Jhelum – GegenStrömung https://www.gegenstroemung.org/web Mon, 20 Mar 2017 14:35:46 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.7.1 Staudammkonflikte in Kaschmir sollen per Gespräche gelöst werden https://www.gegenstroemung.org/web/blog/staudammkonflikte-in-kaschmir-sollen-per-gespraeche-geloest-werden/ Mon, 20 Mar 2017 14:35:46 +0000 http://www.gegenstroemung.org/web/?p=1372 Streitschlichtungsgespräche zwischen Indien und Pakistan über Wasserkraftprojekte in der Kaschmir-Region unter Vermittlung der Weltbank starten am 20. März und sind für zwei Tage anvisiert.

Von Christian Russau

Indien und Pakistan werden zusammen mit Weltbankvertretern heute, am 20. und 21. März dieses Jahres, in Lahore, Pakistan, über die schwelenden Konflikte um Wasser und Wasserkraftprojekte in der Kaschmir-Region beraten. Vermittelt durch die Weltbank hatten Indien und Pakistan 1960 zur kontrollierten Beilegung des Streits um Wasser den Indus Waters Treaty geschlossen. Dieser bot einen vertraglich abgesicherten Rahmen, der die Nutzung des Wassers der Flüsse Indus, Chenab, Jhelum, Sutlej, Ravi und Beas genauestens regelte und die Streitschlichtungsmechanismen definierte. Der Indus Water Treaty sprach dabei Indien die Entscheidungshoheit über das Wasser der drei östlicher gelegenen Flüsse, Beas, Ravi und Sutlej, zu, während Pakistan die Wassernutzungshoheit über die eher westlich gelegenen Flüsse, Indus, Chenab und Jhelum, zugesprochen bekam. Bei der gerechten Verteiling der nutzbaren Wassermengen gibt es immer wieder Streit zwischen Indien und Pakistan. Wasserentnahme zur Bewässerung von Landwirtschaft sowie Wasserkraftprojekte sind ein wiederkehrendes Streitmoment zwischen Pakistan und Indien.

Indien hat in den vergangenen Monaten die Bewilligungen mehrerer neuer Wasserkraftprojekte in der Kaschmir-Region in vereinfachtem Verfahren freigegeben. Die verschiedenen Projekte werden eine mehrjährige Bautätigkeit haben und jüngsten Schätzungen zufolge bis zu 15 Milliarden US-Dollar kosten. Im Dezember vergangenen Jahres erklärte Indien, vor allem am Chenab-Fluss die Wasserkraftwerke — das 1,856-MW-Kraftwerk Sawalkot, das 1,000-MW-Pakal Dul-Werk, das 800-MW-Werk Bursar sowie das 206-MW Werk Shahpurkandi am Ravi-Fluss vorantreiben zu wollen.

Währenddessen gibt es an den Zuflüssen des Neelum (Pakistan), Kishenganga (Indien) ein seit Jahren geführtes regelrechtes Bauwettrennen zwischen Indien und Pakistan. Denn dort werden von Pakistan der 969-MW-Wasserkraftwerk Neelum-Jhelum und Indiens 330-MW-Wasserkraftwerk Kishenganga zeitgleich gebaut. Laut dem Indus Water Treaty, wie beide Seiten den Vertrag auslegen, könnte die Rechtslage so aussehen, dass diejenige Seite, die zuerst mit dem Damm fertig werde, prioritäre Rechte über den Wasserzufluss habe. Auch hier wird die Weltbank eine Vermittlungslösung finden müssen.

Pakistan wirft Indien vor, am Wasserkonflikt zu zündeln, indem durch die neuen Projekte entlang der Flüsse die Wassermengen in Zukunft stark zurückgehen könnten, wenn Indien wie geplant nicht nur Stauseen füllen, sondern auch Wasser in andere Flusstäler zur Bewässerungslandwirtschaft umleiten will. Indien hingegen beansprucht die Nutzung der Flüsse als ihr Recht und fordert von Pakistan, gegen Terroristen vorzugehen, die gegen Indien operierten.

Bei den Gesprächen unter Mediation der Weltbank wird es zunächst um die von Indien im Bau befindlichen Wasserkraftwerke Kishenganga (330 MW) und Ratle (850 MW) am Jhelum- bzw. am Chenab-Fluss. Pakistan ist gegen beide Projekte, da diese den Indus Water Treaty verletzen würden. Indien Premierminister Narendra Modi hatte vor Monaten angedeutet, Indien könnte den Wasserfluss gen Pakistan einschränken, sollte Pakistan in der Terrorismusbekämpfung nicht kooperieren. Indien erklärte aber, bisher noch kein Wasser gestoppt und abgezweigt zu haben.

Himanshu Thakkar, Koordinator des South Asia Network on Dams, Rivers & People wies auf die mangelnde Sensibilisierung aller Politiker für die sozialen und Umweltkosten all dieser Projekte hin. Er erklärte gegenüber Medien, diese ganzen Projekte seien ohne Umweltverträglichkeitsprüfungen und ohne Konsultationen der dort lebenden Bevölkerung erfolgt. „Es sind da alleine an einem Fluss, dem Chenab, so viele Projekte. Das ist eine sehr sensible Region, stark Erdrutsch gefährdet, Sturzflut gefährdet und Erdbeben gefährdet.“

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Staudammprojekte schüren anhaltende Konflikte zwischen Indien und Pakistan https://www.gegenstroemung.org/web/blog/20170109a/ Mon, 09 Jan 2017 13:36:10 +0000 http://www.gegenstroemung.org/web/?p=1308 Von Christian Russau

Anfang Januar kam es zu einer neuen Runde von Argumenten zwischen Indien und Pakistan über den Bau künftiger Staudämme mit Wasserkraftwerken. Diesmal standen die geplanten Wasserkraftwerke Kishenganga am Jhelum-Fluss und Ratle am Chenab-Fluss zur Sprache. Die Konfliktparteien wandten sich and die Weltbank, die derzeit versucht, in Gesprächen die über diverse Wasserkraftprojekte seit Jahren anhaltenden Konflikte zu mäßigen.
„Wasser ist einer der Schlüsselkonflikte zwischen Indien und Pakistan“, erklärte Zubair Ahmad Dar von der Harvard Law and International Development Society. „Tatsächlich ist es sogar das grundlegendste aller Interessen in den verschiedenen Posititionen beider Länder in Bezug auf Jammu und Kashmir.“ Es sind sechs bedeutende Flüsse, die aus dem Himalaya kommend den indischen Teil von Kashmir passieren, bevor sie den pakistanischen Teil erreichen. Schon vor den mittlerweile unzähligen Staudammprojekten, schon vor der in beiden Ländern steigenden Bevölkerungszahlen und schon bevor jemand von den Folgen durch den Klimawandel eine Ahnung hatte, war der Zugang zu und die Verfügbarkeit von Wasser einer der zentralen Streitpunkte zwischen Indien und Pakistan.
1960 schlossen Pakistan und Indien – unter Aufsicht der Weltbank – zur kontrollierten Beilegung des Streits um Wasser den Indus Waters Treaty. Dieser bot einen vertraglich abgesicherten Rahmen, der die Nutzung des Wassers der Flüsse Indus, Chenab, Jhelum, Sutlej, Ravi und Beas genauestens regelte und die Streitschlichtungsmechanismen defnierte – und dies alles auch mehrere Jahrzehnte gut funktionierte. Doch dam kam Baglihar.
Ab 1982 erarbeitete Indiens Regierung den Entwicklungsplan für das Chenab-Becken vor, der 1984 in die ersten Projektplanungen für Staudammprojekte in der Jammu-und-Kashmir-Region mündete. Erst 1992 aber informierte Indien Pakistan über die Staudammpläne. Pakistan war entsetzt. 1999 startete die erste Bauphase für Baglihar I, Pakistan protestierte schriftlich bei Indiens Regierung und bei den im Indus Water Treaty festgelegten Schiedsstellen, beide Seiten hielten mehrere erfolglose Gesprächsrunden ab. Pakistan erarbeitete also eine Gegenstrategie, die 2002 in formalen „Fragen“ an Indiens Regierung mündeten. Im Januar 2005 – der Bau von Baglihar lief bereits seit sechs Jahren – reichte Pakistan dann als Notnagel eine Beschwerde vor der Weltbank ein, damit diese – als Garantiezeichnerin des Indus Waters Treaty – ein Schiedsgericht einsetze. Im Mai 2005 ernannte die Weltbank Professor Raymond Lafitte, einen schweizer Ingenieur, zum Schieds-Richter. Dieser verkündete am 12. Februar 2007 – acht Jahre nach Baubeginn – sein Urteil: die zur Flutung des Stausees von Seiten Indiens zu entnehmende Menge an Wassers wurde begrenzt, auch wenn nicht in dem Maße wie von Pakistan gefordert. Gleichwohl akzeptierten beiden Seiten das Urteil als „bindend“. Die Flutung startete im August 2008 – und prompt protestierte Pakistan, dass Indien die Flutungszeiten und -mengen nicht gemäß dem Abkommen tätige, Indien bestritt das. Erneut vor einer Mediationsinstanz ließ Indien dann erklären, „in Zukunft vorsichtiger zu sein“ und Pakistan „akzeptierte dies im Geiste von guter Zusammenarbeit“.
Beoachter/innen und den Beteiligten selbst ist klar, dass angesichts des Klimawandels solche Wasserkonflikte zwischen Indien und Pakistan zunehmen werden. Denn ähnliche, zu diesem Zeitpunkt bereits absehbare Konflikte zwischen Indien und Pakistan sind das 330-MW-Staudammprojekt Kishenganga am gleichnamigen Fluss – gegen das Pakistan im Mai 2010 eine Schiedsgerichtsklage einreichte und das nun bei der Weltbank liegt, die in dem Fall zu vermitteln versucht.
Nur wenige Monate nach der zwischen Pakistan und Indien so umstrittenen Flutung von Baglihar I vergab Indien den Bau von Baglihar II. Pakistan protestierte prompt erneut – denn die im Rahmen von Baglihar II dem Fluss Chenab zur Stauung zu entnehmende Wassermenge würde wiederum Pakistans Wasserverfügbarkeit reduzieren. Der internationale Schiedsgerichtshof urteilte erneut, wiederum ist das Urteil bindend, aber diesmal rumorte es gewaltig in Pakistans Medienlandschaft: Das Urteil sei „schlecht“, „von schlechten Richtern“ ist die Rede und von „schlechter Vorbereitung seitens Pakistans“. Baglihar II wurde Anfang November 2015 in Betrieb genommen. Kishenganga und Ratle werden folgen. Der Wasserkonflikt zwischen Indien und Pakistan wird weitergehen.

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