der-dammbruch-von-mariana-und-seine-noch-immer-ungeloesten-folgen/ Sun, 22 Apr 2018 13:31:34 +0000 http://www.gegenstroemung.org/web/?p=1720 Am 5. November 2015 brach der Damm eines Rückhaltebeckens bei Mariana im brasilianischen Bundesstaat Minas Gerais. Millionen Kubikmeter Eisenerzschlammreste zerstörten ein Dorf, 19 Menschen kamen ums Leben. Tausende Fischer im Einzugsbereich des Rio Doce wurden arbeitslos, 3,5 Millionen Menschen waren monatelang von der regulären Wasserversorgung abgeschnitten. Der Rio Doce, der „süße Fluss“, wird noch auf Jahrzehnte zerstört sein. Bis heute haben die Verantwortlichen die Millionenstrafzahlungen wegen großer Fahrlässigkeit nicht gezahlt.

Christian Russau von GegenStrömung wird im April und im Mai auf zwei Veranstaltungen über das größte Bergwerksunglück aller Zeiten und dessen Folgen hinweisen.

26. April 2018, Osnabrück: Das größte Bergwerksunglück aller Zeiten – Was hat Brasilien mit uns zu tun?

Am 5. November 2015 brach der Damm eines Rückhaltebeckens bei Mariana im brasilianischen Bundesstaat Minas Gerais. Millionen Kubikmeter Eisenerzschlammreste zerstörten ein Dorf, 19 Menschen kamen ums Leben. Tausende Fischer im Einzugsbereich des Rio Doce wurden arbeitslos, 3,5 Millionen Menschen waren monatelang von der regulären Wasserversorgung abgeschnitten. Der Rio Doce, der „süße Fluss“, wird noch auf Jahrzehnte zerstört sein. Bis heute haben die Verantwortlichen die Millionenstrafzahlungen wegen großer Fahrlässigkeit nicht gezahlt.

Der Referent Christian Russau ist Autor und Umwelt- und Menschenrechtsaktivist aus Berlin. Er arbeitet u.a. beim Netzwerk der Brasilienkoordinationsgruppen (KoBra) mit und ist Vorstandsmitglied des Dachverbands der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre. Die Folgen unseres auf imperialer Lebensweise basierenden Konsums sollen im Mittelpunkt des Vortrages und der Diskussion mit dem Publikum stehen.

Termin: 26. April, 20.00 Uhr
Veranstalter: Lateinamerika-Arbeitskreis im A3W

Ort: Lagerhalle
Rolandsmauer 26
49074 Osnabrück

17. Mai 2018 in Berlin: Schmutzige Profite. Deutsche Banken und ihre menschenrechtliche Verantwortung: Der Fall des Dammbruchs von Mariana in Brasilien
Lesley Burdock wird die aktuelle Studie von Facing Finance, „Dirty Profits“ vorstellen, in der die Zusammenhänge zwischen einzelnen Bergbauunternehmen und den Europäischen Banken kritisch beleuchtet werden. Anschließend diskutieren unsere brasilianischen Gäste María José Horta Carneiro Silva (eine direkt Betroffene) und Joceli Andrioli von der brasilianischen Bewegung der Staudammbetroffenen (MAB) mit Susanne Friess von Misereor und Christian Russau vom Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika und GegenStrömung über diese Fragen. Maike Drebes von der Friedrich-Ebert-Stiftung wird die Veranstaltung moderieren.

Anmeldungen bitte bis zum 7. Mai 2018 über unsere FES Webseite: www.fes.de/gpol oder unter Lena.Schill(ät)fes.de.

Zeit: 17. Mai 2018 von 17:30-20:00 Uhr
Ort: in der Friedrich-Ebert-Stiftung e.V., Hiroshimastraße 28, 10785 Berlin, Haus 2, 6. Etage – Raum 6.01

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Dammbruch Mariana: Staatsanwaltlicher Mahnbrief an die Stiftung Fundação Renova der Firmen Samarco, Vale und BHP Billiton https://www.gegenstroemung.org/web/blog/dammbruch-mariana-staatsanwaltlicher-mahnbrief-an-die-stiftung-fundacao-renova-der-firmen-samarco-vale-und-bhp-billiton/ Fri, 06 Apr 2018 11:24:00 +0000 http://www.gegenstroemung.org/web/?p=1714 Sieben Staatsanwaltschaften sprechen deutliche Warnung an die Stiftung Fundação Renova der Firmen Samarco, Vale und BHP Billiton wegen Mißachtung der Rechte der Betroffenen aus.

Von Christian Russau

Über zwei Jahre nach dem Samarco-Dammbruch bei Mariana haben in einer nie dagewesenen gemeinsamen Aktion sieben Staatsanwaltschaften einen offiziellen Mahnbrief an die Stiftung Fundação Renova geschickt, in dem sie der Stiftung vorwerfen, bei ihren Wiederaufräum- und Kompensationsmaßnahmen die Rechte der vom Bruch des Fundão-Damms des Rückhaltebeckens der Bergbaufirma Samarco Betroffenen zu mißachten. Unterzeichnet haben den Brief die Bundesstaatsanwaltschaft MPF, die Bundesstaatsanwaltschaft für Arbeitsrecht MPT, die Landesstaatsanwaltschaften von Minas Gerais, MP-MG, und von Espírito Santo, MP-ES, sowie die Verteidigungsstaatsanwaltschaften Defensoria Pública des Bundes DPU sowie der Bundesstaaten Minas Gerais DP-MG und der von Espírito Santo DP-ES.

Die sieben Staatsanwaltschaften werfen der Stiftung Fundação Renova vor, den Tausenden von Betroffen nicht hinreichend Zugang zu Informationen zu gewähren und dabei der gerichtlich verordneten kostenlosen Zurverfügungstellung angemessenen Rechtsbeistands nicht nachzukommen. Zudem erfolge die Kadastrierung der Betroffenen, die die Grundlage für Wiedergutmachung und Entschädigung der erlittenen Verluste und Schäden ist, nicht in hinreichendem Maße, da zu viele Hürden und Hindernisse im Ablauf der eigentlich vorgeschriebenen Kadastrierungsprozesse zu verzeichnen seien und die erklärte Absicht der Stiftung, die Kadastrierung bis Mitte dieses Jahres per Stichtagsregelung abzuschließen, berge die Gefahr, dass zu viele der Betroffenen eventuell nie zu einer Kadastrierung ihrer berechtigten Anliegen gelangen könnten. Hinzu kommt der schwerwiegendste aller Vorwürfe, die die Staatsanwaltschaften der Stiftung Fundação Renova sowie den Firmen Samarco, Vale und BHP Billiton gegenüber erheben: die bisherigen Maßnahmen zu Wiedergutmachung und zu Entschädigung der erlittenen Verluste und Schäden der Betroffenen seien bei weitem nicht ausreichend. Dies beträfe sowohl die Anwohner, deren Häuser und Grundstücke direkt zerstört wurden, die Angehörigen, deren Familienmitglieder durch die Schlammwelle aus dem Tailing-Bruch getötet wurden, die Fischer, die ihr Auskommen verloren haben und von denen die Fundação Renova nur diejenigen wohnend in einem Radius von einem Kilometer entlang der Flussläufe als betroffen kadastrieren und anerkennen mag, sowie die unbekannte Zahl der Anrainer (Schätzungen der Rückversicherungsgesellschaft Terra Brasis gehen von 3,5 Millionen betroffenen Menschen aus), deren Wasserversorgung monatelang, in etlichen Fälle bis heute in Mitleidenschaft beziehungsweise ganz unterbrochen wurde. Von den Millionen Kubikmetern Klärschlamms der Eisenbergbaureste, die noch immer entlang der Ufer und in den Flussläufen sowie in der Meeresmündung des Rio Doce noch immer abgelagert liegen, und den daraus resultieren gravierenden Umweltschäden, gar nicht erst zu sprechen.

Die sieben Staatsanwaltschaften haben sich daher entschlossen, in einem gemeinsamen Brief an die Stiftung Fundação Renova diese Mißstände anzuprangern und haben der Stiftung eine Frist von 20 Tagen gesetzt, in der sie auf diese Vorwürfe reagieren müsse.

Die Stiftung Fundação Renova war infolge einer Übereinkunft zwischen den Regierungen von Bund und der zwei betroffenen Bundesstaaten, der beteiligten Staatsanwaltschaften sowie der Firmen Samarco, Vale und BHP Billiton gegründet worden, um die immensen Umweltschäden des Dammbruchs zu reparieren. Kritiker werfen den Firmen und den verschiedenen beteiligten Regierungen vor, bei der Einsetzung der Stiftung Renova ausgerechnet den Wolf im Schafspelz oder besser den Bock des Gärtners als Oberaufseher für die Kompensationsmaßnahmen und Verhandlungen mit den Betroffenen gemacht zu haben. Statt die Betroffenen und die engagierte Zivilgesellschaft sowie unabhängige Wissenschaftler in die Stiftungsgremien aufzunehmen und dergestalt zu garantieren, dass die Stimmen der Betroffenen gehört und respektiert werden, entsched man sich für die Lösung aus Firmen- und Beamtenvertretern in den Organen der Stiftung.

Bei Mariana im Bundesstaat Minas Gerais war am 5. November 2015 der Damm des Erzbergwerk-Tailings von Samarco gebrochen. Millionen Kubikmeter an Bergwerksschlamm aus der Eisenerz-Mine der Firma Samarco und ein Tsunami aus Schlamm zerstörte mehrere Dörfer, 349 Häuser, Schulen und Kirchen. Die Flüsse Rio Gualaxo do Norte, Rio do Carmo und Rio Doce wurden verseucht. Insgesamt starben 19 Menschen. Samarco ist eine Aktiengesellschaft, die zu gleichen Teilen im Besitz der australisch-britischen BHP Billiton Brasil Ltda. und der brasilianischen Vale S.A. steht. Laut Erhebung der US-amerikanischen Beraterfirma Bowker Associates stellt die Katastrophe von Mariana einen Dreifach-Negativ-Rekord in der Geschichte des Bergbaus dar:

Die Menge an ausgetretenem Schlamm: 32 bis 62 Millionen Kubikmeter.
Die Größe des betroffenen Gebiets: 680 Kilometern Flusslauf
Die Schadenshöhe: 5 bis 55 Milliarden USD.

Bis heute warten die betroffenen Menschen auf den Wiederaufbau ihrer Häuser und Dörfer und auch auf angemessene Entschädigung.

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Brasilien: Strafprozess gegen 22 Angeklagte wegen des Dammbruchs der Samarco von Justiz gestoppt https://www.gegenstroemung.org/web/blog/brasilien-strafprozess-gegen-22-angeklagte-wegen-des-dammbruchs-der-samarco-von-justiz-gestoppt/ Wed, 09 Aug 2017 12:52:51 +0000 http://www.gegenstroemung.org/web/?p=1543 Opfergruppen zeigen sich empört über die Justizentscheidung.

Von Christian Russau

Der am 8. November 2016 angestrengte Strafprozeß um die Vorgänge und für die Verantwortung für den Dammbruch des Rückhaltebeckens der brasilianischen Firma Samarco vom 5. November 2015 bei Mariana im Bundessstaat Minas Gerais wurde am 4. Juli dieses Jahres, wie vor Kurzem erst bekannt wurde, vom zuständigen Bundesrichter gestoppt. Dieser folgte laut Presseberichten damit dem Antrag der Verteidigung der vier angeklagten Firmen – Samarco, Vale, BHP Billiton e VogBR – sowie der 22 angeklagten Personen, die eine Einstellung des Prozesses gefordert hatte.

Der Richter Jacques de Queiroz Ferreira sah es als erwiesen an, dass die von der Staatsanwaltschaft erhobenen Belege nicht konform der Gesetzes- und Verfahrensvorschriften erhoben worden seien. So sei die vorherige richterliche Erlaubnis zur Auswertung abgehörter Telephonverbindungsdaten der Angeklagten nicht konform dem Zeitraum der von der Bundespolizei und der Staatsanwaltschaft tatsächlich ermittelten Abhördaten gewesen. Die Bundespolizei und Staatsanwaltsvhaft bestreiten dies, legten ihrerseits die entsprechenden Daten erneut vor, doch der Bundesrichter wies ihr Argument zurück. Des Weiteren, so der Richter, habe sich die richterliche Abhörerlaubnis und Aufhebung der geschützten Privatsphäre der Angeklagten in den Fragen von Chat- und Emailprotokollen eigentlich nur auf Daten aus dem Zeitraum zwischen dem 1. Oktober 2015 und dem 30. November 2015 bezogen. Die Firma Samarco habe aber Daten auch aus den Jahren 2011, 2012, 2013 und 2014 vorgelegt, so dass diese Daten im Prozess keine Verwendung hätten finden dürfen. Der Richter Jacques de Queiroz Ferreira stellte daraufhin den Strafprozeß ein, die Berufung gegen diese Entscheidung ist aber weiterhin möglich.

Die Bewegung der Staudammbetroffenen (Movimento dos Atingidos por Barragem -MAB) im Bundesstaat Minas Gerais erklärte, diese gerichtliche Entscheidung sei „eine Schande. Diese Entscheidung ist die einzige Art von Antwort, die die Justiz in der Lage ist, den Betroffenen und der ganzen brasilianischen Gesellschaft 21 Monate nach dem Verbrechen zu geben. Sie bestärkt uns Betroffene einmal mehr in dem kompletten Unglauben an ein Justizwesen, das im Interesse der Bergbaukonzerne agiert“, so die Erklärung von MAB.

Am 5. November 2015 war der Damm des Rückhaltebeckens Fundão, im Munizip von Mariana im Bundesstaat Minas Gerais in Brasilien, gebrochen. Millionen Kubikmeter von Restschlamm aus Eisenbergbau der Firma Samarco, einer Aktiengesellschaft zu gleichen Teilen im Besitz der anglo-australischen BHP Billiton und der brasilianischen Vale S.A., formten einen Tsunami aus Schlamm, der mehrere Dörfer zerstörte, 349 Häuser, Schulen und Kirchen dem Erdboden gleichmachte und die Flüsse Rios Gualaxo do Norte, Rio do Carmo und Rio Doce verseuchte. Insgesamt starben 19 Menschen.

Laut Erhebung der US-amerikanischen Consulting Bowker Associates stellen der Dammbruch und das Auslaufen von Millionen von Kubikmetern Klärschlamms
(die Schätzungen schwanken zwischen 32 und 62 Millionen Kubikmetern), die Länge der Zerstörung entlang 680 Kilometern sowie die Schäden – 
Schätzungen belaufen sich auf zwischen umgerechnet 5 und 55 Milliarden US-Dollar – den Dreifach-Negativ-Rekord in der Geschichte des Bergbaus dar.

In Bezug auf Wiederaufbau und Entschädigung – da warten die betroffenen Menschen noch heute auf Gerechtigkeit.

 

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