Munduruku – GegenStrömung https://www.gegenstroemung.org/web Thu, 25 Mar 2021 18:11:22 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.7.1 Munduruku-Frauenzentrum Wakoborun in Jacareacanga von Goldsuchern angegriffen https://www.gegenstroemung.org/web/blog/munduruku-frauenzentrum-wakoborun-in-jacareacanga-von-goldsuchern-angegriffen/ Thu, 25 Mar 2021 18:11:20 +0000 http://www.gegenstroemung.org/web/?p=2192 Das Zentrum Wakoborun der Munduruku-Frauen in der Kleinstadt Jacareancanga im Südwesten des amazonischen Bundesstaates Pará wurde am heutigen Donnerstag von einer Menschenmenge angegriffen. Die indigene Frauenorganisation Wakoborun kämpft seit Jahren gegen Staudämme, illegalen Bergbau und für den natürlichen Erhalt der Flüsse und Wälder im Südwesten von Pará.

Das Zentrum Wakoborun der Munduruku-Frauen in der Kleinstadt Jacareancanga im Südwesten des amazonischen Bundesstaates Pará wurde am heutigen Donnerstag von einer Menschenmenge angegriffen. Es kam zu gewalttätigen Übergriffen auf vor Ort Anwesende. Die Angreifer gaben sich als indigene Munduruku, die als Goldsucher:innen im illegalen Goldbergbau in indigenen Gebieten arbeiten, zu erkennen, die gegen die Arbeit der Frauen des gemeinnützigen Frauenvereins Wakoborun vorgingen, das Zentrum angriffen, die Fassade des Gebäudes beschmierten und in das Haus illegal eindrangen und drinnen das Mobiliar des Gebäudes und Dokumente und andere Vereinsmaterialien in Brand steckten, so die Munduruku-Frauen, die den Vorfall bei der Bundesstaatsanwaltschaft MPF in Pará meldeten, die heute sofort eine Untersuchung des Falles einleitete, wie diese auf ihrer Internetseite bekannt gab.

Laut der Mitteilung der Bundesstaatsanwaltschaft steigt seit dem 14. März dieses Jahres die Spannungen in der Region durch das weitere Eindringen des illegalen Bergbaus mit der Ankunft einer großen Anzahl von Radladern und Schaufelbaggern in der Region des Flusslaufes Baunilha Igarapé (übersetzt: Vanille-Bächchen), in der Nähe der Gebiete, in denen Munduruku arbeiten. Ein Hubschrauber, der in der Gegend gefilmt wurde, steht im Verdacht, den Kriminellen Geleitschutz zu geben, und eine bewaffnete Gruppe hinderte die Einheimischen daran, sich in die entsprechende Gegend zu begeben, so die Bundesstaatsanwaltschaft.

Letzte Woche wiederholte die Bundesstaatsanwaltschaft ihre bereits im Jahr 2020 an den Bundesgerichtshof gerichtete Forderung nach einem dringenden Einsatz von Bundeskräften, um gewaltsame Übergriffe illegaler Bergleute auf die indigene Bevölkerung zu verhindern. Seit 2017 warnt die Bundesstaatsanwaltschaft die Behörden vor dem zunehmenden Eindringen von Goldsucher:innen in das Munduruku-Gebiet, aber bis jetzt gab es keine hinreichende Bekämpfung des Verbrechens seitens der zuständigen Behörden, so die Bundesstaatsanwaltschaft.

Im August 2020 wurde sogar eine Inspektion durch das brasilianische Umweltinstitut Ibama eingeleitet, die aber nach einem Besuch des Umweltministers Ricardo Salles und der Intervention des Verteidigungsministeriums abgebrochen wurde. Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro und sein ihm politisch gleichgesinnter Umweltminister Ricardo Salles hatten nie einen Hehl aus ihrer Sympathie für Goldschürferei jeder Art, ob legal oder illegal, gemacht und bereits im ersten Regierungsjahr mehrmals öffentlich das eigentlich gesetzeskonforme Vorgehen der Umweltbehörde Ibama gegen illegale Brandrodungen und Goldschürferei aufs Schärfste kritisiert. Bolsonaro und Salles erließen Anordnungen, damit das Privateigentum der (illegal und kriminell operierenden) Goldschürfer:innen nicht länger von den Beamte:innen des Ibama zerstört werden dürfe. Umweltminister Salles traf sich während seiner nun knapp anderthalb Jahre währenden Amtszeit zudem wiederholt mit erklärt illegal operierenden Goldschürfer:innen und illegal Tropenholz rodenden Akteur:innen, ließ sich bereitwillig händeschüttelnd und in die Kameras grinsend mit diesen ablichten und versprach ihnen eine „neue“ Umweltpolitik im Land. Im Visier der Goldsucher:innen stehen vor allem Indigene Territorien.

Die Folge zeigt sich nun in zunehmender Brutalität in Jacareancanga und im Gebiet der Munduruku.

// Christian Russau

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Nach erneuten Morddrohungen von Goldgräbern: Flucht von zwei Munduruku-Frauen https://www.gegenstroemung.org/web/blog/nach-erneuten-morddrohungen-von-goldgraebern-flucht-von-zwei-munduruku-frauen/ Sat, 06 Feb 2021 13:24:19 +0000 http://www.gegenstroemung.org/web/?p=2176 Bolsonaro-Regierung ermuntert illegale Goldgräber und schafft so ein Narrativ der Gewalt. Flüsse verseucht und Indigene erhalten Morddrohungen.

Die Morddrohung kam per Whatsapp-Nachricht und auch über die lokalen Radiowellensender, mit denen die Bewohner:innen der abgelegenen Region am Tapajós, in Amazonien, miteinander kommunizieren. Die Botschaft war dabei eindeutig: Die Geduld sei erschöpft und man werde diejenigen nicht länger tolerieren, die sich der Goldsucherei entgegenstellten. Man werde sie töten.

Die Empfängerin der Morddrohung: Kabaiwun Munduruku, 33 Jahre alt, früher bekannt unter dem Namen Leusa Munduruku, heute bekannt unter dem Namen Kabaiwun Munduruku, Mutter von fünf Kindern. Die Täter: Goldsucher, die illegal in der Terra Indigena Munduruku und der Terra Indígena Sai Cinza nach Gold suchen, mit schwerem Gerät, mit Quecksilber, zum Trennen des Goldes, was die Flüsse derart verschmutzt, dass es mittlerweile kaum noch Flussanwohnende Indigene gibt, deren Quecksilberwerte im Körper nicht alarmierend hohe Werte aufweisen würde, mit Millionenschwerer Ausrüstung, bezahlt durch die wohlhabenden Hintermänner in den Städten. Und die, die die Maschinen vor Ort bedienen, die Bäume illegal roden, den Boden aufwühlen, Boden und Gewässer vergiften und Mondlandschaften hinterlassen, stets mit Gewehr oder Pistole zur Hand, die die Morddrohungen aussprechen und von denen alle wissen, sie würden ebenfalls nicht zögern, ihre Waffen einzusetzen, die sind auch Indigene Munduruku. Die Taktik der Spaltung hat funktioniert.

Ähnlicher Bedrohungslage ist auch Alessandra Munduruku ausgesetzt. Alessandra war im September 2019 als Gast der ASW und des FDCL in Berlin, nahm an der Berliner Klimastreik-Demo von „Fridays for Future“ am 20.9.2019 Teil, sprach vor zigtausenden Schüler:innen am Brandenburger Tor. Nun musste auch sie, genauso wie Kabaiwun fliehen, mit Familie an geheimen Ort, denn die Morddrohungen haben überhand genommen, Autos mit verdunkelten Scheiben verfolgten sie, sie wurde ostentativ gefilmt, wie Partnerorganisationen berichten.

Es ist zu gefährlich für die beiden Frauen dort zu bleiben, wo sie leben. Nur in der indigenen Dorfgemeinschaft der Aldeia können sie nicht bleiben, denn der Weg raus und rein wäre zu gefährlich, in der Stadt zu bleiben ist auch kein Thema, ebenfalls zu gefährlich. So blieb für beide Frauen nur die Möglichkeit, mit Hilfe befreundeter Organisationen für eine Weile samt Familie in eine andere Gegend zu ziehen. An geheimen Ort vorrangig nur Eines: überleben.

Beide Frauen befinden sich in akuter Lebensgefahr, wegen ihrer Rolle als Anführerinnen der Indigenen im Widerstand gegen die zahllosen Angriffe auf das Gebiet ihres Volkes. Der mächtige und gefährliche Gegner: Garimpo, die Goldgräberei. Die Munduruku sind eine der größten ethnischen Gruppen des Landes, mit Territorien entlang des Tapajós, dem Becken, das den Amazonaswald mit dem Cerrado verbindet. Das Großgebiet umfasst drei Bundesstaaten, Pará, Amazonas und Mato Grosso. Die Region leidet nicht nur unter illegaler Holzgewinnung und großen Regierungsprojekten wie Staudämmen, Soja, Monokulturen jeder Art und den damit zusammenhängenden Pestiziden, sondern ist heute auch eines der Hauptziele der Goldgewinnung im Land. Kabaiwuns und Alessandras in Medien und vor Gericht und Parlament vorgebrachten Klagen zur Verhinderung all dieser die Munduruku-Gemeinschaft in ihrer Existenz bedrohenden Projekte provozierten die Empörung einer Munduruku-Gruppe, die Garimpo auf indigenem Gebiet befürwortet. Es geht ums Geld, wie so oft.

„Jetzt zeigen diejenigen, die den Garimpo verteidigen, ihr wahres Gesicht“, erklärt Kabaiwun gestern gegenüber dem Hintergrundportal von Repórter Brasil. „Zuvor versteckten sie sich noch, um so zu tun, als würden sie dem Volk keinen Schaden zufügen. Nun aber haben sie keine Angst mehr“, klagt Kabaiwun. „Einige Angehörige sind bereits getäuscht worden, verseucht von der pariwat-[weißen]-Ideologie, dass man das Territorium zusammen mit ihnen ausbeuten muss, um einen Anteil zu bekommen.“ Für Kabaiwun jedoch ist klar, dass es sich um eine Minderheit handelt, die hauptsächlich von Männern gebildet wird: „Es ist eine kleine Gruppe von Indigenen, die von den Unternehmern angelockt werden, die unser Gebiet ausbeuten. Wir Frauen sind hier, um zu sagen, dass das nicht passieren darf, denn es ist das Leben unserer Kinder, das auf dem Spiel steht“. Und sie bekräftigt: „Ich denke, wenn die Frauen nicht im Kampf wären, würden alle Männer da sein und das Gebiet verscherbeln, leider“.

Obwohl sie als Minderheit betrachtet wird, hat die pro-garimpo indigene Gruppe offene Unterstützung von der Bundesregierung erhalten. Im August 2020 empfing Umweltminister Ricardo Salles in Brasilia eine Gruppe von sieben Munduruku-Bergleuten, die mit einem Flugzeug der brasilianischen Luftwaffe aus Jacareacanga (PA) in die Hauptstadt gebracht wurden. Nach einem Gespräch hinter verschlossenen Türen setzte das Verteidigungsministerium sogar Operationen zur Bekämpfung des illegalen Garimpo in der Region aus. Die Bundesstaatsanwaltschaft des Bundesstaates Pará (MPF/PA) leitete eine Untersuchung über den Einsatz der Militärflieger des FAB zum Transport der Gruppe ein, bisher ist niemand dafür zur Verantwortung gezogen worden. Von den Goldsuchern ganz zu schweigen. „Es war ihre Strategie, die Munduruku [nach Brasília] zu bringen, die über das Territorium verhandeln wollten. Sie sind wirklich gekommen, um unser Volk zu spalten“, sagt Kabaiwun.

Heute gehören diese beiden Frauen, Kabaiwun und Alessandra, zu den wichtigsten Wortführerinen bei der Verteidigung des Munduruku-Territoriums. Vor Jahren gründeten sie die Frauen-Widerstandsorganisation Wakoborun, die die Frauen organisiert, bildet und so enorme Empowermentprozesse unter den Frauen in Gang gebracht hat. Das schürt natürlich Hass, Hass bei einigen der Männer. Die internen Konflikte zwischen den mehr als 14.000 Indigenen Munduruku – aufgeteilt in mehr als hundert Dörfer – um das Garimpo im Gebiet sind alt. Die aktuelle politische Situation unter einer Bolsonaro-Regierung, der Umweltzerstörung egal ist und die den illegalen Bergbau in Amazonien voranbringen möchte, hat jedoch der Gruppe der Indigenen, die sich von der Goldgräberei Reibach erhoffen, Auftrieb gegeben. Während auf den Weltmärkten der Goldpreis historische Rekorde erreicht, treibt die Bolsonaro-Bundesregierung weiterhin den Bergbau auf indigenem Land voran. Im Februar letzten Jahres schickte Präsident Jair Bolsonaro den Gesetzentwurf 191/2020 in den Kongress, der diese Tätigkeit legalisieren soll.

Kabaiwun ist in Alto Tapajós geboren und aufgewachsen, wo sie das Fieber nach Gold bei einigen Männern aufflammen sah. „Junge Leute wollen heute nur noch Gold. Es ist sehr traurig, und es wird jeden Tag mehr.“ Sie sagt, dass die Gier immer mehr Menschen in den Gemeinden ergreift und sie bedauert, dass die Kultur ihres Volkes verloren geht. Deshalb widmet sie sich der Aufklärung über die Auswirkungen von Garimpo. Nun aber musste Kabaiwun Munduruku ebenso wie Alessandra Munduruku sich erstmal in Sicherheit bringen. Zu gefährlich wäre es für die zwei Frauen im Moment, vor Ort den Kampf fortzuführen, ohne hinreichend Schutz, für den der Staat eigentlich zuständig wäre.

// christian russau

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Munduruku wehren sich gegen den geplanten Bau der Bahnlinie Ferrogrão https://www.gegenstroemung.org/web/blog/munduruku-wehren-sich-gegen-den-geplanten-bau-der-bahnlinie-ferrograo/ Thu, 03 Dec 2020 10:34:28 +0000 http://www.gegenstroemung.org/web/?p=2155 Deutschsprachige Übersetzung der Erklärung der Associação Indígena Pariri – Munduruku, Médio Tapajós, Mundurukânia, 30. November 2020.

Wir vom Volk der Munduruku akzeptieren keine Treffen mit den für die Erstellung der „Indigenen Komponente“ beauftragten Teams, die damit die Grundlage dafür schaffen wollen, die Bahnlinie Ferrogrão zu bauen und dies mit Unterstützung der Delegation der Funai aus Brasília.
An die Regionalkoordination der FUNAI von Itaituba wurde ein Brief geschickt, in dem ein Treffen mit den Munduruku vom Mittleren Tapajós für den 2. Dezember anberaumt wurde, in dem die Führer aufgefordert wurden, ihre Dörfer zu verlassen und in die Stadt Itaituba zu kommen, um die Perspektiven des Ferrogrão-Projekts zu erörtern. Alle wissen, dass wir uns wegen Covid-19 in einer Phase der Isolation befinden, und wir werden dieses Treffen nicht akzeptieren.
Erstens fordern wir, dass Sie das Konsultationsprotokoll des Munduruku-Volkes sowie das Konsultationsprotokoll der Flussanwohner:innen von Montanha e Mangabal ebenso eingehalten werden muss wie die der Gemeinschaften Pimental und São Francisco und dass die Konsultationsprotokolle bzw. die entsprechenden Entscheidungsformen aller von diesem Projekt bedrohten Indigenen zu respektieren sind. Wir alle müssen in Übereinstimmung mit dem ILO-Übereinkommen 169 zum Schutz der Rechte der Indigenen und im Hinblick auf die Bundesverfassung von 1988 entsprechend gehört werden.
Die Banken, die dieses Ferrogrão-Projekt finanzieren werden, verletzen die Rechte der indigenen Völker und traditionellen Gemeinschaften.
Wir möchten auch eine Botschaft an diese Forscher:innen senden, die beabsichtigen, die Studien zur indigenen Komponente durchzuführen […]. Wir akzeptieren nicht, dass sie diese Studien in unserem Territorium durchführen. Sie wissen bereits, dass Ferrogrão unsere Lebensweise beeinträchtigen wird.
Wir lehnen diese Art des Zusammentreffens ab, ohne alle unsere Leute zu konsultieren, insbesondere während der Covid-19-Pandemie. Wir akzeptieren kein Treffen, das nur von den Behörden in Brasilia beschlossen wird, ohne Dialog mit den Anführer:innen, Häuptlingen, Krieger:innen, Schaman:innen, Lehrer:innen und Vertretern aller Munduruku-Vereinigungen.
Wenn Sie bereits wissen, dass alle Mitglieder des Munduruku-Volkes konsultiert werden müssen, bevor überhaupt irgendwelche Forscher,:innen, Regierung oder Geschäftsleute, die mit der geplanten Bahnlinie Ferrogrão in Verbindung stehen mit uns sprechen dürfen, warum versuchen Sie dann, ein Treffen in den Dörfern Praia do Índio und Praia do Mangue, mitten im Tapajós-Gebiet, anzusetzen, ohne alle anderen zu informieren, wie es das Konsultationsprotokoll eigentlich vorsieht?
FUNAI vertritt unsere Interessen nicht. Der Regionalkoordinator von Tapajós und die FUNAI-Vertreter:innen in Santarém, Itaituba und Jacareacanga können das Volk der Munduruku nicht vertreten oder ein Treffen für uns arrangieren. FUNAI muss uns zuhören und unsere Entscheidungen respektieren. Wir haben noch zwei Ländereien, die auf den Abschluss der Demarkationsprozesse im Gebiet des Mittleren Tapajós warten, und unser Territorium wird zunehmend von Invasionen für den Bau von Häfen, Staudämmen für Wasserkraftwerke und Bergbau betroffen, und die Regierung besteht nach wie vor darauf, mit einem weiteren Todesprojekt im Tapajós-Becken fortzufahren. Die FUNAI, die ihrer verfassungsmäßigen Verpflichtung nachkommen sollte, unsere Rechte zu garantieren, unser Land abzugrenzen und zu schützen, geht gegen unsere Interessen vor und verbündet sich mit den Projekten der Regierung und den großen Agrarindustriellen, den einzigen, die von dem Bahnlinenprojekt Ferrogrão profitieren werden.
Schließlich warnen wir davor, dass Vertreter:innen von FUNAI Brasilia und der MRS-Beratungsfirma irgendein Munduruku-Dorf betreten, auch weil laut FUNAI-Verordnung Nr. 419/2020 Weiße aufgrund der Zunahme der Fälle von Covid19 nicht in unsere Dörfer kommen dürfen und nicht versuchen dürfen, versteckt und vereinzelt mit den Anführer:innenn zu sprechen. JEDE ANFRAGE IN BEZUG AUF FERROGRÃO ODER EIN ANDERES VORHABEN MUSS UNSEREM KONSULTATIONSPROTOKOLL FOLGEN.

// Quelle: https://www.facebook.com/AIPariri/posts/2591856737780874
// Übersetzung: Christian Russau

Weitere Inhalte zu „Munduruku“ auf der Webseite von KoBra.

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ERKLÄRUNG: Anklage des Volkes Munduruku https://www.gegenstroemung.org/web/blog/erklaerung-anklage-des-volkes-munduruku/ Tue, 21 Jan 2020 12:57:25 +0000 http://www.gegenstroemung.org/web/?p=2001 Vom 14. bis zum 17. Januar 2020 fand in der aldeia Piraçu in der Terra Indígena Capoto Jarina im Munizip São José do Xingu im zentralbrasilianischen Bundesstaat Mato Grosso das Treffen von über 600 Indigenen von 47 indigenen Völkern statt, um eine gemeinsame Position gegenüber den gezielten Angriffen der Bolsonaro-Regierung auf die verfasstheit der Indigenen territorien in Brasilien zu entwickeln. Dies mündete unter anderem in einer großen Abschluss-Erklärung, die auch von größeren medien aufgegriffen wurde. Auf dem Treffen wurde von den anwesenden Munduruku ebenfalls eine Erklärung verlesen, die auf die besonderen akuten bedrohungen des Munduruku-Volkes hinweist. GegenStrömung dokumentiert in deutschsprachiger Übersetzung diese Munduruku-Erklärung.

Anklage des Volkes Munduruku

Wir, das Munduruku-Volk vom Mittleren und Oberen Tapajós haben uns einmal mehr zusammengeschlossen, um unsere gemeinsame Position zu entwickeln und gemeinsam Anklage zu erheben gegen die Invasoren, die in unser Territorium einfallen: Goldschürfer, Holzfäller, Touristen und Palmherzen-Fäller. Die pariwat (Munduruku für: Die Weißen) bringen schweres Gerät in unser Territorium und wir müssen verschmutztes Wasser trinken und durch Schlamm und Wquecksilber verseuchte Fishe essen. Deshalb stellen wir den Präsidenten Brasiliens, Jair Bolsonaro, an den Pranger,, denn es ist er, der diesen Genozid, Ethnozid und Ökozid an uns befördert und vorantreibt, indem er die Holzfäller und Goldschürfer ermutigt, in unsere Territorien einzufallen und in unseren Flüssen voranzudringen, was das Leben unserer Kinder, Alten, Kaziken, Frauen, Krieger, Schamanen und auch der Tiere unseres Waldes bedroht.

Wir sind hier, um zu sagen, dass dieser Präsident uns immer mehr umbringt und uns unsere Rechte nimmt, die in der Bundesverfassung von 1988 festgehalten wurden. Jair Messias Bolsonaro ermutigt unseren Tod durch Bergbau, Landtitelfälscher (die Auftragsmörder anheuern, um uns zu töten), durch Wasserkraftwerke, Eisenbahnen (siehe die geplante Soja-Bahnlinie Ferrogrão) und die Verpachtung von indigenem Land. Die Regierung nimmt den Ureinwohnern, die so hart für die Eroberung des Landes gekämpft haben, ihre Gesundheit weg. Diese Regierung will die Gesundheit der indigenen Bevölkerung auf kommunaler Ebene verankert sehen- SESAI, indem sie die indigene Bevölkerung in die Stadt bringt, um vor Krankenhäusern in der Warteschlange zu sterben, die nicht einmal die sterbenden Pariwat (Weißen) aufnehmen können. Wir wissen, dass dieser Präsident ethnophobisch ist, da er öffentlich erklärt hat, dass er keinen Zentimeter Land für die indigene Bevölkerung demarkieren wird. Dennoch sind wir hier, um zu sagen, dass wir fordern, dass unser Gebiet als Sawre Muybu-Territorium (bekannt als Daje, Kapap Eypi), das Sawre Bapin-Territorium und andere indigene Gebiete demarkiert werden, die in der Region in des Mittleren Tapajós liegen, bei den Gemeinden Itaituba und Trairão, im Bundesstaat Pará, Die Verfassung von 1988 schreibt dies ebenso vor, wie dies die internationalen Abkommen tun, die von der brasilianischen Regierung unterzeichnet wurden. Die Regierung hat ein Interesse daran, uns aus unseren territorien zu vertreiben, um den Bau großer Vorhaben wie Ferrogrão, Wasserkraftwerke, Wasserstraßen und Häfen zu ermöglichen, um dadurch große Mengen an Sojabohnen und Mais nach China und Europa zu transportieren. Die multinationalen Unternehmen haben dazu beigetragen, die Invasionen in unsere Territorien und das Vergießen von indigenem Blut zu verstärken, indem sie Sojabohnen, Fleisch, Holz und Mineralien gekauft haben, die illegal aus indigenen Gebieten gewonnen wurden.

Dieselben Länder, die sich selbst als entwickelt betrachten, beuten die natürlichen Ressourcen der indigenen Territorien aus, exportieren Turbinen in Wasserkraftwerke, die auf unseren Territorien gebaut werden, töten unsere Fische und versperren unseren Fluss, der unsere Straßen und die Hauptquelle unserer Existenz und unseres Überlebens ist. Deshalb fordern wir, dass im Flussbecken des Tapajós, wie Chacorão, Jatobá, São Luís Tapajós und am Jamaxim-Fluss, neben den anderen dort geplanten Großvorhaben, die uns das Leben kosten werden, kein Wasserkraftwerk gebaut wird. Wir haben bereits unter den Auswirkungen und der Zerstörung unserer heiligen Stätten Deko ka’a (Affenhügel), Karobixexe (sieben Wasserfälle) gelitten, und wir leiden, seit diese Dämme gebaut wurden. Es wurden uns unsere ITIG’A (Urnen) gestohlen, die die Mutter der Fische, Jabuti-Schildkröte, Affen und anderer ist. Die Schamanen waren gezwungen, die ITIG’A Ende 2019 zu retten und unsere ITIG’A (Urnen) an den traditionellen Ort zu bringen, von wo aus sie während des Baus des Wasserkraftwerks Teles Pires gebracht wurden. Unsere ITIG’A (Urnen) wurden im historischen Mseum von Alta Floresta aufbewahrt. Wir litten und verloren unsere Frauen wegen der Geister und der Schändung durch die Mutter der Fische, als sie die Wasserkraftwerke São Manoel und Teles Pires bauten. Wir fordern, dass Ihr aufhört, Überseehäfen zu bauen, in denen dieser agrotoxische Sojastaub auf unsere Dörfer und in den Fluss fällt, weil er unsere Flüsse und den Fisch, den wir essen, verunreinigt.

Wir wollen auch das Vorgehen von Forschern anprangern, die von brasilianischen und internationalen Unternehmen finanziert werden, um den Bergbau in den indigenen Gebieten zu legalisieren. Diese Regierung, die mit diesen Unternehmen verbündet ist, respektiert das Konsultationsprotokoll des Munduruku-Volkes nicht und erklärt auch, dass die indigenen Völker kein Vetorecht haben und NEIN sagen können, und dass sie stattdessen in unsere Lebenswelt einfallen und diese zerstören können. Ihr seid schuldig am Tod der Eingeborenen, Ihr, diese Regierung, diese Unternehmen und Länder akzeptieren ihrerseits keine Migration, aber Ihr vertreibt uns aus unseren Territorien. Es sind über 520 Jahre, in denen wir Widerstand leisten, und wir werden nicht jetzt aufhören! Wir werden weiterhin für die Verteidigung unseres Territoriums kämpfen!

SAWE!SAWE!SAWE!

Übersetzung: Christian Russau

Link zum Originaldokument hier.

Zum Weiterlesen:

Offener Brief: Keine Equipment-Lieferung für Bergbauaktivitäten in Indigenen Territorien in Brasilien

Munduruku-Frauen vom Mittleren Tapajós: „Wir haben beschlossen, Widerstand zu leisten“

„Wir werden Widerstand leisten! SURARA! SAWÊ!“

Tapajós-Broschüre online

Brief vom III. Treffen der Munduruku-Frauen

Indigene Kayabi, Munduruku und Apiaká protestieren weiter gegen das Wasserkraftwerk São Manoel am Fluss Teles Pires in Amazonien

Staudamm, Schiene, Schnitzel

Besetzung der Baustelle des Wasserkraftwerks São Manoel am Fluss Teles Pires

Wie die Munduruku das Protokollverfahren zur Konsultation wollen

Nur wichtig mit Papieren rumfuchteln reicht nicht

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Bekanntmachung der Munduruku https://www.gegenstroemung.org/web/blog/bekanntmachung-der-munduruku/ Tue, 30 Jul 2019 22:04:31 +0000 http://www.gegenstroemung.org/web/?p=1942 GegenStrömung dokumentiert die von KoBra erstellte deutschsprachige Übersetzung der Erklärung der Munduruku, die auf ihrem Gebiet illegal operierende Holzfäller antrafen und des Landes verwiesen haben.

Quelle und Foto: Foto: Associação Indígena Pariri – Munduruku, Médio Tapajós

Die Verteidigung unseres Gebietes geht weiter. Wir, das Volk der Munduruku des Mittleren und Oberen Tapajós, machen weiter mit der autonomen Abgrenzung und Markierung unseres Gebietes Daje Kapap Eipi, bekannt als indigenes Gebiet Sawre Muybu. Wir liefen mehr als 100 Kilometer auf unserem Gebiet, auf dem Gelände für das der Ausdehnungsbericht der Identifikation und Abgrenzung im Amtsblatt seit April 2016 publiziert ist. Organisiert in fünf Gruppen verteidigen wir weiterhin unser heiliges Gebiet – die Krieger Pusuru Kao, Pukorao Pik Pik, Waremucu Pak Pak, Surup Surup und die Kriegerin Wakoborun. So war schon immer unser Widerstand. Wie unsere Vorfahren, die immer Kämpfe erlebten und nie von den Pfeilen der Feinde getroffen wurden, reinigen wir unsere Spitzen, kontrollieren wir, bilden Wächter-Gruppen und öffnen neue Dörfer wie Karoebak am Rio Jamanxim. Während dieser fünften Etappe der Durante autonomen Abgrenzung und unserem Neustart fanden wir neue Öffnungen und viele Wege von Holzfällern und Palmenherzen-Sammlern auf unserem Gebiet. Wir haben zwei Gruppen von Holzfällern vertrieben, die in unser Gebiet eingedrungen waren. Wir waren sehr empört, als wir unsere Bäume gefällt und die Stämme von unseren Paranussbäumen auf einem Lastwagen sahen. Und wir wissen, dass sie unsere Erde in eine große Weide für ihr Vieh verwandeln wollen, wenn sie das Holz fällen. Deshalb gaben wir ihnen eine Frist von drei Tagen, um ihre ganze Ausrüstung zu entfernen. Wir waren mit unseren Gesängen, unserer Bemalung, unseren Pfeilen und der Weisheit unserer Vorfahren bewaffnet. Und mit viel Druck haben sie den ganzen Vormittag damit verbracht, 11 schwere Maschinen, 2 LKW, 1 Quad, 1 Boote sowie 8 Motorräder zu entfernen. Keines der Fahrzeuge hatte ein Nummernschild. Beim Neustart liefen wir 26 Kilometer, um die Wege der Holzfäller auf unserem Gelände zu kontrollieren. Wir tranken dreckiges Wasser aus dem Rio Jamanxim, der durch Goldsucher verseucht ist. Alleine gelang es uns, die Holzfäller zu vertreiben, was ICMBIO, IBAMA und FUNAI nicht geschafft haben. Wir wissen, dass es in der Flona de Itaituba II eine Landepiste gibt. Die Eindringlinge töten unser Leben und verströmen das Blut unseres Waldes. Unser Leben ist in Gefahr. Aber deswegen werden wir weiterhin unseren Widerstand und unsere Autonomie zeigen. Wir können auf unser Gebiet aufpassen und es für unsere Kinder und zukünftige Generationen erhalten. Niemand macht uns Angst und niemand wird uns hindern, denn wir haben die Macht in unserem Gebiet, das unsere Heimat ist. Wir verteidigen, was uns gehört und nicht den pariwat. Deshalb werden wir weiter für die Demarkation unserer Gebiete kämpfen. Sie werden uns nicht besiegen. Wir werden niemals darüber verhandeln, was heilig ist. Müssen noch mehr Verwandte sterben, wie es mit dem Anführer Wajãpi passiert ist, damit die zuständigen Stellen agieren?

Übersetzung: Ulrike Brandt für KoBra

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Brief der I. Vollversammlung der Munduruku-Frauen https://www.gegenstroemung.org/web/blog/brief-der-i-vollversammlung-der-munduruku-frauen/ Thu, 11 Jul 2019 10:03:41 +0000 http://www.gegenstroemung.org/web/?p=1937 Vom 5. bis 7. Juli 2019 haben 300 Frauen vom Oberen, Mittleren und Unteren Tapajós im Dorf Nova Trairão die I. Vollversammlung der Munduruku-Frauen abgehalten. Dies ist die deutschsprachige Übersetzung des Abschlussdokuments.

I. Vollversammlung der Munduruku-Frauen vom Oberen, Mittleren und Unteren Tapajós. Nova Trairão, 7.7.2019
Foto mit herzlicher Genehmigung: Marquinho Mota

Wir bemalen uns wie die Kriegerin Wakoborun, Wir Munduruku-Frauen vom Oberen, Mittleren und Unteren Tapajós, zusammen mit unseren Verwandten Kumaruara, Arapiuns, Borari, Tupinambá, Guarani und Kaiowa, haben wir die I. Vollversammlung der Munduruku-Frauen im Dorf Nova Trairão vom 5. bis 7. Juli 2019 abgehalten. Fast dreihundert Menschen waren anwesend, fünfundvierzig Dörfer vom Mittleren und vom Oberen Tapajós waren vertreten, darunter der Kazike Arnaldo Kaba sowie Vertreter der Verbände Pariri, Wuyxaxima und Cimat. Wir haben diesen wichtigen Moment geschaffen, um den Widerstand von Kriegerinnen, Schamanen, Kriegern und Häuptlingen fortzusetzen. Wir werden immer über unseren Kampf sprechen und uns um unsere Gebiete kümmern, die jetzt krank sind von Invasionen, vom Quecksilber, werden sprechen über die Verseuchung und Vergiftung unserer Kinder und Flüsse. Und wir werden standhaft bleiben, ohne jemals über unser Territorium, unser Leben und die Zukunft unseres Volkes zu verhandeln.
Wir fordern von den Unternehmen und der Regierung, dass sie unsere Lebensweise und unsere Entscheidungen respektieren, wie es im Protokoll über die Konsultation mit dem Munduruku-Volk steht. Sie haben bereits die Dämme in unserem Gebiet auf dem Fluss Teles Pires gebaut und unsere heiligen Stätten Karobixexe und Dekoka’a zerstört. Wir werden nicht aufgeben, von der Regierung und den Unternehmen, die die Häuser unserer Geister zerstört haben, zu verlangen, dass sie unsere heiligen Urnen in unser Gebiet zurückbringen, sonst werden wir auch unter diesen Folgen leiden.
Wir haben diesen Moment des Widerstands geschaffen. Wir planen Projekte, um mehr und mehr Autonomie für unseren Kampf zu schaffen. Wir arbeiten zusammen bei der Erstellung unseres Lebensplans, in Gruppen, in denen wir uns gegenseitig austauschen, um die Zukunft unserer Generationen zu sichern, indem wir unser Handwerk, die Agrarökologie und die Rechte unserer Lehrerinnen und Lehrer stärken, die für unsere indigenen Schulen neue Grundlagen brauchen, damit wir dort mehr Autonomie haben, um mit und in unserer Kultur und unserer Identität zu arbeiten.
Es war ein sehr starker Moment für uns alle in der Vollversammlung, vor allem der Erfahrungsaustausch mit den Verwandten der Guarani und Kaiowa, die uns von ihrem Kampf in Mato Grosso do Sul erzählten, wo ihr Land von den Großbauern gestohlen wurde. Der Mut der Verwandten hat uns sehr berührt, und wir sind sehr geschockt über die Gewalt, die sie durch die Bauern, die Regierung und die Polizei erleiden, wenn sie für die Rückeroberung ihres Landes kämpfen. Wir haben gesehen, dass unser Kampf ein einziger ist und dass wir indigene Völker ohne Kampf nichts erreichen.
Jetzt wollen sie einen anderen heiligen Ort plattmachen: Daje kapap Eipi. Wir werden immer weiter für die Abgrenzung unseres Landes Sawre Maybu, Sawre Jaybu, Sawre Apompu und anderer Gebiete kämpfen. Wir leiden unter diesen Gesetzen des Todes, die uns von unseren Wurzeln reißen wollen.
Unsere in der Verfassung verbrieften Rechte sind das Ergebnis eines langen Kampfes derer, die vor uns kämpften. Wir werden weiterhin für unsere Rechte kämpfen, für unsere Kinder und Enkelkinder. Wir bauen Lebensweisen auf, und wir werden nicht aufhören, auch nicht mit unter dieser aktuellen Regierung, die uns hasst und unseren Tod will. Wir werden weiter für unser Territorium, für unsere Wälder, für unseren Fluss kämpfen, der wie das Blut ist, das in unserem Körper fließt, das unserem Volk Kraft gibt, sich zu wehren. Sawe!
Aldeia Nova Trairão, 7. Juli 2019

Carta em português:

Carta da I Assembleia das Mulheres Munduruku
Pintamos como a mulher guerreira Wakoborun, nós mulheres munduruku do alto, médio e baixo Tapajós, junto com os parentes Kumaruara, Arapiuns, Borari, Tupinambá, Guarani e Kaiowa tivemos a I Assembleia de Mulheres Munduruku, na aldeia Nova Trairão, de 05 a 07 de julho 2019. Contou com a presença de quase trezentas pessoas, quarenta e cinco aldeias do médio e alto Tapajós, incluindo a presença do cacique geral Arnaldo Kaba, representações das associações Pariri, Wuyxaxima, Cimat. Construímos esse momento importante para continuar a resistência das mulheres guerreiras, pajés, guerreiros e caciques. Nós sempre vamos falar da nossa luta e cuidar dos nossos territórios, que agora ele está doente pelas invasões, pelo mercúrio, contaminando e envenenando as nossas crianças e os nossos rios. E vamos continuar firmes, sem negociar jamais o nosso território, a nossa vida e o futuro do nosso povo.
Exigimos que empresas e o governo respeitem nosso modo de vida, nossas decisões, como está no protocolo de consulta do povo Munduruku. Já construíram as barragens no nosso território no Teles Pires, e destruíram os nossos locais sagrados Karobixexe e Dekoka’a. Nós não vamos desistir de exigir que o governo e as empresas que dinamitaram a morada dos nossos espíritos, devolvam ao nosso território nossas urnas sagradas, senão nós vamos sofrer também com essas consequências.
Nós construímos esse momento para resistência. Pensamos em projetos para construirmos cada vez mais autonomia para nossa luta. Trabalhamos juntos na construção do nosso plano de vida, com grupos de trocas para garantir o futuro das nossas gerações, fortalecendo o nosso artesanato, a agroecologia, os direitos de nossos professores e professoras que precisam de regularização das escolas indígenas para terem mais autonomia para trabalhar com a cultura e com nossa identidade.
Um momento muito forte para todos nós, na Assembleia, foi a troca de experiência com as parentes Guarani e Kaiowa, que nos contaram da sua luta no Mato Grosso do Sul, onde as suas terras foram roubadas para os fazendeiros. Ficamos muito emocionados com a coragem das parentes e a violência que sofrem com os fazendeiros, o governo, a polícia, nas retomadas de terras. Vimos que a nossa luta é uma só, e que sem luta, nós indígenas não conseguimos nada.
Agora querem acabar com mais um local sagrado: Daje kapap Eipi. Nós vamos sempre continuar na luta pela demarcação das nossas terras Sawre Maybu, Sawre Jaybu, Sawre Apompu e outros territórios, que nós sofremos com essas leis de morte querendo arrancar a nossas raízes.
Os nossos direitos que estão na Constituição são resultado de muita luta dos que vieram antes de nós. Vamos continuar lutando por eles, pelos nossos filhos e netos. Estamos construindo caminhos de vida, e não vamos parar, mesmo com esse governo que nos odeia e quer a nossa morte. Nós vamos continuar lutando pelo nosso território, pelas nossas florestas, pelo nosso rio que é como o sangue que corre no nosso corpo, que dá força para o nosso povo resistir. Sawe!
Aldeia Nova Trairão, 7 de julho de 2019

// Übersetzung: christian russau

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Munduruku-Frauen vom Mittleren Tapajós: „Wir haben beschlossen, Widerstand zu leisten“ https://www.gegenstroemung.org/web/blog/munduruku-frauen-vom-mittleren-tapajos-wir-haben-beschlossen-widerstand-zu-leisten/ Fri, 15 Feb 2019 11:53:03 +0000 http://www.gegenstroemung.org/web/?p=1860 GegenStrömung dokumentiert die deutschsprachige Übersetzung des Offenen Briefs des 3. Treffens der Munduruku-Frauen vom Mittleren Tapajós.

Wir, die Munduruku-Frauen vom Mittleren und Oberen Tapajós haben vom 30. Januar bis zum 2. Februar 2019 unser drittes Frauentreffen in der aldeia Sawre Muybu (Território Daje Kapap Eipi) abgehalten. Wir haben beschlossen, Widerstand zu leisten, das Leben unserer Kinder zu verteidigen, den Weg ohne Gewinnstreben, ohne Krankheiten, ohne Bedrohungen unseres Volkes vorzuleben. Wir werden das Leben unserer Kinder nicht im Austausch gegen Wasserkraftwerke hergeben, gegen Bergbau, Häfen, Waldnutzungslizenzen, Eisenbahnlinien und Wasserstraßen. Die Regierung und die Firmen fahren derweil darin fort, unsere Mutter Erde zu töten. Sie haben bereits die Mutter unserer Fische – Karobixexe (Wasserfälle Sete Quedas, Anm. d.Übersetzers) und Dekoka’a (der Morro dos Macacos, Anm. d. Übersetzers) – getötet. Die neue Regierung handelt dabei nicht anders, sie sind der ewig alte gleiche Pariwat-Feind („pariwat, Munduruku für Weiße, Anm. d. Übersetzers) der indigenen Völker.

Wir senden hiermit diese klare Botschaft: Das Leben unseres Volkes geben wir gegen nichts im Tausch her und darüber verhandeln wir nicht! Jeden Tag, jede Minute versucht die Bolsonaro-Regierung, unsere Rechte, unser Territorium, unserer Bildung, unsere Gesundheit zu untergraben und abzuschaffen. Bei der Gesundheit unternehmen sie beispielsweise den alten versuch, diese unter kommunale Hoheit zu stellen und dadurch das indigene Gesundheitswesen abzuschaffen – und dergestalt das Leben unserer Kinder zu beenden.

Die Regierung hat noch nie unsere Rechte, auf und mit unserem Land zu leben, respektiert, immer stehen sie auf der Seite des Gewinnstrebens. Wir lehnen die Regierungsmaßnahme MP 870 sowie alle Dekrete ab, die sich gegen die indigenen Völker richten und unser Land bedrohen, indem sie die Demarkationshoheit dem Agrarministerium übertragen, also genau in die vom indigenen Blut schmutzigen Hände der Großfarmer, die den Wald verschlingen und die Zuckerrohr und giftiges Soja produzieren. Solle wir jetzt also als Bittstellerinnen bei Agrarministerium und bei der Agrarreformbehörde Incra auflaufen, um unser Land demarkiert zu bekommen? Diese Maßnahme akzeptieren wir auf keinen Fall, da sie unser Leben schwer beeinträchtigen wird, und dies ohne, dass wir indigenen Völker gefragt worden wären. Die Regierung zerreißt die Konvention 169 der Intrenatinalen Arbeitsorganisation ILO, zerreisst unser Konsultationsprotokoll und erklärt uns indigenen Völkern den Krieg.

Des Weiteren stellen sich die Politiker und Firmenchefs taub, sobald wir den Erhalt unseres Awaidip (Munduruku für Wald, Anm. d. Übersetzers) einfordern. Wir aber lauschen dem Wald, und wir wissen, dass mit jedem neu gebauten Wasserkraftwerk ein weiterer Zeh des Tatus, die die Welt zusammenhalten, abgeschnitten wird. Darum geht es bei all diesem Ungleichgewicht, diesen Toten, diesen Tragödien. Hervorgerufen werden sie von den pariwat und wir alle müssen leiden. Wir solidarisieren und mit unseren Verwandten Pataxó Hãe Hãe Hãe und Krenak, die das Sterben ihrer Flüsse (Paraopeba und Rio Doce, durch die zwei Dammbrüche von Brumadinho, Jan. 2019, und Mariana, Nov. 2015, Anm. d Übersetzers) miterleben mussten. Und wir solidarisieren uns mit all jenen, die Opfer der von den Bergbaufirmen begangenen Verbrechen wurden. Auch wir werden durch Bergbaufirmen bedroht, so zum Beispiel am Rio Vermelho, wo unsere heiligen Orte und viele andere bereits zerstört werden, wir sind bedroht durch viele weitere Bergbauschürfanfragen bei der Bergbaubehörde. Und wir wissen sehr genau, dass die Regierung diese für uns tödlichen Bergbaulizenzen sehr gerne bewilligen möchte, auch in indigenen Territorien. Aber das werden WIR NICHT ZULASSEN!

Daher wollen wir – wie unsere Vorfahren es getan haben – den Kopf dieser Regierung! Wir werden weiter die Auto-Demarkation unseres Territoriums machen, unsere Frauen-Treffen und dergestalt unseren Kampf und unsere Autonomie stärken, dies zusammen mit den pajés (Wissenden, Heilenden, Anm. d. Übersetzers), den Kriegern und Kaziken.

Wir werden weiter das haus unserer Vorfahren verteidigen, unser Volk der Munduruku, damit künftige Generationen, unsere Kinder und Enkelkinder ebenfalls ein geschütztes Territorium haben, und dort nach unserer Lebensweise leben und unser Gutes Leben kultivieren können. SAWE.

// Übersetzung: Christian Russau
// Link zum Originaldokument: hier

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„Wir werden Widerstand leisten! SURARA! SAWÊ!“

Tapajós-Broschüre online

Brief vom III. Treffen der Munduruku-Frauen

Indigene Kayabi, Munduruku und Apiaká protestieren weiter gegen das Wasserkraftwerk São Manoel am Fluss Teles Pires in Amazonien

Staudamm, Schiene, Schnitzel

Besetzung der Baustelle des Wasserkraftwerks São Manoel am Fluss Teles Pires

Wie die Munduruku das Protokollverfahren zur Konsultation wollen

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Brief vom III. Treffen der Munduruku-Frauen https://www.gegenstroemung.org/web/blog/brief-vom-iii-treffen-der-munduruku-frauen/ Fri, 13 Jul 2018 09:45:50 +0000 http://www.gegenstroemung.org/web/?p=1757 GegenStrömung dokumentiert die deutschsprachige Übersetzung der Abschlußerklärung der Mundurukufrauen von ihrem dritten Treffen.

Wir haben uns vom 8. bis zum 11 Juli 2018 im Dorf Patauazal in der Terra Indígena Munduruku versammelt, um über die gegen uns gerichteten Bedrohungen und die Diskriminierungen zu diskutieren, die wir erleiden, und um über die Projekte zu sprechen, die die Regierung der pariwat [Weiße, in Munduruku, Anm.d.Übersetzers] auf unserem Land errichten will, wie: Staudämme, Wasserstraßen, Eisenbahntrassen, Häfen, Bergbau, Waldkonzessionsvergaben (Flona Itaituba I und II sowie Flona Crepori), Invasion der illegalen Holzfäller und Goldwäscher, also all derer, die das Leben von uns Frauen, der Männer, der Jugend und der Kinder Munduruku bedrohen.

Wir sind fest entschlossen, aus unserer gemeinsamen Allianz im Kampf der Assoziationen Associação Wakoborun, Associação Pariri, Associação Da’uk und der Bewegung Movimento Munduruku Ipereg Ayu gestärkt hervorzugehen, weil wir es nie aufgeben werden, für unseren Fluss und für unser Territorium – frei von diesen Projekten des Todes – zu kämpfen. Wir verteidigen den Fluss, der für uns ist wie die Muttermilch, die wir jeden Tag unseren Kindern geben. Das Land ist unsere Mutter, für die wir tiefen Respekt empfinden und über die wir niemals verhandeln werden.

Wir werden mit unserer Bewegung Movimento Ipereg Ayu weitermachen – mit unseren Gruppen von Kriegerinnen und Kriegern – und wir werden weiter für unser Land kämpfen, so wie es unser Gott Karosakaybu gegeben hat und unsere Vorfahren instruiert hat. Wir werden weiter den Weg der Autonomie unseres Volkes gehen, um unser Territorium in Freiheit zu behalten, um es den kommenden Generationen zu übergeben.

Wir sind auf dem Weg, unseren eigenen Lebensplan zu entwerfen, indem wir unter uns Frauen über das Gute Leben diskutieren, über unsere eigene Bildung reden, über unsere Autonomie. Wir Frauen zeigen unsere Arbeit in der Praxis. Wir kennen unseren Weg und werden ihn ohne Gift und ohne Gewinnstreben weitergehen!

Wir lehnen es ab, dass die Regierung uns nur Projekte des Todes bringt, wir wollen, dass unser Leben wertgeschätzt wird, unsere Arbeit und unsere Produktion. Wir sind nicht wie Ihr pariwat, die Ihr ohne Grund den Wald rodet. Wir sind Kriegerinnen und Krieger der Munduruku und wir werden mit der Auto-Demarkation unserer Territorien, mit der Ausbildung und Fortbildung unserer Jugend, mit den Treffen unserer Frauen und mit unseren Munduruku-Märkten fortfahren.

Wir wissen, dass wir nicht alleine sind, wir haben Bündnisse mit anderen Völkern und Gemeinden an den Flüssen, die ihren eigenen Weg sehr gut kennen. Aus all diesen Gründen werden wir unser Territorium der Regierung nicht überlassen.

Wir werden immer für uns selbst entscheiden, für unser Territorium, für unseren Fluss!

Wir sind der Keim des Widerstands der Munduruku!

Associação das Mulheres Munduruku Wakoborun

Associação Pariri

Associação Da’uk

Movimento Munduruku Ipereg Ayu

Foto: III Encontro das Mullheres Munduruku, Patauazal na Terra Indígena Munduruku, durante os dias 08 a 11 de julho de 2018
Foto: III Encontro das Mullheres Munduruku, Patauazal na Terra Indígena Munduruku, durante os dias 08 a 11 de julho de 2018

Foto: III Encontro das Mullheres Munduruku, Patauazal na Terra Indígena Munduruku, durante os dias 08 a 11 de julho de 2018
Foto: III Encontro das Mullheres Munduruku, Patauazal na Terra Indígena Munduruku, durante os dias 08 a 11 de julho de 2018

Foto: III Encontro das Mullheres Munduruku, Patauazal na Terra Indígena Munduruku, durante os dias 08 a 11 de julho de 2018
Foto: III Encontro das Mullheres Munduruku, Patauazal na Terra Indígena Munduruku, durante os dias 08 a 11 de julho de 2018

 

// Übersetzung: christian russau

Hier das portugiesischsprachige Original:

Carta do III Encontro das Mullheres Munduruku

Nós, reunidos na aldeia Patauazal na Terra Indígena Munduruku, durante os dias 08 a 11 de julho de 2018, nos encontramos para discutir sobre as ameaças e discriminações que estamos sofrendo e os projetos que o governo pariwat tenta impor para nosso território como as barragens, hidrovia, ferrovia, portos, mineração, concessão florestal (Flona Itaituba I e II e Flona Crepori) invasão de madeireiros e garimpos, que impactam a vida das mulheres, dos homens, dos jovens e das crianças Munduruku.

Estamos decididos continuar fortalecidos em aliança de luta com a Associação Wakoborun, Associação Pariri, Associação Da’uk e Movimento Munduruku Ipereg Ayu pois nunca vamos parar de lutar pelo nosso rio e pelo nosso território livre dos projetos de morte. Estamos defendendo o rio que é como nosso leite materno que damos todos dias para nossos filhos. A terra é nossa mãe, temos respeito (Ipi Wuyxi Ibuyxin Ikukap) e nunca vamos negociar.

Vamos continuar com o nosso Movimento Ipereg Ayu – com nossos grupos de guerreiras e guerreiros – e continuar lutando pela nossa terra, como deixou o nosso Deus Karosakaybu e nos orientou os nossos antepassados. Vamos seguir o caminho da autonomia do nosso povo para manter o nosso território livre para nossas futuras gerações.

Estamos caminhando na construção do nosso plano de vida, discutindo com as mulheres sobre o nosso bem viver, sobre a nossa educação própria, sobre a nossa autonomia. Nós mulheres mostramos nosso trabalho na prática. Nós sabemos seguir o nosso caminho sem veneno e sem ganância!

Não queremos que o governo traga só projeto de morte, queremos que valorizem a nossa vida, nosso trabalho e nossa produção. Não somos iguais vocês pariwat, que desmatam a floresta sem necessidade. Somos guerreiras e guerreiros Munduruku e vamos continuar fazendo a autodemarcação dos nossos territórios, capacitação dos jovens, formação e encontro das mulheres e nossa Feiras Munduruku.

Sabemos que não estamos só, temos nossas alianças com outros povos e comunidades ribeirinhas que sabem seguir o seu próprio caminho. Por isso, não vamos entregar nosso território para o governo.

Vamos sempre decidir por nós, pelo nosso território, pelo nosso rio!

Nós somos a semente da resistência Munduruku!

Associação das Mulheres Munduruku Wakoborun

Associação Pariri

Associação Da’uk

Movimento Munduruku Ipereg Ayu

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Indigene Kayabi, Munduruku und Apiaká protestieren weiter gegen das Wasserkraftwerk São Manoel am Fluss Teles Pires in Amazonien https://www.gegenstroemung.org/web/blog/indigene-kayabi-munduruku-und-apiaka-protestieren-weiter-gegen-das-wasserkraftwerk-sao-manoel-am-fluss-teles-pires-in-amazonien/ Tue, 26 Sep 2017 11:46:28 +0000 http://www.gegenstroemung.org/web/?p=1567 Nur zwei Monate nach der Baustellenbesetzung des Wasserkraftwerks São Manoel am Fluss Teles Pires laufen betroffene indigene Gruppen noch immer Sturm gegen den Staudamm. Regierungszusagen erneut nicht eingehalten.

Von Christian Russau

Erneut wenden sich die Indigenen der Kayabi, Munduruku und Apiaká, die am Teles Pires-Fluss im Bundesstaat Pará an der südlichen Grenze zu Bundesstaat Mato Grosso leben, an die Bundesstaatsanwaltschaft, um bei dieser Unterstützung in der Causa des Kampfs gegen den Staudamm São Manoel zu erhalten. Die Bundesstaatsanwälte haben diese Unterstützung zugesagt, so dass es nun zu weiteren juristischen Eingaben gegen die Staudammbetreiberfirmen, die Regierung in Brasília und die Umweltbehörde Ibama kommen wird. Dies berichtet das Internetportal Amazônia Real.

Es ist keine zwei Monate her. Damals hatten 200 Frauen der Munduruku die Baustelle des Wasserkraftwerks São Manoel am Fluss Teles Pires für mehrere Tage besetzt, einen sofortigen Baustopp und die Herausgabe der Urnen ihrer Ahnen aus dem zu flutenden Gelände gefordert. Eilig war die Politik aus Brasília angereist, in Form von Firmen- und Regierungsvertretern, darunter der Präsident der Indigenenbehörde FUNAI, General Franklimberg Ribeiro de Freitas, der den Indigenen die weitestgehende Umsetzung ihrer Forderungen zugesagt hatte, um im Gegenzug den Abzug der protestierenden Indigenen von der Baustelle zu erreichen. Die Indigenen hatten ihre Zusagen eingehalten. Nur Brasília nicht, wieder einmal.

Am 5. September hatte das brasilianische Bundesumweltamt Instituto Brasileiro de Meio Ambiente e Recursos Naturais Renováveis (Ibama) dem Konsortium der Staudammbetreiber die Betriebslizenz und somit die Genehmigung zur Flutung des Reservoirs erteilt. Das Ibama räumte in der Begründung zwar ein, dass es bei der Umsetzung noch Probleme gäbe, so dass es durch die Bauarbeiten zu einem messbaren Rückgang der Fischbestände und Zerstörung der Flora und weiteren Fauna käme. Das Ibama erkannte auch an, dass dies schwerwiegende Auswirkungen für die dort am und vom Fluss lebenden Indigenen habe. Doch statt einen Baustopp zu erlassen, so dass zuerst die Probleme beseitigt werden, entschied sich das Ibama, die Betriebsgenehmigung zu erteilen und gleichzeitig den Staudammbetreibern Auflagen zu erteilen, deren Umsetzung zur Verbesserung und Wiederherstellung der Situation der Flora und Fauna binnen vier Jahre zu erfolgen habe, dann werde der Staus Quo überprüft, so das Ibama.

Keine schönen Aussichten für die betroffenen Indigenen. Denn das gleiche Vorgehen hat beispielsweise im Falle des Staudamms Belo Monte am Fluss Xingu dazu geführt, dass trotz der Umweltschäden und des tonnenfachen Fischsterbens der Bau weiterging – und nun die Indigenen, Kleinfischer und Flussanwohner dort vor dem Nichts stehen. Vor Kurzem wurde erneut ein gerichtlicher Baustopp über Belo Monte verhängt, da die Ersatzhäuser für die Tausenden von Zwangsumgesiedelten, nun, zwei Jahre nach Erstbeziehung der ersten Häuser, weitesgehend abbruchreif sind oder zumindest mitnichten den Zusagen ordentlicher Baustruktur entsprächen – so die Ansicht des zuständigen Richters. Der Entscheid über den gerichtlich angeordneten Baustopp gegen Belo Monte soll obendrein nun durch gerichtliche Entscheidung durch Polizeieinheiten durchgesetzt werden, da die Staudammbetreiber sich schlicht an den Gerichtsentscheid nicht hielt und einfach weiterbauten.

Ähnliches befürchten die Indigenen für den Staudamm São Manoel am Fluss Teles Pires.

Sechs indigene Anführer der Munduruku, Kayabi und Apiaká erklärten, am 27. und 29. September dieses Jahres nach Brasília zu fahren, um dort mit der Generalbundesanwaltschaft und der Indigenenbehörde Funai über ihr Anliegen zu reden. Sie betonten auf dem Treffen mit den Bundesstaatsanwälten, dass das Wasserkraftwerk São Manoel eine „große Gefahr“ für die Flüsse, Wälder, Tiere, Fische sowie für das historische und kulturelle Erbe der Indigenen sei. „In Anbetracht der vielen bereits begangenen und sich dem anschließenden Fehler der Gewährung der Betriebsgenehmigung zeigt sich klar, dass die Firma keinen Plan hat, all diese Auswirkungen zu mindern. So ist offensichtlich, dass die Entscheidung der Umweltbehörde Ibama falsch war. Daher fordern wir, dass die Bundesstaatsanwaltschaft umgehend Maßnahmen ergreife, um vor Gericht die Suspendierung der Betriebsgenehmigung für das Wasserkraftwerk zu erwirken, da es illegal ist und die Gefahren dieses und der weiteren am Fluss geplanten Wasserkraftwerke für uns Indigene sehr groß sind“, so die Indigenen in ihrer Erklärung gegenüber den Bundesstaatsanwälten.

Im Visier der Wasserkraftbefürworter stehen derzeit vor allem die Flüsse des Tapajós-Beckens, also die zwei Flüsse Teles Pires und Juruena, aus deren Zusammenfluss sich der Tapajós bildet, sowie all deren kleinere Zuflüsse. Laut staatlichen Berechnungen habe Brasilien ein Gesamtpotenzial an Wasserkraft in Höhe von 260 GW Kapazität, von dem 40,5% allein in Amazonien liegen. Um dies umzusetzen, hatte die Regierung von Dilma Rousseff im Januar 2012 einen Erlass unterzeichnet, der aus fünf Naturschutzgebieten eine Fläche von 75.000 Hektar ausgliederte, um diese Fläche zu potentiellen Flutungsgebieten für die Staudämme am Tapajós zu machen. Und was am Tapajós geht, kann auch an den Zuflüssen Jamanxim, Teles Pires oder Juruena gemacht werden. Für das Tapajós-Becken sind insgesamt 43 große Staudämme sowie über 100 kleine Wasserkraftwerke (bis zu 30 MW laut brasilianischer Gesetzesbestimmung und die als „Kleinwasserkraftwerke“ erst gar keine Umweltverträglichkeitsstudie benötigen) geplant.

Dabei haben beispielsweise die indigenen Munduruku vom Oberen, Mittleren und Unteren Tapajós bereits Ende 2015 ein Grundlagendokument erstellt, in dem sie erklären, wie eine rechtlich korrekte Konsultation der Munduruku im Falle von Großprojekten wie Staudämmen auszusehen habe, das wir hier in Gänze erneut wiedergeben.

Quelle: Movimento Munduruku Ipereg Ayu, Associações: Da’uk, Pusuru, Wixaximã, Kerepo und Pahyhyp: Protocolo de Consulta Munduruku, Jan. 2016, unter: http://fase.org.br/pt/acervo/biblioteca/protocolo-de-consulta-munduruku/

Im Entstehensprozess des Dokuments, das in den indigenen Dörfern mit allen Munduruku 2015 gemeinsam debattiert und im Konsens verabschiedet wurde, war den Munduruku immer wichtig zu betonen, dass sie für sich selbst selbst reden und dass niemand Einzelnes ohne Weiteres für die Gruppe sprechen darf.

Daher hier die Erklärung der Munduruku zum Protokollverfahren der Konsultation im Wortlaut:

Wir, das Volk der Munduruku,

wir wollen hören, was die Regierung uns zu sagen hat. Aber wir wollen keine Ausreden. Damit das Volk der Munduruku entscheiden kann, müssen wir wissen, was tatsächlich geschehen wird. Und die Regierung muss uns anhören. Zuallererst fordern wir die Demarkation des Indigenen Territoriums Sawré Muybu. Auf gar keinen Fall akzeptieren wir eine Umsiedlung. Wir fordern von der Regierung zudem, dass unsere isoliert in unserem Land lebenden Verwandten geschützt werden und dass das Recht auf Konsultation der anderen Völker, wie der Apiaká und der Kayabi, die auch durch diese Projekte bedroht sind, garantiert werde. Außerdem fordern wir, dass den durch die Staudämme im Tapajós betroffenen Gemeinden der Flussanwohner von Montanha-Mangabal, Pimental und São Luiz ihr Recht auf Konsultation angemessen und ihrer besonderen Realität angepasst gewahrt werde. Genauso wie wir haben die Flussanwohner das Recht auf eigene Konsultation.

Wer soll konsultiert werden?

Die Munduruku aller Dörfer – des Oberen, Mittleren und Unteren Tapajós – müssen konsultiert werden, auch diejenigen aus indigenen Gebieten, die noch nicht demarkiert wurden.

Soll die Regierung nicht denken, wir seien gespalten:

Es gibt nur ein Volk der Munduruku“

Es sollen konsultiert werden:

  • die weisen Alten, die pajés, die Geschichtenerzähler, die Kenner traditioneller Medizin, die Kenner der Wurzeln und der Blätter, diejenigen, die die heiligen Orte kennen.

  • die Kaziken und Anführer, die Krieger und Kriegerinnen. Die Kaziken sind miteinander vernetzt und teilen die Informationen mit allen Dörfern. Es sind sie, die alle zusammenrufen, damit wir debattieren, was wir machen werden. Die Krieger und Kriegerinnen unterstützen den Kaziken, gehen mit ihm und schützen unser Territorium.

  • die Anführer, die Lehrer sind, und die, die für die Gesundheit zuständig sind, die also, die mit der ganzen Gemeinschaft arbeiten.

  • die Frauen, damit sie ihre Erfahrungen und Informationen weitergeben. Es gibt Frauen, die sind pajés, Hebammen und Kunsthandwerkerinnen. Sie bearbeiten das Feld, geben Ideen und Rat, bereiten das Essen zu, stellen medizinische Produkte her und verfügen über ein großes und breites traditionelles Wissen.

  • die Universitätsstudenten, die Erzieher der Munduruku, die Ibaorebu-Studenten, die Jugendlichen und Kinder müssen auch konsultiert werden, weil sie die zukünftige Generation sind. Viele Jugendliche haben Zugang zu Kommunikationsmedien, lesen Zeitungen, gehen ins Internet, sprechen portugiesisch und kennen unsere Realität und haben aktiven Anteil an dem Kampf unseres Volkes.

  • unsere Organisationen (Conselho Indígena Munduruku Pusuru Kat Alto Tapajós – Cimpukat, Da’uk, Ipereg Ayu, Kerepo, Pahyhy, Pusuru und Wixaximã) müssen auch konsultiert werden, aber sie dürfen niemals alleine konsultiert werden. Die Stadtverordneten Munduruku sprechen nicht für unser Volk. Die Entscheidungen des Volks der Munduruku werden kollektiv getroffen.

Wie soll der Prozess der Konsultation ablaufen?

  • Die Regierung darf uns nicht erst dann konsultieren, wenn alle Entscheidungen schon getroffen sind. Die Konsultation muss vor allem anderen stattfinden. Alle Treffen müssen in unserem Territorium stattfinden – in dem Dorf, das wir auswählen –, und nicht in der Stadt, nicht einmal in Jacareacanga oder Itaituba.

  • Die Treffen dürfen nicht zu Zeiten stattfinden, die die Aktivitäten unserer Gemeinschaft stören (also zum Beispiel nicht während der Feldarbeits-Saison des Feldfurchens oder des Pflanzens; nicht während der Zeit des Kastanien-Sammelns, nicht während der Zeit des Mehls, nicht während unserer Festtage; nicht am Tag des Indigenen). Wenn die Regierung in unser Dorf zur Konsultation kommt, dürfen sie nicht nur kurz einfliegen und am nächsten Tag wieder weggehen. Sie müssen in Ruhe mit uns Zeit verbringen.

  • Die Treffen müssen in der Sprache Munduruku abgehalten werden und wir entscheiden, wer übersetzen wird. In diesen Treffen muss unser Wissen genauso anerkannt werden wie dies der pariwat (nicht-indigener). Weil es sind wir, die wir die Flüsse kennen, den Wald, die Fische und das Land. Es sind wir, die wir die Treffen koordinieren, nicht die Regierung.

  • An den Treffen sollen die Partner unseres Volkes teilnehmen: Die Bundesstaatsanwaltschaft, die von uns ausgewählten Partnerorganisationen sowie Fachleute unseres Vertrauens, die wir auswählen. Die Unkosten unserer Anwesenheit und die unserer Partner während aller Treffen gehen auf Kosten der Regierung.

  • Damit die Konsultation wirklich frei sein wird, werden wir auf den Treffen unter keinen Umständen bewaffnete pariwat (Militärpolizei, Bundespolizei, Bundesstraßenpolizei, Heer, Nationaler Sicherheitskräfte, Brasilianischen Geheimdienst oder jedwede anderen staatlichen oder privaten Sicherheitskräfte) akzeptieren.

  • Wenn die Regierung mit Kameras ankommt, darf sie ohne unsere Autorisierung keine Aufnahmen machen. Zu unserer Sicherheit sollen die Treffen gefilmt werden und die Regierung muss uns die vollständigen Kopien der Aufnahmen übergeben.

Die von uns bisher angesprochenen Treffen teilen sich in folgende auf:

  • Treffen zum Beschluss über den Plan für die Konsultation: Die Regierung muss sich mit dem Volk der Munduruku treffen, damit wir eine Übereinkunft treffen, welchen Plan wir für die Konsultation festlegen. Dieser Plan für die Konsultation muss dieses Dokument hier in Gänze respektieren, da es erklärt, wie wir uns organisieren und wie wir unsere Entscheidungen treffen.

  • Informationstreffen: Die Regierung muss sich mit unserem Volk treffen, in jedem Dorf einzeln, um uns über ihre Vorhaben zu informieren und unsere Zweifel und Nachfragen zu beantworten. Neben uns sollen die Partner unseres Volkes an diesem Treffen jeweils teilnehmen.

  • Interne Treffen: Nach diesen Informationstreffen brauchen wir Zeit zum Diskutieren unter uns über die Vorschläge der Regierung. Wir werden Zeit brauchen, um den Vorschlag den Verwandten, die nicht an den Informationstreffen teilnehmen konnten, zu erläutern. Des Weiteren wollen wir uns mit den Flussanwohnern (beispielsweise mit denen von Montanha-Mangabal) treffen und beratschlagen. Wir werden unsere Partner zu unseren internen Treffen hinzuladen. Aber die Regierung darf dabei nicht anwesend sein. Sollten Unklarheiten oder neue Informationen aufkommen, dann muss die Regierung weitere Informationstreffen mit uns und unseren Partnern abhalten. Danach dann würden wir weitere Treffen mit unseren Partner, ohne die Regierung, machen, um die Unklarheiten zu klären und um zu debattieren. Egal wie viele Treffen dafür notwendig wären, damit das Volk der Munduruku sich vollständig informiert

  • Verhandlungstreffen: Wenn wir hinreichende Informationen haben und mit unserem ganzen Volk debattiert haben, wenn wir also eine Antwort an die Regierung haben, dann muss die Regierung sich mit uns, in unserem Territorium treffen. An diesem Treffen sollen auch unsere Partner teilnehmen. Die Regierung muss zuhören und auf unseren Vorschlag antworten, selbst wenn unser Vorschlag anders als der von der Regierung sei. Und wir mahnen: Wir akzeptieren nicht, dass die Regierung Rechte so einsetzt, wie die, die uns eigentlich zustehen, aber nie respektiert werden, um uns letztlich reinzulegen.

Wie treffen wir Munduruku unsere Entscheidungen?

  • Wenn ein Vorhaben uns alle betrifft, dann ist unsere Entscheidung eine kollektive. Die Regierung darf nicht nur einen Teil des Volks der Munduruku konsultieren (sie darf zum Beispiel nicht nur die Munduruku des Mittleren Tapajós oder nur die des Oberen Tapajós konsultieren).

  • Keine Vereinigung der Munduruku entscheidet für das Volk der Munduruku, keine Organisation redet für unser Volk. Die Entscheidungen unseres Volks werden auf der Vollversammlung getroffen, die durch unsere Kaziken einberufen wird. Es sind unsere Kaziken, die gemeinsam und zusammen Zeit und Ort der Generalversammlung festlegen und die Munduruku zur Teilnahme einladen. Auf diesen Versammlungen werden die Entscheidungen im Anschluss an die Debatte getroffen: Wir diskutieren und kommen zu einem Kosens. Wenn es nötig ist, diskutieren wir viel. Wir stimmen nicht ab. Wenn es keinen Konsens gibt, entscheidet die Mehrheit.

Was erwartet das Volk der Munduruku von dieser Konsultation?

Wir erwarten, dass die Regierung unsere Entscheidung respektiert. Wir haben Veto-Recht.

Sawe!!“

// Text und Übersetzung: Christian Russau

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Staudamm, Schiene, Schnitzel https://www.gegenstroemung.org/web/blog/staudamm-schiene-schnitzel/ Mon, 31 Jul 2017 12:42:13 +0000 http://www.gegenstroemung.org/web/?p=1528 Wie Staudämme und Wasserstraßen am Tapajós mit Bergbau und Soja in Mato Grosso und dem billigen deutschen Schnitzel zusammenhängen

Von Christian Russau
Lateinamerika Nachrichten, Juli/August 2017
Dossier „Wasserkraft in Lateinamerika“, Lateinamerika Nachrichten/GegenStrömung

Die von Politik und Unternehmen geplanten Staudämme am Tapajós-Fluss in Amazonien sollen Strom erzeugen, aber auch die Wasserstände der dortigen Flüsse regulieren, so dass diese durchgehend schiffbar werden. Diese Vorhaben bedrohen das Überleben der Wälder und Flüsse Amazoniens. Doch auch das hiesige Konsumverhalten und deutsche Schweinemastanlagen stehen mit der drohenden Zerstörung im Zusammenhang.

Den indigenen Munduruku ist schon früh klar geworden, dass der Politik nicht zu trauen ist. Zu oft hatten Regierungsbeamte ihr Wort gebrochen. So nahmen sie stattdessen die Dinge lieber selbst in die Hand. Die Munduruku begannen im Oktober 2014, Fakten zu schaffen: Sie fingen an, die Sawré Muybu – so bezeichnen sie das Gebiet, das sie bewohnen – selbst als indigenes Territorium zu demarkieren, um es zu schützen.
Die Gefahr, die dem Sawré Muybu droht, ist die Zerstörung durch Staudämme. Wie schon so viele andere indigene Territorien in Amazonien soll es für ein Wasserkraftwerk überflutet werden. Denn Amazonien stand und steht im Fokus des Interesses, Staudämme zu errichten. Staatlichen Berechnungen zufolge hat Brasilien ein Gesamtpotenzial für Wasserkraft in Höhe von 260.000 MW Kapazität, von denen 40,5 Prozent allein in Amazonien liegen. Im Mai 2016 sind die ersten Turbinen des größten Wasserkraftwerks in Amazoniens, Belo Monte am Xingu-Fluss, in Betrieb genommen worden, bis 2019 soll es fertiggestellt werden. Nun will Brasília die weiter westlich gelegene Region von Pará in Angriff nehmen.
Im Visier der Wasserkraft steht dabei das Flussbecken des Tapajós. An den beiden Quellflüssen, Teles Pires und Juruena, aus deren Zusammenfluss sich der Tapajós bildet, sowie an all deren kleineren Zuflüssen, sollen Wasserkraftwerke entstehen. Für das Tapajós-Becken sind insgesamt 43 große Staudämme sowie über 70 kleine Wasserkraftwerke (unter 30 MW) geplant.
Der größte der geplanten Staudämme im Tapajós-Becken ist der São Luiz do Tapajós-Damm mit über 8 GW Kapazität. Mit geplanten Kosten von etwa zehn Milliarden Euro wäre der Damm am Tapajós fast ebenso teuer wie der Belo-Monte-Staudamm. Zwischen 2011 und 2016 wurde die Planung des São Luiz do Tapajós-Damm von der Regierung in Brasília massiv vorangetrieben. Doch es gab Widerstand, insbesondere von den Indigenen der Munduruku.
„Die Regierung und die FUNAI sind nie hierhergekommen, um über die Demarkation unseres Territoriums, über Gesundheit oder Bildung zu reden. Sie kommen hier nur her, um über Staudämme zu reden“, erklärte 2011 Floriano Munduruku, in seiner Aussage gegenüber der Bundesstaatsanwaltschaft in Pará. Das machte die indigenen Munduruku so wütend, dass sie mehrmals von Brasília entsandte Anthropolog*innen, Biolog*innen und Feldvermesser*innen festsetzten und nur gegen die Zusage, die Staudammpläne ad acta zu legen, wieder freiließen. Doch die Pläne gingen immer weiter. „Für uns Indigene Völker gibt es keine Kompensation, um uns für den Verlust unserer Kultur und unserer traditionell indigenen Lebensweise zu entschädigen. Die Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder steht auf dem Spiel“, erklärten 2016 die indigenen Gruppen der Xerente, Apinajé, Krahô, Kayabi und Juruna in einer gemeinsam Erklärung.
Um ihre Zukunft zu schützen, fingen die Munduruku an, selbst ihr Territorium zu demarkieren. Sie begannen, Daten darüber zu erheben, welche Gebiete in welcher Form von den Indigenen genutzt werden. Dies war keine einfache Aufgabe, denn die Population der über 10.000 Munduruku lebt zerstreut in zahlreichen kleinen Gruppen.
Mit dieser Selbst-Demarkierung ihres Territoriums solidarisierten sich viele zivilgesellschaftliche Gruppen im In- und Ausland. Dieser massive öffentliche Druck bewog die brasilianischen Behörden, erst einmal einzulenken. Im April 2015 entschloss sich die Umweltbehörde Ibama dazu, die Umweltverträglichkeitsprüfungen für den Staudamm São Luiz do Tapajós neu zu überarbeiten: ein schwerer Schlag für die Staudammbefürworter*innen.
Doch die weltweite Solidaritätsarbeit für die Menschen am Tapajós nahm nicht ab. Im Frühjahr 2016 unterstützte das deutsche Hilfswerk Misereror in ihrer Fastenaktion die Flussanwohner*innen, Kleinbäuer*innen und Munduruku am Tapajós zwischen den Orten Itaituba und Jacareacanga. Eine entsprechende Petition, die die Wahrung der Rechte der Bevölkerung am Tapajós einforderte, wurde von über 50.000 Menschen unterschrieben. Verschiedene internationale Nichtregierungsorganisationen wie Greenpeace gaben den Munduruku technische Unterstützung bei der Selbstdemarkation der Sawré Muybu als Indigenes Territorium. Mitte 2016 war der Prozess abgeschlossen: Die Munduruku bauten die offiziellen Schilder zur Außenkennzeichnung Indigener Territorien – wie sie normalerweise die Indigenenbehörde FUNAI produziert – einfach nach. Öffentlichkeitswirksam hängten sie diese an den Außengrenzen von Sawré Muybu auf. Die Bilder von der Aktion gingen um die Welt.
Und dann kam es im August 2016 zur Überraschung vieler zu einem wichtigen Etappensieg für die Indigenen und die Flussanwohner*innen der Region: Die Umweltbehörde IBAMA stoppte das ganze Genehmigungsverfahren für den Staudamm São Luiz do Tapajós. Doch die Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte haben gezeigt, dass solche Pläne jederzeit wieder aus den Schubladen der Behörden hervorgeholt werden können.
Zudem ging es Brasília in der Tapajós-Region nie nur um Energieproduktion. Mit den Staudämmen sollen auch Transportwege ausgebaut werden: Sie sollen dazu beitragen, den Flusslauf zu regulieren und ihn so schiffbar zu machen. Dadurch sollen Wasserstraßenrouten für den Transport von Rohstoffen aus dem Bundesstaat Mato Grosso geschaffen werden. Die Staumauern würden dafür sorgen, dass Stromschnellen überflutet werden. Vier Schleusen sollen am Tapajós entstehen, sechs am Teles Pires. Dann können auch größere Schiffe diese Regionen erreichen. Dazu sollen die Häfen in Santarém, Mirituba, Itaituba, Santana und Barcarena ausgebaut werden. So würden die Infrastrukturprojekte nicht nur Energie liefern, sondern auch den kostengünstigen Transport von Rohstoffen bis an den Atlantik ermöglichen. Dabei geht es um den Transport von mineralischen Bodenschätzen und Agrarrohstoffen wie Soja, Mais und Weizen. Die ganze Region soll an den Weltmarkt angeschlossen und für die expandierenden Bergbau- und Agrarindustrien massiv erschlossen werden.
In Mato Grosso wurden erst Anfang der 2010er Jahre Vorkommen mit 450 Millionen Tonnen Phosphat sowie elf Milliarden Tonnen Eisenerz entdeckt. Brasília will diese Erze unter anderem über die schiffbar zu machenden Flüsse des Tapajós-Beckens transportieren lassen. Eine andere Möglichkeit wäre der Bau einer Eisenbahn.
„Ferrogrão“ –„Eisengetreide“ heißt einer der geplanten Süd-Nord-Bahnkorridore von Sinop in Mato Grosso nach Miritituba in Pará am Tapajós. Von dem dortigen Hafen aus können die Rohstoffe dann über den Amazonas bis zum Atlantik gebracht werden. „Ferrogrão“ soll den Planer*innen zufolge dem Transport von Soja und Getreide aus Mato Grosso dienen, aber auch für Erzzüge nutzbar sein. Weitere Pläne sehen den Bau einer Ost-West-Bahntrasse vor: Zu diesen Plänen zählt auch die Idee der sogenannten bi-ozeanischen Eisenbahntrasse zwischen dem brasilianischen Hafen Santos in São Paulo und dem peruanischen Pazifikhafen Ilo. Dieses „Jahrhundertprojekt“, an dem sich auch Deutschland beteiligen will, soll Zentralbrasilien und Bolivien mit Häfen am Atlantik und Pazifik verbinden und dadurch an die Märkte in Europa und Asien anschließen.
Für die Bergbaukonzerne gibt es zur Schiffbarmachung von Flüssen oder zum Bau von Bahntrassen keine Alternativen: Erze und deren Derivate lassen sich nicht kostengünstig auf LKW über hunderte von Kilometer transportieren. Aber auch aus Sicht der Soja-Farmer*innen aus Mato Grosso spricht vieles für den Bau des „Ferrogrão“ und der Wasserstraßen.
Bislang ist die Boomregion für Sojaanbau im Bundesstaat Mato Grosso nur über LKW an den Weltmarkt angeschlossen. Über die insgesamt 3.467 Kilometer lange Bundesstraße BR 163 konnten die Sojafarmer*innen ihre Produkte entweder in Richtung Norden nach Miritituba und Santarém oder in Richtung Süden zum Hafen von Santos verschicken. Die Farmer*innen in Mato Grosso beklagen immer wieder die hohen Kosten der mehrtägigen LKW-Fahrten auf der BR-163 gen Südosten. Zudem komme es oft zu Staus bei der Entladung des Sojas in den Häfen von Santos oder Paranaguá: Die Atlantikhäfen sind häufig völlig ausgelastet, denn dort wird auch das Soja aus Südbrasilien und Paraguay ausgeschifft. Manchmal stehen die LKW und Fahrer*innen mehrere Wochen still.
Auch die BR-163 nach Norden sei immer viel befahren, klagen die Farmer*innen aus Mato Grosso. Die derzeitigen Kapazitäten des Hafens Mirituba seien nahezu ausgeschöpft. Deshalb befürworten sie auch die Pläne, die Soja-Terminals an den Häfen am Amazonas massiv auszubauen: Die Kapazität des Hafens von Santarém bei der Tapajós-Mündung in den Amazonas soll im kommenden Jahrzehnt von derzeit 1,8 auf 8 Millionen Tonnen Soja pro Jahr ausgebaut werden. Im Hafen Porto Velho am Rio Madeira sind Ausbauten von 4 auf 7 Millionen Tonnen pro Jahr und in Miritituba am Tapajós von derzeit 3,5 auf 32 Millionen Tonnen pro Jahr geplant.
Sollten die Wasserstraßenprojekte im Tapajós-Becken in dieser Form realisiert werden, erwarten die Soja-Farmer*innen eine Kostenersparnis von satten 41 Prozent beim Transport ihrer Produkte. Bislang, so klagen Soja-Farmer*innen in Mato Grosso, hätten sie viermal höhere Logistikkosten pro Tonne Soja als ihre Konkurrenten im Mittleren Westen der USA. Die geplanten Infrastrukturprojekte am Tapajós würden die Logistikkosten enorm senken und den Anbau von Soja im großen Stil in Regionen lohnenswert machen, die bislang von der Expansion der Agrarindustrie verschont geblieben waren.
Die sozialen und ökologischen Folgen dieser Infrastrukturprojekte wären enorm. Márcio Santilli vom Instituto Socioambiental (ISA) spricht angesichts dieses Amazonien durchziehenden Netzes von Straßen vom „zerhackten Amazonien“. Die Verkehrswege würden große zusammenhängende Teile Amazoniens, die noch bewaldet sind, zerteilen. Dabei gibt es einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Entwaldung und Verkehrswegen: 80 Prozent aller Rodungen in Amazonien erfolgen innerhalb eines 30 Kilometer breiten Streifens entlang asphaltierter Straßen.
Brasilien ist schon heute Soja-Exportweltmeister – mit allen sozialen und ökologischen Folgen, die dieses Modell vor Ort erzeugt. So ist Brasilien auch Weltmeister im Pestizidverbrauch und in der Auslaugung der Böden; die Landpreise steigen, Konflikte um Land nehmen zu. Die kleinbäuerliche Bevölkerung wird dagegen immer mehr marginalisiert. Doch die brasilianische Politik fördert weiter die Expansion der Agrarindustrie, denn sie ist der größte Devisenbringer. Soja brachte im Jahr 2015 einen Exporterlös von 28 Milliarden US-Dollar, Produkte aus Soja stehen allein für 14,6 Prozent der brasilianischen Exporte. In der Erntesaison 2015-2016 wurden in Brasilien insgesamt 95 Millionen Tonnen Soja auf 33,9 Millionen Hektar geerntet.
Das brasilianische Landwirtschaftsministerium will diesen Trend noch mehr befeuern. Landwirtschaftsminister ist derzeit Blairo Maggi, der selbst Farmer aus Mato Grosso ist und eine zeitlang als der größte individuelle Sojaproduzent der Welt galt. Nach Plänen aus seinem Ministerium soll die Produktion von Soja, Weizen und Mais von 185 Millionen Tonnen auf bis zu 274,8 Millionen Tonnen im Jahr 2022 ansteigen. Dabei soll der Heimatstaat von Maggi, Mato Grosso, die Hauptrolle spielen. Geplant ist, den Anteil Mato Grossos an der brasilianischen Jahresproduktion von Soja von 29,2 Prozent im Jahr 2012 auf 40 Prozent bis 2022 zu erhöhen.
Soja hat in den letzten Jahren Eisenerz und andere mineralische Rohstoffe als Brasiliens wichtigstes Exportprodukt abgelöst. Dies liegt auch daran, dass in Folge der Finanzkrise die Weltmarktpreise für Erze stärker gefallen waren, als die für Soja. Wichtigste Zielländer des brasilianischen Sojas sind China und Europa. China importiert vor allem ganze Sojabohnen. Im Jahr 2015 importierte China 41 Millionen Tonnen ganze Sojabohnen aus Brasilien, das sind 75 Prozent des Gesamtexports von ganzen Bohnen. Die Europäische Union dagegen ist Spitzenreiter beim Import von Sojamehl. Ebenfalls im Jahr 2015 importierte die EU 8,3 Millionen Tonnen oder 56,3 Prozent der gesamten brasilianischen Exporte von Sojamehl.
Sojamehl wird vor allem in der Tierfütterung eingesetzt. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes von 2015 gab es allein in Deutschland 39,6 Millionen Legehennen, 27,5 Millionen Schweine, 12,6 Millionen Rinder und 1,6 Millionen Schafe. Demnach wird in Europa jedes vierte Schwein in Deutschland geschlachtet. Und Deutschlands Nutztiere fressen jährlich insgesamt 82 Millionen Tonnen Futter, wie der Deutsche Verband Tiernahrung angibt. Die Nutztiere brauchen insbesondere verdauliches Rohprotein, so der Verband, 8,37 Millionen Tonnen pro Jahr. 22,2 Prozent dieses verdaulichem Rohprotein, das verfüttert wird, importieren die deutschen Futterproduzenten. Durchschnittlich 13 Prozent Soja wird in das deutsche Mischfutter eingemischt, damit deckt es aber rund 35 Prozent des Bedarfs an verdaulichem Rohprotein ab, erklärt der Deutsche Verband Tiernahrung. Der hohe Fleischverbrauch in Deutschland kurbelt also direkt die Expansion der Agrarindustrie in Brasilien an. Die fortschreitende Zerstörung des Amazonasregenwalds hat unmittelbar mit dem billigen Schnitzel in Deutschland zu tun.
Die Kritik an den hohen sozialen und ökologischen Kosten in den Soja-Anbauländern, die auch hierzulande geäußert wird, ist an der deutschen Masttierwirtschaft nicht komplett vorbeigegangen. Aus Budapest kam ein Vorschlag wie die europäischen Eiweißimporte zu verringern wären. Dort kamen Vertreter*innen der Agrarressorts Ungarns, der Slowakei, Moldawiens, der Republika Srpska und Nordrhein-Westfalens im Rahmen des „Donau Soja“-Kongresses zusammen und verkündeten die Absicht, bis 2025 den europäischen Bedarf an Futtereiweiß zur Hälfte aus heimischen Sojabohnen und anderen Leguminosen zu decken.
Ideal für diese geplante Expansion der Sojaproduktion in Europa seien die fruchtbaren Schwarzerdeböden Rumäniens, erklärten internationale Agrarinvestor*innen auf dem „Donau Soja“-Kongress. Dies aber lässt bei vielen Aktivist*innen die Alarmglocken schrillen: In Rumänien gibt es vier Millionen Kleinbäuer*innen. Über 70 Prozent aller landwirtschaftlichen Betriebe in Rumänien bewirtschaften weniger als einen Hektar. Obwohl Rumänien nur 7,6 Prozent der in der EU landwirtschaftlich genutzten Fläche hat, befinden sich dort 31,5 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe der gesamten EU. Und die Agrarinvestor*innen stehen schon Schlange, um sich die Schwarzerdeböden anzueignen. Zwischen 2002 und 2012 sind die Bodenpreise für landwirtschaftliche Flächen in Rumänien im Durchschnitt um 38 Prozent jährlich gestiegen – der höchste Wert in ganz Europa. So droht die letzte Region Europas, in der es noch eine eigenständige, kleinbäuerliche Ernährungssouveränität gibt, unter die Räder der Agrarindustrie zu geraten. Der Proteinhunger der europäischen Masttieranstalten hat seinen gewichtigen Anteil daran, um das Schnitzel weiterhin so billig anbieten zu können.
// Christian Russau

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