Rückbau – GegenStrömung https://www.gegenstroemung.org/web Thu, 15 Apr 2021 06:27:44 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.7.1 Massiv bedrohte Fischpopulationen: Snake-River zum gefährdetsten Fluss der USA erklärt https://www.gegenstroemung.org/web/blog/massiv-bedrohte-fischpopulationen-snake-river-zum-gefaehrdetsten-fluss-der-usa-erklaert/ Thu, 15 Apr 2021 06:27:42 +0000 https://www.gegenstroemung.org/web/?p=2197 Nichtregierungsorganisation American Rivers stellt ihren neuen Jahres-Bericht der zehn gefährdetsten Flüsse der USA vor. Am schlimmsten sieht die Situation beim Snake-River aus.

Von Christian Russau

American Rivers: America’s Most Endangered Rivers of 2021:
01: Snake River
02: Lower Missouri River
03: Boundary Waters
04: South River
05: Pecos River
06: Tar Creek
07: McCloud River
08: Ipswich River
09: Raccoon River
10: Turkey Creek

Beim Snake-River im Nordwesten der USA identifizierte die Umweltschutzorganisation American Rivers als zentrales Problem den Rückgang und die Gefährdung der Lachsbestände durch Staudämme, was den Lebensunterhalt und die kulturellen Rechte der dortigen indigenen Völker bedrohe. Derzeit gibt es eine heftige in Politik und Medien und auch vor Gericht ausgetragene Kontroverse um den eigentlich bereits gerichtlich mehrfach beschlossenen Rückbau der vier Staudämme am Snake River endlich umzusetzen, aber mächtige Lobbygruppen und Politiker:innen setzen sich nach wie vor mit allen Tricks dagegen zur Wehr.

Der Snake-River liegt in den US-Bundesstaaten Wyoming, Idaho, Oregon und Washington und ist ein Nebenfluss des Columbia River. Im Columbia-Snake-Wassereinzugsgebiet sind es insgesamt acht Staudämme, die der Stein des Anstosses sind und über die eine breite Koalition aus Umweltaktivist:innen, Indigenen und lokalen Anwohner:innen fordern, dass sie zurückgebaut werden.

Im Flusseinzugsgebiet der drei US-amerikanischen Bundesstaaten Washington, Oregon und Idaho prallen die unterschiedlichen Interessen von Indigenen, Umweltschützer:innen auf der einen Seite und Weizenfarmer:innen und Transportschifferei auf der anderen Seite aufeinander. Während in Seattle und Portland Umweltschützer:innen auf Demonstrationen für den Schutz der Orcas demonstrieren und die traditionell am Snake River lebenden Indigenen wegen des seit Jahrzehnten mehr und mehr ausbleibenden Lachses protestieren, mobilisieren in Idaho die Weizenfarmer:innen und Transportschiffer:innen seit Jahren die Politik für ihre Interessen. Der Stein des Anstoßes: die insgesamt acht Energie produzierenden Staudämme am unteren Columbia-River und an dem Zufluss des Columbia-Rivers, dem Unteren Snake Fluss. Denn die seit 1975 bestehenden Dämme produzieren zwar nur fünf Prozent des Stroms der im weiteren Einzugsgebiet liegenden Städte, dienen aber gleichzeitig wegen der Schleusen an den Dämmen der Verschiffung des Weizens aus der agrarwirtschaftlich geprägten Region Idahos, hin zu größeren Binnenhäfen und von dort weiter, hin zum Weltmarkt. Und die Dämme bilden Reservoirs, aus denen die Farmer:innen regelmässig Wasser entnehmen, um damit ihre Landwirtschaft zu bewässern.

Doch die Dämme behindern die natürliche Wanderung der dort angestammten Chinook-Lachse. Beherbergten der Columbia- und der Snake-River dereinst die mit 16 Millionen Lachsen größte Population, sind es heute nur noch 1,1 Millionen Fische. Das hat Folgen für das Ökosystem. Zwar gelangen durch neu angepasste Turbinen mehr Fische als früher flussabwärts, so belegen aber neuere Studien der vergangenen Jahre, dass die Fische dennoch nahezu bei jedem Turbinengang mindestens einen Schlag erhalten. Dennoch überleben mittlerweile die meisten Lachse den Weg durch die Turbinen dank neuerer, angepassterer Technik flussabwärts, aber flussaufwärts sieht das anders aus. Denn die Barrieren der Dämme sind zu hoch, auch Fischtreppen helfen oftmals nicht weiter, so dass bereits 2016 zum fünften Mal die Staudammbetreiber richterlich dazu verurteilt wurden, mittels Hebekähnen die die Flüsse kurz vor der Laichzeit hochziehenden Lachspopulationen manuell über die Dämme hinwegzuheben, – dies gelingt aber nach wie vor nur in weniger als zwei Prozent der Fälle und verursacht – sehr zum Leidwesen der Staudammbetreiberfirma – Millionenkosten. Wären es zumindest zwei Prozent der Lachse, die es dergestalt über die Staudammbarrieren schafften, dann gelte dies unter Wissenschaftler:innen als die zu erreichende absolute Mindestzahl, um die vor Ort existierende Population des Chinook-Lachs zumindest vor dem Aussterben zu retten. Diese Zielzahl – zwei Prozent – wird aber nicht erreicht.

Um die Population der Chinook-Lachse aber hingegen gar dauerhaft zu sichern und einen Anstieg der Population zu erreichen, müsste das – regelmäßig in der Praxis unterschrittene – Zweiprozentziel deutlich übertroffen werden. Hinzu kommt: Das Reservoir in dem durch die Staudämme regulierten Flusslauf ist ein meist stehendes, wärmeres Gewässer – und kein lebendig fließendes und daher deutlich kühleres Gewässer. Dadurch breiten sich dort vermehrt natürliche Fressfeinde des Chinook-Lachses aus, was die Population weiter reduziert. 2018 wurde zudem bei den infolge des Klimawandels erhöhten Wassertemperaturen der stehenden Reservoirgewässer eine weitere deutliche Bedrohung des Chinook-Bestandes festgestellt. Wissenschaftler:innen fordern seit Langem, dass mehr Wasser durch die Überlaufkanäle der Dämme abgeleitet werden solle, um so die Gefahr für die Chinook durch Turbinenrotorschlag zu vermindern und um das Wasser der Flüsse wilder und damit auch kühler zu machen. Doch noch mehr Wasser über die Überlaufkanäle, das ist den Staudammbetreibern ein Dorn im Auge, wollen sie doch möglichst viel Wasser zur Stromproduktion durch ihre Turbinen jagen.

Niedrigwasser ist auch bei der Transportschifferei und den Weizenfarmer:innen nicht sonderlich beliebt. Der deutliche Rückgang des Chinook hat zudem aber auch flussabwärts, in einem ganz anderen Habitat, dramatische Folgen. Und zwar für die Meeresfauna im Pazifik. Dies wurde im Sommer 2018 auch den letzten die Medien verfolgenden Bürger:innen klar, als über mehrere Tage Livebilder in regionalen Fernsehen und international in sozialen Medien gezeigt wurden, auf denen eine Orca-Walmutter über mehrere Tage ihr junges, aber bereits totes Kalb im Wasser bewachte. Das Kalb war infolge des Fressmangels der Mutter verhungert. Denn eine der Hauptnahrungsquellen der Orcas vor der Mündung des Columbia-Rivers sind die Chinook-Lachse, denen die Orcas zu dieser Jahreszeit, kurz vor dem Flussaufwärtsschwarm der Lachse, folgen. Je weniger Chinook, desto weniger haben die Orcas in der Region eine Überlebenschance. Daher gibt es die deutliche Forderung von Indigenen und von Umweltschützer:innen, die Dämme zurückzubauen und den Columbia- und den Snake-River wieder zu einem frei fließenden Flusssystem zu machen. Damit sind aber die Weizenfarmer:innen und Transportschiffer:innen nicht einverstanden, wollen sie doch ungehindert aus dem als Seehafen geeigneten Verladenhafen Lewiston im Bundesstaat Idaho, 465 Meilen, also 748 Kilometer vom Pazifik entfernt, weiterhin ihren Weizen in alle Welt exportieren. Und die Staudammbetreiberfirma BPA will auch lieber weiterhin ihren Strom verkaufen. Dabei liefern mittlerweile neuesten Erhebungen zufolge Solaranlagen in Kalifornien, die gekoppelt sind mit Speicherbatterien, billigeren Strom als die Wasserkraft vom Columbia- und Snake-River. Doch die Energiefirma BPA kann derzeit ihren Strom an die Großabnehmer noch teurer verkaufen, weil die Alt-Verträge noch höhere Preise garantieren als die neuen billigeren Solaranlagen. Doch diese Alt-Verträge enden 2028. So kämpft seit Jahren im Dreiländereck eine neue Allianz aus Umweltschützer:innen, Wissenschaftler:innen, Indigenen und kritischer Öffentlichkeit, die fordern, jetzt endlich mit dem Plan für den Rückbau der Dämme zu beginnen. Die Wissenschaftlerinnen wiesen in Bezug auf die Besorgnisse der Weizenfarmer:innen auf den ohnehin massiven Anstieg des Weizentransports per Bahn hin und die Bewässerung für die Farmer:innen reiche auch an einer weiter oben gelegeneren Stelle des Snake-Rivers.

Obwohl der Rückbau der Dämme wegen der offensichtlichen Chinook-Lachs-Gefährdung bereits ein halbes Dutzend Mal gerichtlich angeordnet wurde (siehe wiederholte Berichterstattung von GegenStrömung), entscheidet die zuständige Bundespolitik noch anders und will die Dämme noch halten. Dagegen laufen die Indigenen, Umweltschützer:innen und Teil der Anwohner:innen Sturm und ziehen vor Gericht. Derweil aber bewegt sich auch in der Politik etwas: der Abgeordnete Mike Simpson, ein republikanischer Bundes-Abgeordneter aus Idaho hat Anfang des Jahres einen 33,5 Milliarden US-Dollar schweren Dammrückbauplan vorgestellt.

Die Nichtregierungsorganisation American Rivers führt seit Jahren in ihrem Kampf um freifließende Flüsse in den USA auch ein Register, das den wachsenden Rückbau von Staudämmen in den USA dokumentiert. Neuesten Zahlen der Umweltschützer:innen von American Rivers zufolge wurden im Jahr 2020 in den USA insgesamt 69 Staudämme in 23 US-Bundesstaaten zurückgebaut. Somit wurden – laut American Rivers – in den USA seit 1912 insgesamt 1797 Staudämme zurückgebaut. Die bei diesen Vorhaben erfolgreichsten US-Bundesstaaten im Jahr 2020 waren Ohio mit 11 Rückbauten, Massachusetts mit 6 und der Bundesstaat New York ebenfalls mit 6 Rückbauten.

Insgesamt befinden sich in den USA mehr als 90.000 Staudämme. Dabei sind viele der Dämme zwischen 1930 und 1970 gebaut worden, so dass sie nun an das Ende ihrer projizierten Lebensdauer gelangen und von daher eine wachsende Gefahr darstellen. Dies wurde jüngst in einem Bericht einer UN-Organisation bestätigt – und zwar für 59.000 Dämme weltweit. Bis zum Jahr 2050 werde mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung flussabwärts von zehntausenden großen Staudämmen leben, die ihre vorgesehene Lebensdauer erreicht oder überschritten haben werden, so der UN-Bericht. Die meisten der weltweit fast 59.000 großen Staudämme wurden zwischen 1930 und 1970 gebaut und waren damals ausgelegt für eine Betriebsdauer von 50 bis 100 Jahren. Diese strukturellen Bruchgefahren stellten ein erhebliches Risiko für Milliarden von Menschen dar, so die Studie des UNU Institute for Water, Environment and Health (UNU-INWEH).

Umso wichtiger ist es, sich weiter für den Rückbau von Dämmen einzusetzen. Durch den bisher erreichten Rückbau entstanden tausende Kilometer frei fließender Flusslandschaften, mit allen Möglichkeiten von freiem Fischzug, Sedimentfracht und ungezügelter Biodiversität. So werden seit Jahren in den USA statistisch mehr Staudämme abgerissen als neue gebaut. American Rivers hat dazu auch eine interaktive Landkarte erstellt, die den Rückbau von Staudämmen in den USA dokumentiert: https://www.americanrivers.org/threats-solutions/restoring-damaged-rivers/dam-removal-map/

Der Rückbau vieler Dämme und somit die Schaffung freifließender Flüsse weltweit und der Erhalt der Fischpopulationen sind dringendste Aufgaben. Denn eine unlängst veröffentlichte Studie zeigte, wie seit 1970 die weltweiten Bestände der in Süßwasser migrierenden Fische um 76 Prozent zurückgingen.

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2020 wurden in den USA 69 Dämme zurückgebaut https://www.gegenstroemung.org/web/blog/2020-wurden-in-den-usa-69-daemme-zurueckgebaut/ Sat, 20 Feb 2021 08:36:40 +0000 http://www.gegenstroemung.org/web/?p=2179 Die US-amerikanische Nichtregierungsorganisation American Rivers führt seit Jahren in ihrem Kampf um freifließende Flüsse in den USA auch ein Register, das den wachsenden Rückbau von Staudämmen in den USA dokumentiert. Neuesten Zahlen der Umweltschützer:innen von American Rivers zufolge wurden im Jahr 2020 in den USA insgesamt 69 Staudämme in 23 US-Bundesstaaten zurückgebaut. Somit wurden – laut American Rivers – in den USA seit 1912 insgesamt 1797 Staudämme zurückgebaut. Die bei diesen Vorhaben erfolgreichsten US-Bundesstaaten im Jahr 2020 waren Ohio mit 11 Rückbauten, Massachusetts mit 6 und der Bundesstaat New York ebenfalls mit 6 Rückbauten.

Insgesamt befinden sich in den USA mehr als 90.000 Staudämme. Dabei sind viele der Dämme zwischen 1930 und 1970 gebaut worden, so dass sie nun an das Ende ihrer projizierten Lebensdauer gelangen und von daher eine wachsende Gefahr darstellen. Dies wurde jüngst in einem Bericht einer UN-Organisation bestätigt – und zwar für 59.000 Dämme weltweit. Bis zum Jahr 2050 werde mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung flussabwärts von zehntausenden großen Staudämmen leben, die ihre vorgesehene Lebensdauer erreicht oder überschritten haben werden, so der UN-Bericht. Die meisten der weltweit fast 59.000 großen Staudämme wurden zwischen 1930 und 1970 gebaut und waren damals ausgelegt für eine Betriebsdauer von 50 bis 100 Jahren. Diese strukturellen Bruchgefahren stellten ein erhebliches Risiko für Milliarden von Menschen dar, so die Studie des UNU Institute for Water, Environment and Health (UNU-INWEH).

Umso wichtiger ist es, sich weiter für den Rückbau von Dämmen einzusetzen. Durch den bisher erreichten Rückbau entstanden tausende Kilometer frei fließender Flusslandschaften, mit allen Möglichkeiten von freiem Fischzug, Sedimentfracht und ungezügelter Biodiversität. So werden seit Jahren in den USA statistisch mehr Staudämme abgerissen als neue gebaut. American Rivers hat dazu auch eine interaktive Landkarte erstellt, die den Rückbau von Staudämmen in den USA dokumentiert: https://www.americanrivers.org/threats-solutions/restoring-damaged-rivers/dam-removal-map/

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Einigung über größten Staudamm-Rückbau in den USA erzielt https://www.gegenstroemung.org/web/blog/einigung-ueber-groessten-staudamm-rueckbau-in-den-usa-erzielt/ Fri, 20 Nov 2020 07:21:55 +0000 http://www.gegenstroemung.org/web/?p=2152 Nach jahrelangem Kampf um den Rückbau von vier Staudämmen am Klamath River in Oregon und Kalifornien wurde nun eine Einigung erzielt. Dem neuen Plan zufolge teilen sich die Bundesstaaten Oregon und Kalifornien sowie das Versorgungsunternehmen PacifiCorp, das die Wasserkraftdämme betreibt und sich im Besitz der Firma Berkshire Hathaway des Milliardärs Warren Buffett befindet, die neuesten Berechnungen zufolge auf 45 Millionen US-Dollar zusätzlich auflaufenden Kosten zu gleichen Teilen. Die Gesamtsumme des Abriss wird somit 495 Millionen US-Dollar betragen. Diese Einigung muss nun noch von den zuständigen Bundesbehörden bestätigt werden.
Die vier Dämme am Klamath River sollen ab 2022 nach mehr als hundert Jahren Betrieb zurückgebaut werden. Damit wird das Klamath River Flusssystem frei von Dämmen, wieder frei fließend und der Silberlachs (Coho Salmon), dessen Bestand im Fluss durch die unüberwindbaren Dämme um bis zu 95% zurückgegangen war, und der Königslachs (chinook salmon), dessen Bestand dort um bis zu 98% zurückgegangen war, können in Zukunft wieder frei und ungehindert ziehen.
Eine der größten technischen Herausforderungen wird nicht der Rückbau des Betons sein, sondern die im Laufe der Jahrzehnte aufgelaufenden Sedimente im Flussbecken, im Reservoir und vor den Talsperren sein. Regen- und schneereiche Winter mit nachfolgenden Frühlingshochwassern würde wohl viele Sedimente von alleine wegtragen. Das Problem: Zuvor müssen die Sedimente auf Giftstoffe untersucht werden, denn niemand weiß, was sich in ihnen im Lauf der Jahre dort angesammelt haben könnte.
Der gleichzeitige Rückbau der vier Dämme am Klamath River wäre der bisher größte Rückbau von Dämmen in den USA auf einmal. Dabei folgt er einem Trend: Die US-amerikanische Nichtregierungsorganisation American Rivers führt ein umfangreiches Register über den Rückbau von Staudämmen in den USA. Laut der Erhebung von American Rivers wurden in den USA seit 1912 insgesamt an die 1.700 Dämme zurückgebaut. Durch den Rückbau entstanden tausende Kilometer frei fließender Flusslandschaften, mit allen Möglichkeiten von freiem Fischzug, Sedimentfracht und ungezügelter Biodiversität. So werden seit Jahren in den USA statistisch mehr Staudämme abgerissen als neue gebaut. American Rivers hat dazu auch eine interaktive Landkarte erstellt, die den Rückbau von Staudämmen in den USA dokumentiert: https://www.americanrivers.org/threats-solutions/restoring-damaged-rivers/dam-removal-map/
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Anhaltender Streit um Rückbau der Staudämme am Klamath River in den USA https://www.gegenstroemung.org/web/blog/anhaltender-streit-um-rueckbau-der-staudaemme-am-klamath-river-in-den-usa/ Thu, 12 Nov 2020 09:17:28 +0000 http://www.gegenstroemung.org/web/?p=2148 Am Klamath River, einem Fluss im Süden Oregons und Norden Kaliforniens in den Vereinigten Staaten, sollen vier Dämme zurückgebaut werden. Die vier Dämme am Klamath River sollen ab 2021 nach mehr als hundert Jahren Betrieb zurückgebaut werden, damit der Lachs auf den zusammen rund 650 Kilometern des Klamath Rivers und seiner Zuflüsse wieder frei ziehen kann. Diesen Sommer kam es zu neuen Unstimmigkeiten über den Rückbau zwischen Behörden, Betroffenen und Eigentümer:innen der Dämme, wobei es größtenteils um Finanzierungs- und Haftungsfragen ging, was eine Verschiebung des Rückbaus auf frühestens 2022 bedeutet. Doch noch ist immer nichts endgültig entschieden, noch immer wird zäh verhandelt, dies liegt, so die Kritik der First Nations, die von den Dämmen besonders betroffen sind, auch am Eigentümer, dem Multimillardär Warren Buffett.

Mitglieder der Karuk, Yurok, Klamath und Hoopa-Tal haben gemeinsam mit Fischer:innen, Klamath-Flussnutzer:innen und Nichtregierungsorganisationen aus dem ganzen Land einen landesweiten Aktionstag zur Beseitigung der Klamath-Staudämme am 23. Oktober veranstaltet. Sie fordern, dass Warren Buffet, der Eigentümer von Pacific Power und der Klamath-Flussdämme, sein Versprechen einhält, die Dämme zu entfernen.
„Es ist uns klar, dass Pacificorp den Prozess der Staudammentfernung absichtlich hinauszögert, um an diesen Denkmälern des Kolonialismus und den Werkzeugen des Völkermords festzuhalten“, sagte Annelia Hillman, eine Yurok und Sprecherin der Klamath Justice Coalition. „Sie haben die Gelegenheit, ein Beispiel dafür zu geben, wie das korporative Amerika mit PoC-Gemeinschaften und Indigenen umgehen sollte. Stattdessen scheinen sie entschlossen zu sein, Lachs, Gemeinschaften und Volkswirtschaften auf Kosten ihrer eigenen Kunden zu zerstören. Wir weigern uns, dieses Schicksal zu akzeptieren. Die Dämme müssen fallen!“
Die Gruppen haben auf dem Aktionstag erneut dazu aufgerufen, sich für das Überleben des Pazifischen Lachses, die Rechte der amerikanischen Ureinwohner und sauberes Wasser einzusetzen und sich ihnen anzuschließen.
Die vier Dämme – Iron Gate, Copco 1, Copco 2 und J.C. Boyle – blockieren den freien Flusslauf und hindern so den pazifischen Lachs und die Stahlkopfforelle an ihrer natürlichen Wanderroute zum Laichen. So ist der Flusslauf des Klamath River vom Oberen Klamath Lake bis zum Pazifischen Ozean, wo er bei Requa, rund 250 Kilometer flussabwärts gelegen, ins Meer mündet, noch immer blockiert, durch die vier Dämme. 2018 hatte die Klamath River Renewal Corporation den 2.300 Seiten starken Rückbaubauplan vorgelegt, der festlegt, wie die vier Dämme zurückgebaut, die Staureservoirs nach und nach geleert, wo und das Abraummaterial gelagert bzw. genutzt werden soll und wie das vormals geflutete Land renaturiert werden soll.
Als im Jahr 2000 – anlässlich der Entscheidung über die Konzessionsverlängerung für die Dämme nach 50 Jahren Konzession – die Behörden die Eigentümer:innen und die interessierte Öffentlichkeit zu Gesprächen luden, da waren sie dann auch gleich da: die Gegner:innen der Dämme, die indigenen Karuk, die Umweltschützer:innen und Aktivist:innen. Diese protestierten sogar in Schottland, weil die Besitzerin der Dämme, PacifiCorp, damals noch Scottish Power gehörte. Im Jahr 2004 fuhren die Karuk und Umweltschützer :innen zur Jahreshauptversammlung von Scottish Power und forderten ihren Fluss zurück – frei fließend und endlich wieder voll mit Lachs und Forrellen. Aber noch immer ohne Erfolg. Wenige Jahre später verkaufte Scottish Power die Dämme an Berkshire Hathaway Energy, und so trugen die Aktivist:innen den Kampf nach Omaha, in Nebraska, wo Berkshire Hathaways Besitzer, Warren Buffett, seinen Hauptsitz hat. Doch auch dieser ließ sich nicht vom zwanglosen Zwang des besseren Arguments für den Rückbau überzeugen. Erst als Jahre später eine neue Wirtschaftlichkeitsberechnung durchgeführt wurde und schwarz auf weiß fest stand, dass Betrieb und Unterhalt der in die Jahre gekommenen Dämme in Zukunft teurer wären als der Rückbau, kam ab 2010 Bewegung in die Sache. Von den für den Rückbau veranschlagten knapp 400 Millionen US-Dollar kommen 200 Millionen über eine Stromumlage der PacifiCorp-Kund:innen und die andere Hälfte wird aus Mitteln von Proposition 1 getragen, einer Wasseranleihe, die der Staat Kalifornien im Jahre 2014 eingerichtet hatte.
Eine der größten technischen Herausforderungen wird nicht der Rückbau des Betons sein, sondern die im Laufe der Jahrzehnte aufgelaufenden Sedimente im Flussbecken, im Reservoir und vor den Talsperren sein. Regen- und schneereiche Winter mit nachfolgenden Frühlingshochwassern würde wohl viele Sedimente von alleine wegtragen. Das Problem: Zuvor müssen die Sedimente auf Giftstoffe untersucht werden, denn niemand weiß, was sich in ihnen im Lauf der Jahre dort angesammelt haben könnte.
Der gleichzeitige Rückbau der vier Dämme am Klamath River wäre der bisher größte Rückbau von Dämmen in den USA auf einmal. Dabei folgt er einem Trend: Die US-amerikanische Nichtregierungsorganisation American Rivers führt ein umfangreiches Register über den Rückbau von Staudämmen in den USA. Laut der Erhebung von American Rivers wurden in den USA seit 1912 insgesamt an die 1.700 Dämme zurückgebaut. Durch den Rückbau entstanden tausende Kilometer frei fließender Flusslandschaften, mit allen Möglichkeiten von freiem Fischzug, Sedimentfracht und ungezügelter Biodiversität. So werden seit Jahren in den USA statistisch mehr Staudämme abgerissen als neue gebaut. American Rivers hat dazu auch eine interaktive Landkarte erstellt, die den Rückbau von Staudämmen in den USA dokumentiert: https://www.americanrivers.org/threats-solutions/restoring-damaged-rivers/dam-removal-map/

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Klage gegen US-Behörden angekündigt, um Dämme am Snake-River doch zurückzubauen https://www.gegenstroemung.org/web/blog/klage-gegen-us-behoerden-angekuendigt-um-daemme-am-snale-river-doch-zurueckzubauen/ Mon, 26 Oct 2020 09:28:14 +0000 http://www.gegenstroemung.org/web/?p=2125 Umweltgruppen kündigen Klage gegen Entscheidung der US-Behörden an, nicht wie bereits mehrmals gerichtlich und von untergeordneten Behörden zuvor angeordnet, die Dämme am Snake-River abzureißen und den Fluss so zu renaturieren.

Eine Koalition aus Umwelt- und Fischereigruppen wird die Gerichte zum sechsten Mal um ein Eingreifen ersuchen, nachdem die US-Behörden erneut beschlossen haben, die umstrittenen vier unteren Wasserkraftdämme des Snake River nicht zurückzubauen (GegenStrömung berichtete mehrmals hier und hier). Die Nichtregierungsorganisation Earthjustice reichte bei Gericht vergangene Woche eine Absichtserklärung ein, um im Namen von elf Umwelt- und Angler:innenorganisationen, die sich für die Wiederherstellung gefährdeter Lachse und Steelheads in den Flüssen Snake und Columbia einsetzen, eine Klage beim Bundesgericht einzureichen. „Hunderttausende Menschen in der Region – darunter Indigene, Wissenschaftler, Energieexperten und Fischereiunternehmen – forderten die Behörden auf, die vier Dämme zu entfernen, die den Fischen und unseren Gemeinden den größten Schaden zufügen“, sagte Earthjustice-Anwalt Todd True. „Aber die Trump-Administration hörte nicht zu und besiegelte einen Plan, der es wieder einmal versäumt, die gesetzlich erforderlichen Maßnahmen zum Schutz von Lachs und Steelhead zu ergreifen“, sagte der Anwalt von Earthjustice.

Obwohl eine vorherige Studie im Auftrag der zuständigen US-Behörden feststellte, dass der Rückbau der vier unteren Snake River-Dämme die wirksamste Maßnahme zur Wiederherstellung der Lachswirtschaft wäre, bezog sie auch die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen dieser Maßnahme in ihre Entscheidungsfindung ein, um ihre Empfehlung auszusprechen, – nach Ansicht der Kritiker:innen unbotmässig. In Betracht gezogen wurden von den US-Behörden dabei die Auswirkungen auf das Hochwasserrisikomanagement, das Wasser für die Bewässerung der Landwirtschaft, die Verschiffung von landwirtschaftlichen Produkten und anderen Gütern über die schiffbaren Teile des Snake-Rivers, die Erzeugung von Wasserkraft als auch Aspekte der Naherholung in dem Gebiet. Die Umweltgruppen sehen aber eine einseitige Entscheidungsfindung zugunsten wirtschaftlicher Interessen, ohne hinreichende Rücksicht auf Naturschutzgesetze und die Bestimmungen des Endangered Species Act.

2016 hatte ein Bundesrichter die insgesamt fünfte richterliche Entscheidung getroffen, die Dämme am Snake-River zurückzubauen oder zumindest umzubauen, um es den Fischen wieder zu ermöglichen, frei zu migrieren. Der Richter hatte damals zum wiederholten Male die zuständigen US-Bundesbehörden dazu verurteilt, Maßnahmen zu ergreifen, den traditionellen Fischzug der Chinook-Lachse und des Steelhead wieder zu gewährleisten. Die Bundesbehörden hatten jedoch Ende September dieses Jahres entschieden, die Dämme am Snake-River zu belassen. Einziges Zugeständnis war, dass es im Frühjahr zu mehr gezielten Überlaufmomenten kommen solle, um den migrierenden Lachsen mehr natürliches Habitat zu bieten. Seit dem Urteil des Bundesrichter im Jahr 2016 hatte es vier Jahre an Verhandlungen und öffentlichen Anhörungen gegeben, insgesamt wurden 59.000 Eingaben gemacht. Nun entschied die Bundesbehörde für die Interessen der wirtschaftsstarken Lobby aus Stromproduzenten und Agrarbusiness und gegen die der Staudammgegner:innen.

// christian russau

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US-amerikanische Bundesbehörden beschließen, den geplanten Rückbau der Staudämme am Snake River doch nicht umzusetzen https://www.gegenstroemung.org/web/blog/us-amerikanische-bundesbehoerden-beschliessen-den-geplanten-rueckbau-den-staudaemme-am-snake-river-doch-nicht-umzusetzen/ Thu, 01 Oct 2020 16:23:05 +0000 http://www.gegenstroemung.org/web/?p=2109 Nach mehreren Jahren heißer Kontroverse zwischen Staudammbefürworter:innen (Staudammfirmen, die ihren Strom weiter gewinnbringend verkaufen wollen; Farmer:innen, die ihren Weizen per Schiff über den per Dämme schiffbar gemachten Snake-River transportieren wollen und die Wasser aus den Staudammreservoirs zur Bewässerung der Landwirtschaft entnehmen) und Staudammgegner:innen (die indigenen First Nationas der Walla Walla, die sich wie die Umweltschützer:innen um den Lachs sorgen und die ihre angestammten Rechte durch die Staudämme seit Jahrzehnten verletzt sehen; Wildwassersportler:innen wie auch Angler:innen) haben die US-amerikanischen Bundesbehörden eine Entscheidung getroffen, wie die im Columbia River System Operation zusammen agierende Bonneville Power Administration (kurz BPA), der U.S. Army Corps of Engineers und das Bureau of Reclamation in ihrer Entscheidung mitteilten. Entgegen der 2016 von einem Bundesrichter beschlossenen Ansage (insgesamt die fünfte richterliche Entscheidung, die Dämme zurückzubauen oder zumindest umzubauen, um es den Fischen wieder zu ermöglichen, frei zu migrieren), die vier äußerst kontroversen Staudämme am Snake River zurückzubauen oder zumindest nachhaltig so umzubauen, dass der traditionelle Fischzug der Chinook-Lachse und des Steelhead wieder gewährleistet wird, haben nun Bundesbehörden entschieden, die Dämme am Snake-River zu belassen. Einziges Zugeständnis war, dass es im Frühjahr zu mehr gezielten Überlaufmomenten kommen solle, um den migrierenden Lachsen mehr natürliches Habitat zu bieten.
Seit dem Urteil des Bundesrichter im Jahr 2016 hatte es vier Jahre an Verhandlungen und öffentlichen Anhörungen gegeben, insgesamt wurden 59.000 Eingaben gemacht. Nun entschied die Bundesbehörde für die Interessen der wirtschaftsstarken Lobby aus Stromproduzenten und Agrarbusiness und gegen die der Staudammgegner:innen.
Don Sampson ist Anführer der indigenen Walla Walla und Sprecher der unlängst gegründeten Northwest Tribal Salmon Alliance. Er sagt, der jetzt vorgestellte Plan der Bundesbehörden sei unzureichend. „Das kommt nicht einmal annäherungsweise in die Richtung, die Anforderungen, die der Staat hat, den Lachs wieder angemessen anzusiedeln, hier im Nordwesten. Und es kommt nicht annähernd dem entgegen, was die Gemeinschaften fordern, die von diesem Lachs abhängen“, so Sampson. „Und es ist weit, sehr weit von dem entfernt, was die Vereinigten Staaten für Verpflichtungen eingegangen waren in den Verträgen mit den First Nations“. Indigene Land- und Nutzungsrechte würden in diesem Fall wieder einmal ad absurdum geführt.
Die Staudammgegner:innen erklärten, sie würden weiter gegen die umstrittenen Staudämme am Snake River kämpfen.

Zum Hintergrund:
Im Flusseinzugsgebiet der drei US-amerikanischen Bundesstaaten Washington, Oregon und Idaho prallen die unterschiedlichen Interessen von First Nations, Umweltschützer:innen auf der einen Seite und Weizenfarmer:innen und Transportschifferei auf der anderen Seite aufeinander. Während in Seattle und Portland Umweltschützer:innen Demonstrationen für den Schutz der Orcas demonstrieren und die traditionell am Snake River lebenden First Nations wegen des seit Jahrezehnten mehr und mehr ausbleibenden Lachses protestieren, mobilisieren in Idaho die Weizenfarmer und Transportschiffer:innen die Politik für ihre Interessen. Der Stein des Anstoßes: die insgesamt acht Energie produzierenden Staudämme am unteren Columbia-River und an dem Zufluss des Columbia-Rivers, dem Unteren Snake Fluss. Denn die seit 1975 bestehenden Dämme produzieren zwar nur fünf Prozent des Stroms der im Großraum liegenden Städte, dienen aber gleichzeitig wegen der Schleusen an den Dämmen der Verschiffung des Weizens aus der agrarwirtschaftlich geprägten Region Idahos, hin zu größeren Binnenhäfen und von dort weiter, hin zum Weltmarkt. Die Dämme bilden Reservoirs, aus denen die Farmer:innen regelmässig Wasser entnehmen, um damit ihre Landwirtschaft zu bewässern. Doch die Dämme behindern die natürliche Wanderung der dort angestammten Chinook-Lachse. Beherbergten der Columbia- und der Snake-River dereinst die mit 16 Millionen Lachsen größte Population, sind es heute nur noch 1,1 Millionen Fische. Das hat Folgen für das Ökosystem. Zwar gelangen durch neu angepasste Turbinen mehr Fische als früher flussabwärts, so belegen aber neuere Studien der vergangenen Jahre, dass die Fische dennoch nahezu bei jedem Turbinengang mindestens einen Schlag erhalten. Dennoch überleben mittlerweile die meisten Lachse den Weg durch die Turbinen abwärts, aber flussaufwärts sieht das anders aus. Denn die Barrieren der Dämme sind zu hoch, auch Fischtreppen helfen oftmals nicht weiter, so dass bereits 2016 zum fünften Mal die Staudammbetreiber richterlich dazu verurteilt wurden, mittels Hebekähnen die die Flüsse kurz vor der Laichzeit hochziehenden Lachspopulationen manuell über die Dämme hinwegzuheben, – dies gelingt aber nach wie vor nur in weniger als zwei Prozent der Fälle und verursacht – sehr zum Leidwesen der Staudammbetreiberfirma – Millionenkosten. Wären es zwei Prozent der Lachse, die es dergestalt über die Staudammbarrieren schafften, dann gelte dies unter Wissenschaftler:innen als die zu erreichende Mindestzahl, um die vor Ort existierende Population des Chinook-Lachs zumindest vor dem Aussterben zu retten. Diese Zielzahl wird aber nicht erreicht. Um die Population hingegen gar dauerhaft zu sichern und einen Anstieg der Population zu erreichen, müsste das – regelmässig in der Praxis unterschrittene – Zweiprozentziel deutlich übertroffen werden. Hinzu kommt: Das Reservoir in dem durch die Staudämme regulierten Flusslauf ist ein meist stehendes, wärmeres Gewässer – und kein lebendig fließendes und daher deutlich kühleres Gewässer. Dadurch breiten sich dort vermehrt natürliche Fressfeinde des Chinook-Lachses aus, was die Population weiter reduziert. 2018 wurde zudem bei den infolge des Klimawandels erhöhten Wassertemperaturen der stehenden Reservoirgewässer eine weitere deutliche Bedrohung des Chinook-Bestandes festgestellt. Wissenschaftler:innen fordern seit Langem, dass mehr Wasser durch die Überlaufkanäle der Dämme abgeleitet werden solle, um so die Gefahr für die Chinook durch Turbinenrotorschlag zu vermindern und um das Wasser der Flüsse wilder und damit auch kühler zu machen. Doch noch mehr Wasser über die Überlaufkanäle, das ist den Staudammbetreibern ein Dorn im Auge, wollen sie doch möglichst viel Wasser zur Stromproduktion durch ihre Turbinen jagen. Niedrigwasser ist auch bei der Transportschifferei und den Weizenfarmer:innen nicht sonderlich beliebt. Der deutliche Rückgang des Chinook hat zudem aber auch flussabwärts, in einem ganz anderen Habitat, dramatische Folgen. Und zwar für die Meeresfauna im Pazifik. Dies wurde im Sommer 2018 auch den letzten die Medien verfolgenden Bürger:innen klar, als über mehrere Tage Livebilder in regionalen Fernsehen und sozialen Medien gezeigt wurden, auf denen eine Orca-Walmutter über mehrere Tage ihr junges, aber bereits totes Kalb im Wasser bewachte. Das Kalb war infolge des Fressmangels der Mutter verhungert. Denn eine der Hauptnahrungsquellen der Orcas vor der Mündung des Columbia-Rivers sind die Chinook-Lachse, denen die Orcas zu dieser Jahreszeit, kurz vor dem Flussaufwärtsschwarm der Lachse, folgen. Je weniger Chinook, desto weniger haben die Orcas in der Region eine Überlebenschance. Daher gibt es die deutliche Forderung von First Nations und von Umweltschützer:innen, die Dämme zurückzubauen und den Columbia- und den Snake-River wieder zu einem frei fließenden Flusssystem zu machen. Damit sind aber die Weizenfarmer:innen und Transportschiffer:innen nicht einverstanden, wollen sie doch ungehindert aus dem als Seehafen geeigneten Verladenhafen Lewiston im Bundesstaat Idaho, 465 Meilen, also 748 Kilometer vom Pazifik entfernt, weiterhin ihren Weizen in alle Welt exportieren. Und die Staudammbetreiberfirma BPA will auch lieber weiterhin ihren Strom verkaufen. Dabei liefern mittlerweile neuesten Erhebungen zufolge Solaranlagen in Kalifornien, die gekoppelt sind mit Speicherbatterien, billigeren Strom als die Wasserkraft vom Columbia- und Snake-River. Doch BPA kann derzeit ihren Strom an die Großabnehmer noch teurer verkaufen, weil die Alt-Verträge noch höhere Preise garantieren als die neuen billigeren Solaranlagen. Doch diese Alt-Verträge enden 2028. So kämpft seit Jahren im Dreiländereck eine neue Allianz aus Umweltschützerinnen, Wissenschaftlerinnen und kritischer Öffentlichkeit, die fordetn, jetzt endlich mit dem Plan für den Rückbau der Dämme zu beginnen. Die Wissenschaftlerinnen wiesen in Bezug auf die Besorgnisse der Weizenfarmerinnen auf den ohnehin massiven Anstieg des Weizentransports per Bahn hin und die Bewässerung für die Farmer:innen reiche auch an einer weiter oben gelegeneren Stelle des Snake-Rivers.
Nun haben die Bundesbehörden entschieden. Erstmal. Aber die Gegner:innen der Staudämme haben noch nicht aufgegeben. Sie kämpfen weiter. Damit der Columbia- und der Snake-River wieder frei fließen, damit der Chinook und der Steelhead wieder ungehindert wandern.

// Christian Russau

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Aal und Lachs bald wieder frei in der Sélune flussaufwärts https://www.gegenstroemung.org/web/blog/aal-und-lachs-bald-wieder-frei-in-der-selune-flussaufwaerts/ Wed, 19 Jun 2019 10:03:51 +0000 http://www.gegenstroemung.org/web/?p=1926 In der großen Bucht des Mont-Saint-Michel haben die Gezeiten im Zusammenspiel mit den Mündungen dortiger Zuflüsse eine im Mittelpunkt von der Abtei Mont-Saint-Michel beherrschte Bucht französischen Wattenmeers geschaffen. Millionen Touristinnen strömen dort alljährlich hin, um das UNESCO-Weltkuturerbe zu besuchen. Was die Tourist*innen nicht wissen, dass sich entlang der Bucht und flussaufwärts nahezu unbemerkt eine kleine Revolution ereignet. Seit genau 100 Jahren staut das 5 MW-Nominal-Leistung aufweisende Stauwerk des Damms „la Roche-qui-Boit“ den Fluss Sélune, der in die Bucht des Mont-Saint-Michel mündet. 1919 wurde es errichtet, lieferte über die Jahrzehnte immer weniger Leistung, vor der Staustufe sammelte sich mehr und mehr an Sedimenten an, die flussaufwärts als Biodiversitätsgrundlage so wichtig gewesen wären und, vor allem, das Stauwerk verhinderte den freien Fischzug. Weniger Kilometer weiter steht noch der 1932 errichtete 12,6-MW-„Vezins“-Damm. Beide zählen nicht zu den größten Dämmen in Europa, im gegenteil, verhältnismässig klein, aber sie haben den gleichen Effekt wie große Dämme: Lachs und Aal kommen an ihnen nicht vorbei. Das nun seit 100 Jahren. Und genau das wird sich nun ändern.

Vor wenigen Tagen wurden die ersten Arbeiten zum Rückbau der zwei Dämme gestartet. Mit dem 35 Meter hohen Vézins-Damm wird das bisher größte Wasserkraft-Stauwerk in der Geschichte Europas zurückgebaut – und Lachs und Aal können demnächst auf 89 Kilometer Länge von der Bucht des Mont-Saint-Michel seit über 100 Jahren erstmal wieder frei in den Fluss Sélune ziehen.

Die Entscheidung dafür war im Jahr 2010 getroffen worden. Ab Mitte der 1980er Jahre waren in Frankreich angesichts der fünfhundert größeren Dämmen im Land, die direkt den Zug von Fischen und die Transportfracht der Sedimente zwischen Alpen und Pyrenäen einerseits und dem Meer andererseits verhinderten, sowie die im Land vorhandenen 2.000 Staudämme zur Energierzeugung und die zwischen 60 – 80.000 Wehre im ganzen Land den naturbewußten Menschen mehr und mehr ein Dorn im Auge, Proteste breiteten sich aus, Bürgerinitiativen für frei fließende Flüsse und zum Schutz für den Atlantischen Lachs und die Aale wurden gegründet, oft in Zusammenarbeit mit lokalen Anglervereinen. Diese Bewegung machte viele Jahre Druck, so dass zum einen die noch letzten damals weitestgehend freifließende Flüsse wie die Loire und ihre zwei Zuflüsse, Allier und Vienne, vor Zubauplänen geschützt wurden, was zur Folge hat, dass die Loire auf ihren Zuflüssen heute noch bis zu 800 Kilometer weitestgehend freien Flusslauf für den Lachs bietet und somit als Hotspot der Biodiversität gilt. Zum anderen wurde der öffentliche Druck so groß (und letztlich überzeugend), dass Pläne getroffen wurden, um den schrittweisen Rückbau der Dämme einzuläuten.
Zwischen 1996 und 1998 wurden in Frankreich, noch vor den ersten spektakulären Rückbauten von Dämmen in den USA, drei Dämme zurückgebaut, um den Wanderfischen ihre angestammten Laichwege zurückzugeben und um die für die Flussbiodiversität und die Stabilität des Flussdeltas so wichtige Sedimentfracht wieder frei fließen zu lassen: der Kernansquillec Dam, 15 Meter hoch, in der Bretagne am Léguer-Fluss, der Maisons-Rouges Dam, 4 Meter hoch, 200 Meter breit am Loire-Zufluss Vienne und der Saint-Etienne-du-Vigan Dam, 12 Meter hoch, am Loire-Zufluss Allier wurden zurückgebaut.
Und nun folgen die Rückbauten der zwei Dämme Vezins und La Roche qui boit in der Normandie, um dort dem Lachs und Aal wieder in seine angestammten Gebiete zum Laichen zurückkehren zu lassen. Im Laufe der Jahrzehnte des Bestehenes der Dämme – der Damm la Roche-qui-Boit wurde 1919 gebaut, der Vezins-Damm ging 1932 in Betrieb – haben sich seither hinter beiden Dämmen zusammen 400.000 Kubikmeter Sedimente angestaut, die in Zukunft dem Fluss wieder Sandbänke und Ufer zuteil werden lassen wird, an denen sich wieder neue Biotope bilden können. Der Rückbau wird zudem in seltener Einigkeit von Regierung, Behörden, Wirtschaftsvertretern, Anwohnern und Umweltverbänden einheitlich gutgeheißen.
Damit ist Frankreich in Europa Vorreiter, die anderen europäischen Länder müssen diesbezüglich noch ihre Hausaufgaben machen, um dem derzeitigen Vorbildland in Sachen Rückbau, den USA, nachzufolgen, – auch um die Vorgaben der EU über Flussqualität der EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) einzuhalten. In den USA wurden zwischen 1996 und 2005 298 Dämme zurückgebaut. Zwischen 2006 und 2014 waren 548, allein 2014 waren es laut der Organisation American Rivers 72 Staudämme, die abgerissen wurden. Dadurch entstanden über eintausend Kilometer (730 Meilen) frei fließender Flusslandschaften, mit allen Möglichkeiten von freiem Fischzug, Sedimentfracht und ungezügelter Biodiversität. So werden seit Jahren in den USA statistisch mehr Staudämme abgerissen als neue gebaut. American Rivers hat dazu eine interaktive Landkarte erstellt, die den Rückbau von Staudämmen in den USA dokumentiert.

// Christian Russau

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Von Dämmen und Weizenfarmer*innen, von Lachsen und verhungernden Orcas https://www.gegenstroemung.org/web/blog/von-daemmen-und-weizenfarmerinnen-von-lachsen-und-verhungernden-orcas/ Tue, 25 Sep 2018 13:38:25 +0000 http://www.gegenstroemung.org/web/?p=1787 Kontroverse über die acht Columbia- und Snake-River-Staudämme spitzt sich zu.

Von Christian Russau

Im Flusseinzugsgebiet der drei US-amerikanischen Bundesstaaten Washington, Oregon und Idaho prallen die unterschiedlichen Interessen von Umweltschützer*innen auf der einen Seite und Weizenfarmer*innen und Transportschifferei auf der anderen Seite aufeinander. Während in Seattle und Portland Umweltschützer*innen Demonstrationen für den Schutz der Orcas demonstrieren, mobilisieren in Idaho die Weizenfarmer und Transportschiffer*innen die Politik für ihre Interessen. Der Stein des Anstoßes: die insgesamt acht Energie produzierenden Staudämme am unteren Columbia-River und an dem Zufluss des Columbia-Rivers, dem Unteren Snake Fluss. Denn die seit 1975 bestehenden Dämme produzieren zwar nur fünf Prozent des Stroms der im Großraum liegenden Städte, dienen aber gleichzeitig wegen der Schleusen an den Dämmen der Verschiffung des Weizens aus der agrarwirtschaftlich geprägten Region Idahos. Die Dämme bilden Reservoirs, aus denen die Farmer*innen regelmässig Wasser entnehmen, um damit ihre Landwirtschaft zu bewässern. Doch die Dämme behindern die natürliche Wanderung der dort angestammten Chinook-Lachse. Beherbergten der Columbia- und der Snake-River dereinst die mit 16 Millionen Lachsen größte Population, sind es heute nur noch 1,1 Millionen Fische.

Das hat Folgen für das Ökosystem. Zwar gelangen durch neu angepasste Turbinen mehr Fische als früher flussabwärts, so belegen aber neuere Studien, dass die Fische dennoch nahezu bei jedem Turbinengang mindestens einen Schlag erhalten. Dennoch überleben mittlerweile die meisten Lachse den Weg durch die Turbinen abwärts, aber flussaufwärts sieht das anders aus. Denn die Barrieren der Dämme sind zu hoch, auch Fischtreppen helfen oftmals nicht weiter, so dass bereits zum fünften Mal die Staudammbetreiber höchstrichterlich dazu verurteilt wurden, mittels Hebekähnen die die Flüsse kurz vor der Laichzeit hochziehenden Lachspopulationen manuell über die Dämme hinwegzuheben, – dies gelingt aber nach wie vor nur in weniger als zwei Prozent der Fälle und verursacht – sehr zum Leidwesen der Staudammbetreiberfirma – Millionenkosten. Wären es zwei Prozent der Lachse, die es dergestalt über die Staudammbarrieren schafften, dann gelte dies unter Wissenschaftler*innen als die Zielzahl, um die vor Ort existierende Population des Chinook-Lachs zumindest vor dem Aussterben zu retten. Diese Zielzahl wird aber nicht erreicht. Um die Population hingegen gar dauerhaft zu sichern und einen Anstieg der Population zu erreichen, müsste das – regelmässig in der Praxis unterschrittene – Zweiprozentziel deutlich übertroffen werden. Hinzu kommt: Das Reservoir in dem durch die Staudämme regulierten Flusslauf ist ein meist stehendes Gewässer – und kein lebendig fließendes und daher deutlich kühleres Gewässer. Dadurch breiten sich dort vermehrt natürliche Fressfeinde des Chinook-Lachses aus, was die Population weiter reduziert. Diesen Sommer wurde zudem bei den infolge des Klimawandels erhöhten Wassertemperaturen der stehenden Reservoirgewässer eine weitere deutliche Bedrohung des Chinook-Bestandes festgestellt. Wissenschaftler*innen fordern seit Langem, dass mehr Wasser durch die Überlaufkanäle der Dämme abgeleitet werden solle, um so die Gefahr für die Chinook durch Turbinenrotorschlag zu vermindern und um das Wasser der Flüsse wilder und damit auch kühler zu machen.

Der deutliche Rückgang des Chinook hat aber auch flussabwärts, in einem ganz anderen Habitat, dramatische Folgen. Und zwar für die Meeresfauna im Pazifik. Dies wurde diesen Sommer auch den letzten die Medien verfolgenden Bürger*innen klar, als über mehrere Tage Livebilder in Fernsehen und sozialen Medien gezeigt wurden, auf denen eine Orca-Walmutter über mehrere Tage ihr junges, aber bereits totes Kalb im Wasser bewachte. Das Kalb war infolge des Fressmangels der Mutter verhungert. Denn eine der Hauptnahrungsquellen der Orcas vor der Mündung des Columbia-Rivers sind die Chinook-Lachse, denen die Orcas zu dieser Jahreszeit, kurz vor dem Flussaufwärtsschwarm der Lachse, folgen. Je weniger Chinook, desto weniger haben die Orcas in der Region eine Überlebenschance.

Daher gibt es die deutliche Forderung von Umweltschützer*innen, die Dämme zurückzubauen und den Columbia- und den Snake-River wieder zu einem frei fließenden Fluss zu machen. Damit sind aber die Weizenfarmer*innen und Transportschiffer*innen nicht einverstanden, wollen sie doch ungehindert aus dem als Seehafen geeigneten Verladenhafen Lewiston im Bundesstaat Idaho, 465 Meilen, also 748 Kilometer vom Pazifik entfernt, weiterhin ihren Weizen in alle Welt exportieren. Und die Staudammbetreiberfirma BPA will auch lieber weiterhin ihren Strom verkaufen. Dabei liefern mittlerweile neuesten Erhebungen zufolge Solaranlagen in Kalifornien, die gekoppelt sind mit Speicherbatterien, billigeren Strom als die Wasserkraft vom Columbia- und Snake-River. Doch BPA kann derzeit ihren Strom an die Großabnehmer noch teurer verkaufen, weil die Alt-Verträge noch höhere Preise garantieren als die neuen billigeren Solaranlagen. Doch diese Alt-Verträge enden 2028.

Derzeit bildet sich im Dreiländereck eine neue Allianz aus Umweltschützer*innen, Wissenschaftler*innen und kritischer Öffentlichkeit, die fordern, jetzt endlich mit dem Plan für den Rückbau der Dämme zu beginnen. Die Wissenschaftler*innen wiesen in Bezug auf die Besorgnisse der Weizenfarmer*innen auf den ohnehin massiven Anstieg des Weizentransports per Bahn hin und die Bewässerung für die Farmer*innen reiche auch an einer weiter oben gelegeneren Stelle des Snake-Rivers.

Wer in dem Streit letztlich die Oberhand gewinnen wird, ist noch unklar. Aber zumindest die Möglichkeit des Rückbaus der acht Dämme am Columbia- und Snake-River ist eine reale Möglichkeit geworden. Damit der Columbia- und der Snake-River wieder frei fließen, damit der Chinook wieder ungehindert wandern und damit die Orca nicht verhungern müssen.

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Klamath River: Das größte Dammrückbauvorhaben in den USA nimmt Gestalt an https://www.gegenstroemung.org/web/blog/klamath-river-das-groesste-dammrueckbauvorhaben-in-den-usa-nimmt-gestalt-an/ Fri, 20 Jul 2018 18:18:51 +0000 http://www.gegenstroemung.org/web/?p=1764 Am Klamath River sollen ab 2021 vier Dämme zur Wasserkrafterzeugung nach mehr als hundert Jahren Betrieb zurückgebaut werden, damit der Lachs auf rund 650 Kilometern des Klamath Rivers und seiner Zuflüsse wieder frei ziehen kann. Dies berichtet newsdeeply in der neuesten Ausgabe . Denn die vier Dämme – Iron Gate, Copco 1, Copco 2 und J.C. Boyle – blockieren den freien Flusslauf und hindern so den paziischen Lachs und die Stahlkopfforrelle anihrer natürlichen Wanderroute zum Laichen. So würde der Flusslauf des Klamath River vom Oberen Klamath Lake bis zum Pazifischen Ozean, wo er bei Requa, rund 250 Kilometer flussabwärts gelegen, ins Meer mündet.
Ende Juni hat die Klamath River Renewal Corporation den 2.300 Seiten starken Rückbaubau vorgelegt, der festlegt, wie die vier Dämme zurückgebaut, die Staureservoirs nach und nach geleert, wo und das Abraummaterial gelagert bzw. genutzt werden soll und wie das vormals geflutete Land renaturiert werden soll. Die Bundesbehörde für Energiefragen Federal Energy Regulatory Commission (FERC) sowie unabhängige Gutachter werden dieses Dokument nun studieren und – falls es keine weiteren rechtlichen Einwände oder unvorhergesehene Hindernisse gibt – soll ab 2021 der Rückbau beginnen.
Als in Jahr 2000 – anlässlich der Entscheidung über die Konzessionsverlängerung für die Dämme nach 50 Jahren Konzession – die Behörden die Eigentümer und die interssierte Öffentlichkeit zu Gesprächen ludan, da waren sie dann auch da: die Gegner der Dämme, die indigenen Karuk, die UmweltschützerInnen und AktivistInnen. Diese protestierten sogar in Schottland, weil die Besitzerin der Dämmme PacifiCorp damals noch Scottish Power gehörte. Im Jahr 2004 fuhren die Karuk und Umweltschützer zur Jareshauptversammlung von Scottish Power und forderten ihren Fluss zurück – frei fliessend und endlich wieder voll mit Lachs und Forrellen. Aber noch ohne Erfolg. Wenige Jahre später verkaufte Scottish Power die Dämme an Berkshire Hathaway Energy, und so trugen die AktivistInnen den Kampf nach Omaha, in Nebraska, wo Berkshire Hathaways Besitzer, Warren Buffett, seinen Hauptsitz hat. Doch auch dieser liess sich nicht vom zwanglosen Zwang des besseren Arguments für den Rückbau überzeugen. Erst als Jahre später eine neue Wirtschaftlichkeitsberechnung durchgeführt wurde und schwarz auf weiss fest stand, dass Betrieb und Unterhalt der in die Jahre gekommenen Dämme in Zukunft teurer wären als der Rückbau, kam bewegung in die Sache. Von den für den Rückbau veranschlagten knapp 400 Millionen US-Dollar kommen 200 Millionen über eine Stromumlage der PacifiCorp-KundInnen und die andere Hälfte wird aus Mitteln von Proposition 1 getragen, einer Wasseranleihe, die der Staat Kalifornien im Jahre 2014 eingerichtet hatte.
Eine der größten technischen Herausforderungen wird nicht der Rückbau des Betons, sondern die im Laufe der Jahrzehnte aufgelaufenden Sedimente im Flussbecken, im Reservoir und vor den Talsperren sein. Regen- und schneereiche Winter mit nachfolgenden Frühlingshochwassern würde wohl viele Sedimente von alleine wegtragen. Das Problem: zuvor müssen die Sedimente auf Giftstoffe untersucht werden, denn niemand weiß, was sich in ihnen im Lauf der Jahre dort angesammelt haben könnte.
Der gleichzeitige Rückbau der vier Dämme am Klamath River wäre der bisher größte Rückbau von Dämmen in den USA auf einmal. Dabei folgt er einem Trend: Die US-amerikanische Nichtregierungsorganisation American Rivers führt ein umfangreiches Register über den Rückbau von Staudämmen in den USA und hat am 13. Februar 2018 die Zahlen für 2017 bekannt gegeben. Demnach wurden im vergangenen Jahr 86 Staudämme in den USA zurückgebaut. 2014 lag diese Zahl noch bei 78. Durch den Rückbau der 86 Dämme wurden 550 Meilen von Flüssen wieder zu frei fliessenden Flüssen. In den 21 Bundesstaaten Alaska, California, Connecticut, Iowa, Indiana, Kentucky, Massachusetts, Maine, Michigan, Minnesota, Nevada, New Hampshire, New Jersey, North Carolina, Ohio, Oregon, Pennsylvania, Tennessee, Vermont, Washington und Wisconsin wurden Dämme zurückgebaut, wobei Pennsylvania mit 16 Dämmen die Liste anführte, geflgt von Kalifornien mit 10 und Massachusetts mit insgesamt 9 Dämmen.
Laut den Zahlen von American Rivers wurden in den USA seit 1912 insgesamt 1.492 Dämme zurückgebaut. Dabei wurde die Mehrzahl der Dämme, 1.275, in den vergangenen dreissig Jahren zurückgebaut. Durch den Rückbau entstanden tausende Kilometer frei fließender Flusslandschaften, mit allen Möglichkeiten von freiem Fischzug, Sedimentfracht und ungezügelter Biodiversität. So werden seit Jahren in den USA statistisch mehr Staudämme abgerissen als neue gebaut. American Rivers hat dazu auch eine interaktive Landkarte erstellt, die den Rückbau von Staudämmen in den USA dokumentiert: http://www.americanrivers.org/initiatives/dams/dam-removals-map/

// christian russau

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2017 wurden in den USA 86 Staudämme zurückgebaut https://www.gegenstroemung.org/web/blog/2017-wurden-in-den-usa-86-staudaemme-zurueckgebaut/ Wed, 14 Feb 2018 13:57:17 +0000 http://www.gegenstroemung.org/web/?p=1683 Die US-amerikanische Nichtregierungsorganisation American Rivers führt ein umfangreiches Register über den Rückbau von Staudämmen in den USA und hat am 13. Februar 2018 die Zahlen für 2017 bekannt gegeben. Demnach wurden im vergangenen Jahr 86 Staudämme in den USA zurückgebaut. 2014 lag diese Zahl noch bei 78. Durch den Rückbau der 86 Dämme wurden 550 Meilen von Flüssen wieder zu frei fliessenden Flüssen. In den 21 Bundesstaaten Alaska, California, Connecticut, Iowa, Indiana, Kentucky, Massachusetts, Maine, Michigan, Minnesota, Nevada, New Hampshire, New Jersey, North Carolina, Ohio, Oregon, Pennsylvania, Tennessee, Vermont, Washington und Wisconsin wurden Dämme zurückgebaut, wobei Pennsylvania mit 16 Dämmen die Liste anführte, geflgt von Kalifornien mit 10 und Massachusetts mit insgesamt 9 Dämmen.

Laut den Zahlen von American Rivers wurden in den USA seit 1912 insgesamt 1.492 Dämme zurückgebaut. Dabei wurde die Mehrzahl der Dämme, 1.275, in den vergangenen dreissig Jahren zurückgebaut. Durch den Rückbau entstanden tausende Kilometer frei fließender Flusslandschaften, mit allen Möglichkeiten von freiem Fischzug, Sedimentfracht und ungezügelter Biodiversität. So werden seit Jahren in den USA statistisch mehr Staudämme abgerissen als neue gebaut. American Rivers hat dazu auch eine interaktive Landkarte erstellt, die den Rückbau von Staudämmen in den USA dokumentiert: http://www.americanrivers.org/initiatives/dams/dam-removals-map/

Das bekannteste Beispiel für Rückbau von Staudämmen ist wohl der Elwha River im Bundesstaat Washington. „Im Elwah ist historisch dokumentiert, dass alle fünf verschiedenen Lachsarten hier zu Hause sind“, so Dave Reynolds, Ranger im Olympia Nationalpark, wo der Elwha-Fluss gestaut wurde, im Interview mit Deutschlandfunk. „Der Bau des Dammes 1910, nur fünf Meilen von der Flussmündung entfernt, hat die Wanderlachse vom restlichen Teil des Flusses abgetrennt.“ In den letzten 100 Jahren seien die Lachsbestände von 400.000 auf heute 3.000 zurückgegangen.

Nun aber ist es anders, ganz anders. Er ist der höchste Staudamm, der in den USA wieder abgebaut wurde: der Glines Canyon-Damm im Olympic National Park war einmal 64 Meter hoch, kein Fisch der Welt hätte hier eine Chance. 2011 begann der Rückbau, seit August 2014 staut er den Elwha River nicht mehr – und Forellen, Lachse und andere Fische ziehen wieder unbehindert zu ihren Laichgründen. “Der Lachs ist wieder da,” freute sich auch Dr. Jonathan Warrick im Gespräch mit der New York Times. “Sie tummeln sich hier wieder in Dimensionen, wie die letzten 100 Jahre nicht mehr.“

Und für die Menschen flussabwärts gab der Staudammrückbau ganz neue Perspektiven auf den Fluss frei. Denn hinter den Staumauern des Glines Canyon-Damms hatten sich wissenschaftlichen Berechnungen zufolge in den Jahrzehnten seines Bestehens Millionen Kubikmeter Sedimente angesammelt, die nun begannen, wieder frei mit dem Flusslauf zu treiben. Und im Fluss-Delta bildeten sich wieder Sandbänke und die Uferstrände weiteten sich wieder aus, das ganze Delta wuchs. Neue Habitate für Vögel, Fische und Krebse entstehen. Das Fazit: „When Dams Come Down, Salmon and Sand Can Prosper.“

// Christian Russau

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