Indien – GegenStrömung https://www.gegenstroemung.org/web Mon, 18 Jun 2018 14:23:41 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.7.1 Kleinwasserkraftwerke schädigen Wasserhaushalt und Fischpopulationen https://www.gegenstroemung.org/web/blog/kleinwasserkraftwerke-schaedigen-wasserhaushalt-und-fischpopulationen/ Mon, 18 Jun 2018 14:20:27 +0000 http://www.gegenstroemung.org/web/?p=1742 Vertiefte Studie bestätigt Erkenntnisse der verausgegangen Studie vom vergangenen Jahr

Von Christian Russau

GegenStrömung hatte über die Arbeiten der Umweltwissenschaftlerin Suman Jumani zu Kleinwasserkraftprojekten in Indien bereits im vergangenen Jahr berichtet (siehe „Wütende Elephanten, sterbende Fische und ausgedorrte Äcker dank „Small is beautiful““) In den vergangenen Monaten wurde die Studie fortgeführt und die Ergebnisse sind – vor allem für alle diejenigen, die der Ansicht sind, Kleinwasserkraftwerke seien wesentlich harmloser als Großwasserkraftwerke – mehr als ernüchternd. Vor allem vor dem Hintergrund, dass „in Indien bereits mehr als 1.000 Kleinwasserkraftwerke errichtet wurden und weitere 6.474 potentielle Baustellen für weitere Kleinwasserkraftwerke identifiziert wurden“, erklärte Jumani den Journalisten von IndiaSpend.

Kleinwasserkraftprojekte werden meist als umweltfreundliche Alternativen zu größeren Staudämmen gefördert und als „harmlos“ wegen ihrer geringen Größe propagiert. Die Auswirkungen von Kleinwasserkraftprojekten wurden jedoch bislang nur unzureichend untersucht, insbesondere in tropischen Entwicklungsländern, wo derzeit ihr Wachstum überproportional gefördert wird, so Jumani. Die Wissenschaftlerin untersuchte die Auswirkungen von zwei Kleinwasserkraftwerken auf Süßwasserfischgemeinschaften im Biodiversitäts-Hotspot von Western Ghats in Indien. Zwei gestaute und ein ungedämmter Nebenfluss des Netravathi-Flusses mit ähnlicher Stromordnung, Höhenlage und umgebenden Landnutzungstypen wurden als Test- bzw. Kontrollorte identifiziert. Die Wissenschaftlerin stellte fest, dass die Kleinwasserkraftprojekte Strömungsänderungen hervorriefen, die die Breite und Tiefe des Stroms nachhaltig beeinflusste. Als weitere Folge nahm die Menge an Sedimenten ab, die Wassertemperatur nahm zu und der im Wasser vorhandene Sauerstoff ging  deutlich zurück. Dadurch variierte die Zusammensetzung der Fischarten. An den Staubecken fand sich geringerer Fischartenreichtum, die Biodiversität ging messbar zurück. Analysen der im Fluss vorhandenen Biodiversität zeigte, dass der Fischartenreichtum in gestauten Strömen mit der Entfernung vom Staudamm in der stromaufwärts gelegenen Richtung zunahm. Des Weiteren wurde festgestellt, dass die Kleinwasserkraftwerke besonders in der Trockenzeit gravierende Auswirkungen auf die Stromgeometrie, Wasserchemie und aquatische Lebensgemeinschaften haben.

Die Wissenschaftlerin Jumani rät angesichts des geplanten dramatischen Ausbaus von Kleinwasserkraftwerken vor allem in Indien daher dringend zu grundlegenden Verfahrensänderungen bei den Genehmigungsverfahren für Kleinwasserkraftwerke, um die Vielfalt der Flussfische zu erhalten. Dazu gehören obligatorische Umweltverträglichkeitsprüfungen sowie weitere umfangreiche Umweltsicherungsmaßnahmen, die zur Vermeidung der massiven Negativfolgen der vermeintlich harmloseren Kleinwasserkraftwerke beitragen könnten.

Es gibt keine international gültige Definition eines „Kleinwasserkraftwerks“. Was als Kleinwasserkraftwerk zählt, variiert von Fall zu Fall. Laut der International Commission on Large Dams sind alle Staumauern ab 15 Metern Höhe vom Fundament bis zur Krone oder von 5 bis 15 Metern mit einem Reservoir von mehr als drei Millionen Kubikmetern Großstaudämme. In vielen Ländern wird dagegen eine Megawattzahl zur Klassifizierung herangezogen: In der Regel werden demnach Kraftwerke bis zehn MW Nominalkapazität als Kleinwasserkraftwerke angesehen, von zehn bis 30 MW gelten sie als mittelgroße Kraftwerke. Länder mit besonders hohem Wasserkraftpotenzial wie Brasilien und China betrachten dagegen alle Kraftwerke bis 30 MW als „klein“, wie dem Handbuch Kleinwasserkraftwerke des Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation UVEK / Bundesamt für Energie BFE: Handbuch Kleinwasserkraftwerke. Informationen für Planung, Bau und Betrieb, Ausgabe 2011 entnommen werden kann. In Indien gelten Kleinwasserkraftwerke als „klein“, solange sie unter 25MW Größe haben.

Was als „kein“ definiert“, soll dergestalt schnell als „harmlos“ gelten. So wird z. B. auch das Agua-Zarca-Projekt in Honduras immer wieder als harmlos klingendes „Kleinwasserkraftwerk“ dargestellt. Auch bei Small Hydro ist also Vorsicht geboten: sie ist weder per se umweltfreundlich noch menschenrechtskonform.

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Bauwettstreit zwischen Indien und Pakistan um Wasserrechte in Kaschmir spitzt sich zu https://www.gegenstroemung.org/web/blog/bauwettstreit-zwischen-indien-und-pakistan-um-wasserrechte-in-kaschmir-sptzt-sich-zu/ Sun, 07 Jan 2018 10:54:43 +0000 http://www.gegenstroemung.org/web/?p=1653 Von Christian Russau

Indien und Pakistan verschärfen ihre Konkurrenz im Bauwettstreit ihrer direkt zueinander in Konkurrenz stehenden Wasserkraftwerke Neelum-Jhelum und Kishenganga. Während Pakistan gerade mitteilte, die 51,5 Kilometer langen Wassertunnel seines 969-Megawatt-Wasserkraftwerk Neelum-Jhelum nun erstmals unter Wasserdruck zu setzen, musste Indien die eigentlich bis Ende 2017 angekündigte Fertigstellung des 330-Megawatt Kishenganga-Wasserkraftwerks wegen der in Kaschmir weiterhin angespannten Sicherheitslage verschieben. Beide Wasserkraftwerke stehen somit kurz vor Fertigstellung – und genau dies könnte zu einem schwerwiegenden Problem werden.

Denn diese beiden Wasserkraftwerke betreffen die Zuflüsse des Neelum, wie er in Pakistan heißt, oder Kishenganga, wie er in Indien genannt wird. An den zwischen Indien und Pakistan umstrittenen Flüssen wie Neelum bzw. Kishenganga und dem Chenab bauen und planen beide Seiten den massiven Ausbau der Wasserkraftnutzung und bedrohen damit immer wieder den 1960 unter Aufsicht der Weltbank geschlossenen Indus Waters Treaty. Dieser bot einen vertraglich abgesicherten Rahmen, der die Nutzung des Wassers der Flüsse Indus, Chenab, Jhelum, Sutlej, Ravi und Beas genauestens regelte und die Streitschlichtungsmechanismen definierte. Der Indus Water Treaty sprach dabei Indien die weitestgehende, aber nicht ausschließliche Entscheidungshoheit über das Wasser der drei östlicher gelegenen Flüsse, Beas, Ravi und Sutlej, zu, während Pakistan die Wassernutzungshoheit über die eher westlich gelegenen Flüsse, Indus, Chenab und Jhelum, zugesprochen bekam. Bei der gerechten Verteiling der nutzbaren Wassermengen gibt es immer wieder Streit zwischen Indien und Pakistan. Wasserentnahme zur Bewässerung von Landwirtschaft sowie Wasserkraftprojekte sind ein wiederkehrendes Streitmoment zwischen Pakistan und Indien.

Laut dem Indus Water Treaty, wie beide Seiten den Vertrag auslegen, könnte die Rechtslage im Falle der zwei an den Neelum/Kishenganga-Zuflüssen gelegenen Wasserkraftprojekten Neelum-Jhelum und Kishenganga so aussehen, dass diejenige Seite, die zuerst mit ihrem Wasserkraftwerk fertig werde, prioritäre Rechte über den Wasserzufluss habe. Hier wird die Weltbank schnell eine Vermittlungslösung finden müssen. Nicht umsonst zeigte sich das Umweltentwicklungsprogramm UNDP im Februar 2017 sehr besorgt über die Entwicklung des Wasserkonfliktes zwischen Indien und Pakistan und wartnte in einem offiziellen Bericht: Der „Indus Water Treaty may not survive“.

„Wasser ist einer der Schlüsselkonflikte zwischen Indien und Pakistan“, erklärte 2011 Zubair Ahmad Dar von der Harvard Law and International Development Society. „Tatsächlich ist es sogar das grundlegendste aller Interessen in den verschiedenen Posititionen beider Länder in Bezug auf Jammu und Kashmir.“

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Wütende Elephanten, sterbende Fische und ausgedorrte Äcker dank „Small is beautiful“ https://www.gegenstroemung.org/web/blog/wuetende-elefenaten-sterbende-fische-und-ausgedorrte-aecker-dank-small-is-beautiful/ Tue, 26 Sep 2017 14:16:51 +0000 http://www.gegenstroemung.org/web/?p=1578 Von Christian Russau

In Südindien, im Staat Karnataka, fliesst der Fluss Gundia, ein Zufluss des Netravathi-Flusses. Wegen seiner geologischen Lage scheint es Staudammbefürwortern ausgemacht, dass dies der ideale Ort für Wasserkraftwerke sei. Vor allem für sogenannte kleine Wasserkraftwerke. Dezentral und klein, dies sei doch beautiful, so die Maxime, da es dort zu deutlich weniger sozialen und Umweltfolgenproblemen als bei Großstaudämmen käme. Aber stimmt das? Eine Feldstudie, die die Region zwischen den Jahren 1999 und 2013 untersuchte und sich dabei die Folgen von vier sogenannten Kleinwasserkraftprojekte vor Ort anschaute und deren Folgen analysierte, kam zu anderen Schlüssen. Was das mit wütenden Elephanten, sterbenden Fischen und ausgedorrten Äckern dank „Small is beautiful“ zu tun hat, wird hier erläutert.

In qualitativen Interviews mit den Bewohnern haben die Forscher zunächst festgestellt, dass es zwischen 1999 und 2004 – vor dem Bau der kleinen Wasserkraftwerke – insgesamt 248 Zwischenfälle zwischen Elefanten und Anwohnern gab. Die Elephanten zerstörten die Felder, drangen in Siedlungen ein und brachten Menschen in Gefahr. Nach dem Bau der vier kleinen Wasserkraftwerke in den Jahren 2005 bis 2013 stieg diese Zahl der Konflikte auf 2.030 an, eine Verachtfachung.

Die Ursache: durch die Fragmentierung des Wanderungsbiet der Elephanten mittels Leitungen, Kanälen, Straßen und infolge dessen auch Waldrodungen sowie durch Reduzierung der Wassermengen in den ursprünglichen Flussläufen und damit einhergehender vetrocknender Vegetation wie dem für die Nahrung der Elephanten unerlässlichem Bambus entlang der Flussläufe waren die Elephanten mehr und mehr in ihrem Lebensumfeld und in ihrer Ernährung eingeschränkt, so dass sie vermehrt auf die Felder und in die Dörfer der Menschen auf Suche nach Nahrung eindrangen. Hinzu kam es durch die sinkenden Wasserpegel der ursprünglichen Flussläufe zu zurückgehenden Fischpopulationen: Die Fische schwammen wie gewohnt saisonal zum Laichen flussaufwärts, strandeten aber wegen des geringeren Wasserstands auf Sandbänken, wo sie verendeten, was den Kleinfischern das Überleben schwerer machte, gar in etlichen Fälle ihre Ernährungssouveränität in Gefahr brachte. Und die verringerte Wassermenge reichte nach der Abzweigung für die Kleinwasserkraftwerke nicht mehr für die Bewässerung durch das traditionelle Kanal- und Leitungssystem für die lokale kleinbäuerliche Bewässerungslandwirtschaft. Dabei erwies sich zudem, dass jedes Kleinwasserkraftwerk lokale Folgen zeitigte, aber vor allem die Fülle der oft in Reihe geschalteten Kleinwasserkraftwerke dann über die lokale Ebene hinaus regional für die Menschen und die Umwelt gravierendere Folgen hatte, als zuvor angenommen. Möglich macht dies vor allem die Tatsache, dass Kleinwasserkraftwerke (nicht nur in Indien, in Brasilien besipielsweise auch) als harmlos gelten, mit geringen Impakten für Mensch und Umwelt, da sie eben „klein“ seien, und dass dies eben die Begründung dafür ist, dass diese Kleinwasserkraftwerke keine Umweltverträglichkeitsprüfung und von daher keiner Umweltprüfung durch Behörden benötigen. Sie können einfach gebaut werden. „Small is beautiful“, macht es alles einfach – und bedenkt dabei nicht die potentiellen Folgen.

Das Beispiel Brasilien verdeutlicht dies: Eine Untersuchung über den Fall von Kleinwasserkraftwerken an den Zuflüssen des brasilianischen Pantanal sollte diesbezüglich noch weiter nachdenklich stimmen.

Eines der größten Binnenland-Feuchtgebiete der Erde, das brasilianische Pantanal, ist durch den Bau von Kleinwasserkraftwerken an den Zuläufen bedroht. Dies geht aus der neuesten Studie von Wissenschaftlern des Instituto Nacional de Ciência e Tecnologia em Áreas Úmidas (INCT-INAU) im Bundesstaat Mato Grosso hervor, die von der Bundesuniversität Mato Grosso zitiert wird (GegenStrömung berichtete). Demnach solle die Zahl der Kleinwasserkraftwerke an den Zuflüssen zu dem artenreichen, unter Naturschutz stehenden und seit 2000 zum Welterbe durch die UNESCO anerkannten Feuchtbiotop von gegenwärtig 41 durch 96 weitere Kleinwasserkraftwerke erhöht werden. Die Folgen, so die Wissenschaftler auf Basis ihrer dreijährigen Untersuchung, seien vor allem die Unterbrechung der nährstoffreichen Sedimentfracht unterhalb der Stauwerke, die Änderung des Flusslaufs und die Zunahme der Wassertrübung sowie die Beeinträchtigung der Fischmigration auf dem Weg zu den Laichgründen. „Wenn all diese 96 Vorhaben zusätzlich zu den bereits bestehenden 41 Kleinwasserkraftwerken in die Tat umgesetzt werden, gehen unsere Schätzungen davon aus, dass 30 Prozent der Fischmigrationsrouten verloren gehen“, so Professor Ibraim Fantin von der Bundesuniversität Universidade Federal de Mato Grosso (UFMT), der für die Studie „Auswirkungen von Wasserkraftwerken auf die Flüsse des Pantanal“ („Impactos das Hidrelétricas nos rios do Pantanal“) zuständig war.

Der Forscher Fantin warnte zudem vor der Verkennung der auch von Kleinwasserkraftwerken ausgehenden Gefahr für das Gleichgewicht der Natur und die Biodiversität. Denn die bis zu 30 Megawatt großen „Kleinwasserkraftwerke“ werden oft in Reihe in den Flüssen gebaut, ohne dass deren kumulativen Effekte in Betracht gezogen würden. Die brasilianische Gesetzgebung biete eben diesen Kleinwasserkraftwerke, wenn ihre Stauseen kleiner als 13 Quadratkilometer seien, die Möglichkeit der Befreiung von den eigentlich vorgeschriebenen Umweltverträglichkeitsprüfungen an, die in Brasilien EIA-Rima heißen. Im Bundesstaat Mato Grosso, wo Zuflüsse des Pantanalgebiets fließen, obliege die Entscheidung, ob bei einem Kleinwasserkraftwerk eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden müsse, den Umweltbehörden des Bundesstaats. Diese analysierten in der Regel aber nur die jeweils lokal begrenzten Auswirkungen des jeweiligen Kleinwasserkraftwerks. Zusammentreffende und gegebenenfalls kumulierend wirkende Effekte würden nicht in Betracht gezogen, ebensowenig wie Folgen wie flussabwärts oder -aufwärts Beachtung finden würden in den Entscheidungen zum Bau von Kleinwasserkraftwerken, so die Forscher. „Dies sind die Faktoren, die uns in Bezug auf die Zukunft des Pantanal extrem besorgt sein lassen, zumal wir noch immer nicht genau wissen, was passieren wird, wenn all diese 96 Vorhaben umgesetzt werden“, so Ibraim Fantin.

Es gibt keine international gültige Definition eines „Kleinwasserkraftwerks“. Was als Kleinwasserkraftwerk zählt, variiert von Fall zu Fall. Laut der International Commission on Large Dams gelten alle Staumauern ab 15 Metern Höhe vom Fundament bis zur Krone oder von 5 bis 15 Metern mit einem Reservoir von mehr als drei Millionen Kubikmetern Großstaudämme. In vielen Ländern wird aber dagegen eine Megawattzahl zur Klassifizierung herangezogen: In der Regel werden demnach Kraftwerke bis zehn MW Nominalkapazität als Kleinwasserkraftwerke angesehen, von zehn bis 30 MW gelten sie als mittelgroße Kraftwerke. Länder mit besonders hohem Wasserkraftpotenzial wie Brasilien, China und Indien betrachten dhingegen alle Kraftwerke bis 30 MW als „klein“, wie dem „Handbuch Kleinwasserkraftwerke des Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation UVEK / Bundesamt für Energie BFE: Handbuch Kleinwasserkraftwerke. Informationen für Planung, Bau und Betrieb, Ausgabe 2011“ entnommen werden kann. So wird z. B. auch das Agua-Zarca-Projekt in Honduras immer wieder als harmlos klingendes „Kleinwasserkraftwerk“ dargestellt. Auch bei Small Hydro ist also Vorsicht geboten: sie ist weder per se umweltfreundlich noch gleichbedeutend mit menschenrechtskonform.

Auch bei Small Hydro ist also grundsätzlich Vorsicht geboten, um die Umwelt vor „beträchtlichen Desillusionierungen und Umweltschäden zu bewahren“. So kommt eine umfassende Studie zu Kleinst- und Kleinwasserkraftwerken zu dem Schluss, dass es bei der Frage, ob ein Kleinenergieprojekt von den Betroffenen sozial und politisch akzeptiert wird, immer auf mindestens vier Faktoren ankommt: 1) Auf den Grad an Aufdringlichkeit und Kontroversität der angewandten Technologie; 2) auf die Größe des Projekts; 3) auf den Grad, zu dem die Vorteile durch das Projekt privat oder kollektiv waren sowie 4) auf den Grad, zu dem der Projektentscheidungsfindungsprozess als offen, partizipativ und das Gemeinwesen miteinbindend wahrgenommen wurde.

Es geht wie so oft um die Frage, inwieweit ein wirklich partizipativer Stakeholder-Ansatz bei der Beteiligung aller Betroffenen und Beteiligten zur Entscheidung von Projekten, die ein soziales Gemeinwesen betreffen könnten, garantiert wird.

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Protest gegen Sardar Sarovar-Staudamm: Menschen harren trotz steigenden Fluten auf ihrem Land aus https://www.gegenstroemung.org/web/blog/protest-gegen-sardar-sarovar-staudamm-menschen-harren-trotz-steigenden-fluten-auf-ihrem-land-aus/ Mon, 04 Sep 2017 14:04:38 +0000 http://www.gegenstroemung.org/web/?p=1553 Die Flutung des Staudamms von Sardar Sarovar an der Narmada in Indien schreitet voran, gegenwärtig hat die Narmada bei der Stadt Rajghat die Wasserhöhe von 124,5 Meter erreicht, der Scheitelpunkt läge bautechnisch bei 138 Metern, so die Behörden. Immer mehr Landfläche wird geflutet, doch verharren noch immer Tausende Kleinbäuerinnen und -bauern entlang des Flusses in den vier Distrikten von Dhar, Barwani, Alirajpur und Khargone in Madhya Pradesh aus, weigern sich, ihre Häuser und Land zu verlassen, wie jüngste Medienberichte mitteilen.

Die Behörden sagen, dies sei noch nicht beunruhigend, da es wegen der Regenzeit immer im August zu höheren Fluständen käme, vorsichtshalber hätten sie die Schliessung erster Brücken angewiesen, da das Wasser nur knapp unter der Brücke entlangfliesse. Zudem erklärten die Behörden, dass alle Umzusiedelnden Entschädigungen erhalten würden und dass bereits 3.000 Überhangshäuser für umgesiedelte Peronen errichtet wurden und dass 88 fertige Umsiedlungszentren „mit den notwendigen Annehmlichkeiten“ bezugsfertig seine. Offiziellen Schätzungen zufolge müssen für die abschliessende Flutung des Sardar Sarovar-Staudamm 18.386 Familien aus 141 Dörfern in Madhya Pradesh umgesiedelt werden. Die Widerstandsbewegung gegen die Narmada-Stadudämme Narmada Bachao Andolan hingegen geht von 40.000 Familien aus 192 Dörfern aus, die für den Staudammbau zwangsumgesiedelt werden müssen. Die Flutung zur Höchststauung war im Juni dieses Jahres eingeleitet worden.

Der Narmada-Fluss ist mit über 1.312 Kilometern Länge der fünftlängste Fluss Indiens und bildet die geographische Grenze zwischen Nord- und Südindien. Von den insgesamt über 3.000 in Planung befindlichen Dämmen am Narmada ist der Sardar Sarovar-Damm, der größte und der umstrittenste.

Bereits in den 1940er Jahren entstanden erste Pläne den Narmada mehrfach zu stauen und durch die Mehrfachnutzung eine tiefgreifende Entwicklung für Indien zu erreichen: Das Wasser des Narmada sollte Strom und Trinkwasser für bis zu 30 Millionen Menschen liefern und durch Kanalbauten die Landwirtschaft bewässern, und so bis zu 20 Millionen Menschen ernähren helfen. Eine win-win-Situation? Es dauerte noch Jahrzehnte, bis begonnen wurde, diese Pläne umzusetzen.

Aber ab dem Jahr 1989 entstand ein ungeahnter Widerstand. Im Narmada-Tal, direkt am Fluss, trafen sich in jenem Jahr rund 50.000 Menschen, um gegen die Staudammpläne zu protestieren. Denn allein durch den ersten Damm, den Sardar Sarovar-Damm, mussten 30-40.000 Menschen zwangsumgesiedelt werden. Sollten die weiteren Pläne der indischen Regierung für weitere Dammbauten am Narmada-Fluss auch nur annähernd durchgesetzt werden, so wurde befürchtet, dass diese Zahl auf 200.000 Menschen steigen würde, darunter auch indigene Gruppen, die am und vom Fluss leben.

Im Jahr 1985 gewährte die Weltbank einen Kredit in Höhe von 450 Millionen US-Dollar für den Sardar Sarovar-Dammobwohl schon damals die Unvereinbarkeit des Projekts mit den sozialen und Umweltvorgaben publik gemacht worden war. Es war vor allem der Zusammenschluss Narmada Bachao Andolan, einer Koalition sozialer Bewegungen und Nichtregierungsorganisationen, die national wie international für lautstarken Widerstand und Protest sorgten. Trotz allen Widerstands ging der Dammbau dennoch weiter, da die Regierung des Bundesstaats Gujarat die Finanzierung übernahm. Erst 1995 stoppte der Oberste Gerichtshof Indiens die Bauarbeiten, um sie im Jahr 2000 dann wieder freizugeben. Das Gericht genehmigte allerdings für die Staumauer nur eine niedrigere Bauhöhe, als von den Bauherren gewünscht, aber immer noch höher als von den Gegner/innen gefordert. Die Höhe ist bei diesem Staudammprojekt von enormer Bedeutung, da sie über die Größe des gefluteten Terrains und damit der Anzahl der Umgesiedelten entscheidet. Nun gibt es über die Größe des zu flutenden Terrains und über die Zahlen der direkt und indirekt betroffenen noch immer Uneinigkeit – und die vor Ort lebenden Menschen geraten in Gefahr von Leib, Leben – und ihres Landes.

// Christian Russau

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Indigene Gruppen und buddhistische Mönche wollen wegen Staudammprojekten in der indischen Grenzregion zu China und Bhutan die UNO einschalten https://www.gegenstroemung.org/web/blog/indigene-gruppen-und-buddhistische-moenche-wollen-wegen-staudammprojekten-in-der-indischen-grenzregion-zu-china-und-bhutan-die-uno-einschalten/ Wed, 09 Aug 2017 14:12:48 +0000 http://www.gegenstroemung.org/web/?p=1548 Das Tal des Tawang-Flusses liegt im westlichen Teil des indischen Bundesstaats Arunachal Pradesh. Dort, ganz in der Nähe zu Bhutan und China, plant die indische Staudammfirma NHPC Limited den Bau von mehreren Staudämmen entlang des Flusses. Diese Staudämme zusammen hätten eine Kapazität von 2.800 Megawatt, würden aber dafür mindestens 250 Hektar Land fluten, das jetzt mit Wald bedeckt ist, Die überwiegend buddhistischen BewohnerInnen der Region haben sich bereits mehrfach gegen den Bau dieser Staudämme ausgesprochen. Schon 2012 haben sie gegen die insgesamt 15 in ihrer Region entlang des Tawang-Flusses geplanten Staudämme protestiert, es kam zu Verhaftungen und Repression und Polizeigewalt gegen die Protestierenden. 2016 wurden zwei gegen die Staudämme Protestiere von der Polizei auf der Demonstration erschossen.

In der Bergregion des Tawang-Tals befinden sich 234 kleine Dorfsiedlungen entlang des Flusses, von denen jede durch mindestens ein Staudammprojekt direkt betroffen wäre. Die größten vier der Staudammprojekte – das 780-MW-Kraftwerk Nyamjang Chhu, das 600-MW-Werk Tawang I, das 800-MW Tawang II sind dabei die bedrohlichsten für die AnwohnerInnen, so die HuffingtonPst in einem Beitrag bereits von 2015.

Die indigene Gruppe der Monga, die buddhistischen Glaubens ist, sieht die heiligen Stätten und Klöster sowie die heiligen Quellen ihrer Religion bedroht. So sei der drei Kilometer lange Teil des Nyamjang Chhu-Flusses der Überwinterungsort des Schwarzhalskranich, der auf der indischen Liste des Wildlife Protection Act auf der höchst schutzwürdigen Stufe kategorisiert ist. Doch direkt in den Überwinterungsgebieten des Schwarzhalskranich soll ein Staudamm errichtet werden. Es seien dort zwar nur fünf bis sieben der Exemplare des Schwarzhalskranich dort die letzten Winter gesichtet worden, aber neben der Qualifizierung als bedrohter Art stellt der Schwarzhalskranich für die Monpa die Reinkarnation des 6. Dalai Lama dar, der im 18. Jahrhundert gelebt hatte und zahllose Gedichte über den Schwarzhalskranich verfasst hatte.

Der Zusammenschluß der für die Region in ihrer ursprünglichen Beschaffenheit kämpfenden Bürgerbewegung Save Mon Region Federation (SMRF) erklärte am 7. August, sollten Indien, die Landesregierung von Arunachal Pradesh sowie die Staudammfirma NHPC Limited nicht unverzüglich die von der Bevölkerung geforderten Stopps der Staudammprojekte umsetzen, werden sie eine Beschwerde bei der UNO einreichen.

„Unser Land und unsere Wälder werden von der Regierung durch Kraftwerksbauer in Beschlag genommen, trotz unseres Neins. Die indigenen Gruppen wollen keine Projekte auf Kosten ihres Landes und ihrer Pilgerstätten. Was sollen wir in einer solchen Situation tun, wenn die Regierung den Kraftwerksbauern hilft“, fragte ein Betroffener laut Medienberichten, der der Regierung vorwarf, die Protestbewegung mundtot machen zu wollen. Die Protestnote an die UNO sei nun der einzig gangbare Weg, erklärten die Vertreter der Widerstandsgruppe gegen die Staudämme im Tal des Tawang-Flusses.

// Christian Russau

 

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Nach Whanganui-Fluss in Neuseeland nun auch der Ganges in Uttarakhand in Indien als juristische Person anerkannt https://www.gegenstroemung.org/web/blog/nach-whanganui-fluss-in-neuseeland-nun-auch-der-ganges-in-uttarakhand-in-indien-als-juristische-person-anerkannt/ Mon, 20 Mar 2017 16:43:59 +0000 http://www.gegenstroemung.org/web/?p=1374 Der Oberste Gerichtshof des indischen Bundesstaats Uttarakhand, der Uttarakhand High Court, sprach am Montag dem Ganges-Fluss als erstem Fluss das juristische Recht einer eigenen Person zu. In dem Aufsehen erregenden Urteil argumentierte der Gerichtshof, dass ein solcher Schritt dringend notwendig sei. „Der Ganges muss für die kommenden Generationen geschützt werden“, so der Gerichtshof. Der Gerichtshof legte fest, dass mit der Anerkennung eines juristischen Status für den Ganges die Möglichkeit eröffnet werde, dass diesem die gleichen Rechte wie der einer Person zukommen. Eine Veschmutzung des Flusses können demnach in Zukunft genauso gerichtlich bestraft werden, wie die Verletzung eines Menschen. Dies berichtet die Zeitung Hindustan Times.

Ein ähnlich Aufsehen erregendes Urteil war vor wenigen Tagen in Neuseeland getroffen worden, wie die BBC berichtete. Das neuseeländische Parlament hatte einen Gesetzentwurf verabschiedet, nach dem Whanganui-Fluss, Neuseelands drittlängster Fluss, von nun an als Lebewesen anerkannt werde. Bei dem von den Maori als heilig verehrten Fluss werden in Zukunft die Interessen des Flusses von nun an von zwei Personen vertreten. Diese juristische Anerkennung erlaubt es demnach, den Fluss künftig in Gerichtsverfahren zu vertreten und für seine Rechte eintreten.

// Christian Russau

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Staudammkonflikte in Kaschmir sollen per Gespräche gelöst werden https://www.gegenstroemung.org/web/blog/staudammkonflikte-in-kaschmir-sollen-per-gespraeche-geloest-werden/ Mon, 20 Mar 2017 14:35:46 +0000 http://www.gegenstroemung.org/web/?p=1372 Streitschlichtungsgespräche zwischen Indien und Pakistan über Wasserkraftprojekte in der Kaschmir-Region unter Vermittlung der Weltbank starten am 20. März und sind für zwei Tage anvisiert.

Von Christian Russau

Indien und Pakistan werden zusammen mit Weltbankvertretern heute, am 20. und 21. März dieses Jahres, in Lahore, Pakistan, über die schwelenden Konflikte um Wasser und Wasserkraftprojekte in der Kaschmir-Region beraten. Vermittelt durch die Weltbank hatten Indien und Pakistan 1960 zur kontrollierten Beilegung des Streits um Wasser den Indus Waters Treaty geschlossen. Dieser bot einen vertraglich abgesicherten Rahmen, der die Nutzung des Wassers der Flüsse Indus, Chenab, Jhelum, Sutlej, Ravi und Beas genauestens regelte und die Streitschlichtungsmechanismen definierte. Der Indus Water Treaty sprach dabei Indien die Entscheidungshoheit über das Wasser der drei östlicher gelegenen Flüsse, Beas, Ravi und Sutlej, zu, während Pakistan die Wassernutzungshoheit über die eher westlich gelegenen Flüsse, Indus, Chenab und Jhelum, zugesprochen bekam. Bei der gerechten Verteiling der nutzbaren Wassermengen gibt es immer wieder Streit zwischen Indien und Pakistan. Wasserentnahme zur Bewässerung von Landwirtschaft sowie Wasserkraftprojekte sind ein wiederkehrendes Streitmoment zwischen Pakistan und Indien.

Indien hat in den vergangenen Monaten die Bewilligungen mehrerer neuer Wasserkraftprojekte in der Kaschmir-Region in vereinfachtem Verfahren freigegeben. Die verschiedenen Projekte werden eine mehrjährige Bautätigkeit haben und jüngsten Schätzungen zufolge bis zu 15 Milliarden US-Dollar kosten. Im Dezember vergangenen Jahres erklärte Indien, vor allem am Chenab-Fluss die Wasserkraftwerke — das 1,856-MW-Kraftwerk Sawalkot, das 1,000-MW-Pakal Dul-Werk, das 800-MW-Werk Bursar sowie das 206-MW Werk Shahpurkandi am Ravi-Fluss vorantreiben zu wollen.

Währenddessen gibt es an den Zuflüssen des Neelum (Pakistan), Kishenganga (Indien) ein seit Jahren geführtes regelrechtes Bauwettrennen zwischen Indien und Pakistan. Denn dort werden von Pakistan der 969-MW-Wasserkraftwerk Neelum-Jhelum und Indiens 330-MW-Wasserkraftwerk Kishenganga zeitgleich gebaut. Laut dem Indus Water Treaty, wie beide Seiten den Vertrag auslegen, könnte die Rechtslage so aussehen, dass diejenige Seite, die zuerst mit dem Damm fertig werde, prioritäre Rechte über den Wasserzufluss habe. Auch hier wird die Weltbank eine Vermittlungslösung finden müssen.

Pakistan wirft Indien vor, am Wasserkonflikt zu zündeln, indem durch die neuen Projekte entlang der Flüsse die Wassermengen in Zukunft stark zurückgehen könnten, wenn Indien wie geplant nicht nur Stauseen füllen, sondern auch Wasser in andere Flusstäler zur Bewässerungslandwirtschaft umleiten will. Indien hingegen beansprucht die Nutzung der Flüsse als ihr Recht und fordert von Pakistan, gegen Terroristen vorzugehen, die gegen Indien operierten.

Bei den Gesprächen unter Mediation der Weltbank wird es zunächst um die von Indien im Bau befindlichen Wasserkraftwerke Kishenganga (330 MW) und Ratle (850 MW) am Jhelum- bzw. am Chenab-Fluss. Pakistan ist gegen beide Projekte, da diese den Indus Water Treaty verletzen würden. Indien Premierminister Narendra Modi hatte vor Monaten angedeutet, Indien könnte den Wasserfluss gen Pakistan einschränken, sollte Pakistan in der Terrorismusbekämpfung nicht kooperieren. Indien erklärte aber, bisher noch kein Wasser gestoppt und abgezweigt zu haben.

Himanshu Thakkar, Koordinator des South Asia Network on Dams, Rivers & People wies auf die mangelnde Sensibilisierung aller Politiker für die sozialen und Umweltkosten all dieser Projekte hin. Er erklärte gegenüber Medien, diese ganzen Projekte seien ohne Umweltverträglichkeitsprüfungen und ohne Konsultationen der dort lebenden Bevölkerung erfolgt. „Es sind da alleine an einem Fluss, dem Chenab, so viele Projekte. Das ist eine sehr sensible Region, stark Erdrutsch gefährdet, Sturzflut gefährdet und Erdbeben gefährdet.“

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Ganges-Zuflüsse durch Staudämme zu 80 Prozent bzw. 65 Prozent in Mitleidenschaft gezogen https://www.gegenstroemung.org/web/blog/ganges-zufluesse-durch-staudaemme-zu-80-prozent-bzw-65-prozent-in-mitleidenschaft-gezogen/ Wed, 11 Jan 2017 11:41:08 +0000 http://www.gegenstroemung.org/web/?p=1312 Von Christian Russau, GegenStrömung

Eine neue Studie, die den Umweltbehörden in Indien vorgelegt wurde und aus der die Times of India zitiert, zeigt, dass die Wassermengen in den Ganges-Zuflüssen massiv unter Staudämmen und Wasserkraftprojekten leiden. Es geht dabei um die zwei Quellflüsse des Ganges, die Bhagirathi und die Alaknanda. Bhagirathi ist der rechte Quellfluss des Ganges, die Alaknanda bildet den linken Quellfluss des Ganges. Die Studie legt dar, wie die große Anzahl an Wasserkraftprojekten „schwerwiegende Auswirkungen“ auf 80 Prozent der Bhagirathi und auf 65 Prozent der Alaknanda habe, so dass die Flüsse an vielen Stellen nahezu vollkommen austrocknen. Auch die weiteren, kleineren Ganges-Zuflüsse seien der Studie zufolge zu 90 Prozent bereits in Mitleidenschaft gezogen worden. Im Fall der Bhagirathi hänge 50 Prozent des Wasserzuflusses von natürlichen Quellen ab, die durch den Bau neuer Staudämme und Wasserkraftanlagen aber in Gefahr gerieten. Durch die Umsetzung der Projekte seien die Auswirkungen auf die Bhagirathi „unumkehrbar“, so zitiert die Zeitung Times of India die Studie.
Indiens Zentralregierung hatte im Dezember 2012 ein Dekret erlassen, das die Bhagirathi auf einhundert Kilometer Länge von Gomukh nach Uttarkashi und somit etwas mehr als 4.000 Quadratkilometer als „ökologisch sensibles“ Gebiet auswies, so dass dort allenfalls Wasserkraftwerke mit einer Leistung von bis zu 2 Megawatt gebaut werden dürften. Dies stellte insofern eine überraschende Neuerung dar, da Indiens Zentralregierung nicht als sonderlich staudammkritisch gilt. Die Landesregierung versucht aber diese Grenze auf 25 Megawatt anzuheben. Die Landesregierung erklärte, wenn die Zentralregierung dort keine größeren Wasserkraftwerke zulassen wolle, dann solle sie Ausgleichszahlungen vornehmen, um den Schaden, die die Entwicklung des Landes und der Region nehme, zu ersetzen. Umweltschützer/innen fordern derweil zunächst umfassende Umweltverträglichkeitsprüfungen, um die Folgen des Staudammbaus in dessen kumultaiven Auswirkungen, seien es 2 MW oder 25-MW-Kraftwerke, zu untersuchen.

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Staudammprojekte schüren anhaltende Konflikte zwischen Indien und Pakistan https://www.gegenstroemung.org/web/blog/20170109a/ Mon, 09 Jan 2017 13:36:10 +0000 http://www.gegenstroemung.org/web/?p=1308 Von Christian Russau

Anfang Januar kam es zu einer neuen Runde von Argumenten zwischen Indien und Pakistan über den Bau künftiger Staudämme mit Wasserkraftwerken. Diesmal standen die geplanten Wasserkraftwerke Kishenganga am Jhelum-Fluss und Ratle am Chenab-Fluss zur Sprache. Die Konfliktparteien wandten sich and die Weltbank, die derzeit versucht, in Gesprächen die über diverse Wasserkraftprojekte seit Jahren anhaltenden Konflikte zu mäßigen.
„Wasser ist einer der Schlüsselkonflikte zwischen Indien und Pakistan“, erklärte Zubair Ahmad Dar von der Harvard Law and International Development Society. „Tatsächlich ist es sogar das grundlegendste aller Interessen in den verschiedenen Posititionen beider Länder in Bezug auf Jammu und Kashmir.“ Es sind sechs bedeutende Flüsse, die aus dem Himalaya kommend den indischen Teil von Kashmir passieren, bevor sie den pakistanischen Teil erreichen. Schon vor den mittlerweile unzähligen Staudammprojekten, schon vor der in beiden Ländern steigenden Bevölkerungszahlen und schon bevor jemand von den Folgen durch den Klimawandel eine Ahnung hatte, war der Zugang zu und die Verfügbarkeit von Wasser einer der zentralen Streitpunkte zwischen Indien und Pakistan.
1960 schlossen Pakistan und Indien – unter Aufsicht der Weltbank – zur kontrollierten Beilegung des Streits um Wasser den Indus Waters Treaty. Dieser bot einen vertraglich abgesicherten Rahmen, der die Nutzung des Wassers der Flüsse Indus, Chenab, Jhelum, Sutlej, Ravi und Beas genauestens regelte und die Streitschlichtungsmechanismen defnierte – und dies alles auch mehrere Jahrzehnte gut funktionierte. Doch dam kam Baglihar.
Ab 1982 erarbeitete Indiens Regierung den Entwicklungsplan für das Chenab-Becken vor, der 1984 in die ersten Projektplanungen für Staudammprojekte in der Jammu-und-Kashmir-Region mündete. Erst 1992 aber informierte Indien Pakistan über die Staudammpläne. Pakistan war entsetzt. 1999 startete die erste Bauphase für Baglihar I, Pakistan protestierte schriftlich bei Indiens Regierung und bei den im Indus Water Treaty festgelegten Schiedsstellen, beide Seiten hielten mehrere erfolglose Gesprächsrunden ab. Pakistan erarbeitete also eine Gegenstrategie, die 2002 in formalen „Fragen“ an Indiens Regierung mündeten. Im Januar 2005 – der Bau von Baglihar lief bereits seit sechs Jahren – reichte Pakistan dann als Notnagel eine Beschwerde vor der Weltbank ein, damit diese – als Garantiezeichnerin des Indus Waters Treaty – ein Schiedsgericht einsetze. Im Mai 2005 ernannte die Weltbank Professor Raymond Lafitte, einen schweizer Ingenieur, zum Schieds-Richter. Dieser verkündete am 12. Februar 2007 – acht Jahre nach Baubeginn – sein Urteil: die zur Flutung des Stausees von Seiten Indiens zu entnehmende Menge an Wassers wurde begrenzt, auch wenn nicht in dem Maße wie von Pakistan gefordert. Gleichwohl akzeptierten beiden Seiten das Urteil als „bindend“. Die Flutung startete im August 2008 – und prompt protestierte Pakistan, dass Indien die Flutungszeiten und -mengen nicht gemäß dem Abkommen tätige, Indien bestritt das. Erneut vor einer Mediationsinstanz ließ Indien dann erklären, „in Zukunft vorsichtiger zu sein“ und Pakistan „akzeptierte dies im Geiste von guter Zusammenarbeit“.
Beoachter/innen und den Beteiligten selbst ist klar, dass angesichts des Klimawandels solche Wasserkonflikte zwischen Indien und Pakistan zunehmen werden. Denn ähnliche, zu diesem Zeitpunkt bereits absehbare Konflikte zwischen Indien und Pakistan sind das 330-MW-Staudammprojekt Kishenganga am gleichnamigen Fluss – gegen das Pakistan im Mai 2010 eine Schiedsgerichtsklage einreichte und das nun bei der Weltbank liegt, die in dem Fall zu vermitteln versucht.
Nur wenige Monate nach der zwischen Pakistan und Indien so umstrittenen Flutung von Baglihar I vergab Indien den Bau von Baglihar II. Pakistan protestierte prompt erneut – denn die im Rahmen von Baglihar II dem Fluss Chenab zur Stauung zu entnehmende Wassermenge würde wiederum Pakistans Wasserverfügbarkeit reduzieren. Der internationale Schiedsgerichtshof urteilte erneut, wiederum ist das Urteil bindend, aber diesmal rumorte es gewaltig in Pakistans Medienlandschaft: Das Urteil sei „schlecht“, „von schlechten Richtern“ ist die Rede und von „schlechter Vorbereitung seitens Pakistans“. Baglihar II wurde Anfang November 2015 in Betrieb genommen. Kishenganga und Ratle werden folgen. Der Wasserkonflikt zwischen Indien und Pakistan wird weitergehen.

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