Samarco – GegenStrömung https://www.gegenstroemung.org/web Tue, 03 Nov 2020 11:07:44 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.7.1 Fünf Jahre nach dem Bruch des Damms des Rückhaltebeckens von Mariana https://www.gegenstroemung.org/web/blog/fuenf-jahre-nach-dem-bruch-des-damms-des-rueckhaltebeckens-von-mariana/ Tue, 03 Nov 2020 11:07:42 +0000 http://www.gegenstroemung.org/web/?p=2140 Triste Schlaglichter auf eines der größten Umweltverbrechen der jüngeren brasilianischen Geschichte, den Dammbruch bei Mariana, der am 5. November 2015 eine ganze Region ins Unglück stieß.

Im November 2015 brach nahe Mariana in Brasilien ein Rückhaltedamm des Bergbau-Unternehmens Samarco. Seither kämpft eine ganze Region mit den massiven sozialen und ökologischen Folgen dieser Katastrophe.

Am 5. November 2015 brach der Damm des Rückhaltebeckens Fundão nahe der Kleinstadt Mariana im Bundesstaat Minas Gerais in Brasilien. Millionen Kubikmeter an Bergwerksschlamm aus der Eisenerz-Mine der Firma Samarco und ein Tsunami aus Schlamm zerstörte mehrere Dörfer, 349 Häuser, Schulen und Kirchen… Die Flüsse Rio Gualaxo do Norte, Rio do Carmo und Rio Doce wurden verseucht. Insgesamt starben 19 Menschen. Samarco ist eine Aktiengesellschaft, die zu gleichen Teilen im Besitz der australisch-britischen BHP Billiton Brasil Ltda. und der brasilianischen Vale S.A. steht.

Laut Erhebung der US-amerikanischen Beraterfirma Bowker Associates stellt die Katastrophe von Mariana einen Dreifach-Negativ-Rekord in der Geschichte des Bergbaus dar: 1. Die Menge an ausgetretenem Schlamm: 32 bis 62 Millionen Kubikmeter, 2. Die Größe des betroffenen Gebiets: 680 Kilometern Flusslauf, 3. Die Schadenshöhe: 5 bis 55 Milliarden USD.

Fünf Jahre nach dem Bruch bei Mariana warten noch immer 334 Familien aus den damals komplett zerstörten Kleinstädten Bento Rodrigues, Paracatu de Baixo und Gesteira auf ihre Häuser als Entschädigungsleistung. Nach Angaben der Renova-Stiftung seien die Arbeiten der neuen Ersatz-Gemeinden im Gange, wie z.B. die Erdbewegung der Zufahrtsstraßen und der Grundstücksflächen, Arbeiten der Regenwasserkanäle, Wasser- und Abwassernetze. Das „neue“ Bento Rodrigues sei weiter vorangeschritten, so Renova, aber auch hier wurde 2019 der Eröffnungstermin auf 2021 verschoben. Die betroffenen Anwohner:innen trauen dem aber nicht, sie beobachten die Arbeiten, haben Angst, dass dort wieder schlampig gearbeitet wird, dass beispielsweise der korrekte Wasseranschluss vergessen wird, so eine Bewohnerin gegenüber der Zeitschrift Brasil de fato. Bei den Wiederaufbauplänen für Gesteira sieht die Situation deutlich schlechter aus: Hier wurde wegen Rechtsstreitigkeiten der Zuständigkeit vor einem Bundesgericht der bisherige Prozess gestoppt, unklar ist, wann dort weitergebaut wird.

Für Letícia Faria von der Bewegung der Betroffenen von Staudämmen (MAB) hat das System. Sie sieht die Verzögerungen als Ausdruck des Wiedergutmachungsmodells der Renova-Stiftung, das „das Image der Unternehmen schützt, eine gute Propaganda für das, was getan wird, was [die Stiftung] macht und so einen Präzedenzfall schafft, so dass alle zukünftigen Reparaturen, sei es durch Bruch oder Dammbau, von einer solch privaten Stiftung durchgeführt werden. Es handelt sich um eine Strategie zur Stärkung der Macht der Unternehmen in den Territorien“, so Faria gegenüber Brasil de fato Ende Oktober dieses Jahres. „Die Wiedergutmachung wird nicht umgesetzt, weil das Ziel darin besteht, die Gemeinden den Unternehmen gegenüber dauerhaft unterwürfig zu halten“, fügt sie hinzu.

Auch die Staatsanwaltschaft kritisiert, dass fünf Jahre nach dem Bruch noch immer nicht alle Entschädigungen geleistet wurden. „Die Katastrophe, die nicht nur Mariana, sondern das gesamte Einzugsgebiet des Rio Doce, ein Gebiet, das [von der Größe her] Portugal entspricht, verwüstet hat, hält weiter an. Fünf Jahre später ist nichts fertig“, sagt Silmara Goulart, Generalstaatsanwältin und Koordinatorin der Rio Doce Task Force. „Keine, absolut keine der betroffenen Gruppen, seien es Bauern, Wäscherinnen, Handwerker, Fischer, Kleinhändler, wurde vollständig entschädigt. Auch die Umwelt hat sich nicht vollständig erholt. Selbst die Gemeinde Bento Rodrigues, Symbol der Katastrophe, ist nicht wieder aufgebaut worden“, fügte die Staatsanwältin Silmara auf einer Pressekonferenz am 29. Oktober hinzu, berichtet das Internetportal Ecodebate.

Um die entstandenen Schäden zu beheben, hatten die Bundesbehörden, die Staaten Minas Gerais und Espírito Santo 2016 ein Transaktions- und Anpassungsabkommen (TTAC) mit den für den Staudamm verantwortlichen Unternehmen Samarco, BHP Billiton und Vale unterzeichnet. Zusätzlich zur Gründung der Renova-Stiftung, einer Organisation, die die Aufräumarbeiten, die Kompensationen und die Entschädigungen umsetzen sollte, legt das TTAC 42 Programme fest, die in dem 670 Kilometer langen Gebiet entlang des Rio Doce und seiner Nebenflüsse umgesetzt werden müssten. Später, im Jahr 2018, unterzeichneten die Justizbehörden mit den Unternehmen ein weiteres Abkommen, um die wirksame Beteiligung der betroffenen Personen am Prozess der vollständigen Entschädigung für die von ihnen erlittenen Schäden zu gewährleisten.

Jedoch, laut der neuesten Analyse der Bundesstaatsanwaltschaften, ist bei weitem nicht genug passiert. Fünf Jahre nach der Katastrophe sind demnach noch immer 29.039 Einwohner:innen von der Wasserversorgung per Tankwagen abhängig, da die Nutzung der verseuchten Wasserläufe und Grundwasserleiter noch immer unsicher ist, was durch die neue Coronavirus-Pandemie noch gravierender wird. Bis August dieses Jahres waren nur 153 von 374, das entspricht 41 Prozent der Maßnahmen zur Verbesserung der Wasserversorgungssysteme, abgeschlossen. Die im damaligen TTAC festgelegte Frist war bereits 2018 ausgelaufen. „Dies betrifft das grundlegendste Recht, nämlich den Zugang zu Wasser und den Zugang zu ihrer eigenen Gesundheit. Wenn man nicht sicher ist, dass das Wasser, aus dem die Nahrung für seine Kinder besteht, konsumiert werden kann, hat man keinen Seelenfrieden, und dann hat man ein weiteres psychisches Problem“, sagt Carolina Morishita, eine staatliche Pflichtverteidigerin in Minas Gerais.

Erst im September dieses Jahres hatten Wissenschaftler:innen der Universidade Federal do Espírito Santo (Ufes) neue Studienergebnisse veröffentlicht, die in den Sedimenten des Rio Doce hohe Belastungen an vor allem Kadmium und Arsen nachwiesen, die auch in Fischproben, in Proben von Untergrundwasser sowie in menschlichen Proben in deren Haar und Fingernägeln gefunden wurden.

Außerdem erhielten laut der brasilianischen Bundesstaatsanwaltschaft von den 31.755 registrierten Familien bis August 2020 nur 10.885, das entspricht 34 Prozent, eine Art Entschädigung. André Sperling, Staatsanwalt in Minas Gerais, verglich die Situation mit Brumadinho, wo 2019 ebenfalls ein Damm in Vale brach und der 259 Tote hinterließ. Dort erhalten laut Sperling mehr als 100.000 Menschen eine gewisse Unterstützung. „Dies ist im Rio-Doce-Becken nie auch nur annähernd geschehen. Es hat nie eine Gelegenheit gegeben, den Betroffenen ein wenig mehr Sicherheit für diesen Verhandlungsprozess zu geben. Was es gibt, ist, dass die betroffenen Menschen hilflos sind“, sagte er, so berichtet es das Internetportal Ecodebate.

Beim Prozess um Entschädigungszahlungen zeigt sich zudem eine strukturelle Benachteiligung von Frauen. So hat die Bundesstaatsanwaltschaft anhand einer Untersuchung der Verwaltungsakten der Betroffenen jüngst festgestellt, dass bislang nur 39 Prozent der vom Dammbruch bei Mariana betroffenen Frauen überhaupt erst in den Betroffenenbefragungen angehört wurden. Laut Maíra Almeida Carvalho, Psychologin des Teams für psychische Gesundheit von Mariana, in dem sich die meisten der durch den Dammbruch Vertriebenen befinden, wurden seit Beginn der Reparationsverhandlungen seitens der zuständigen Stiftung Renova meist nur die beruflichen Aktivitäten der Männer berücksichtigt. „Es war sehr klar, dass nur die formalen Aktivitäten von Männern berücksichtigt wurden, um beispielsweise finanzielle Nothilfe zu erhalten. Dies verschärfte die Konflikte, da die Frauen noch stärker der Tatsache ausgesetzt waren, dass sie keine anerkannten Aktivitäten hatten und noch abhängiger waren. Neben ihrer Arbeit haben sie immer auch die Rolle des Betreuers für die Familie, die älteren Menschen und die Kinder übernommen“, sagte die Psychologin der Tageszeitung Estado de Minas, die eine mehrteilige Serie zu den Folgen von Mariana anlässlich des nun anstehenden fünften Jahrestages herausgegeben hat.

Bereits in den ersten Jahren nach dem Dammbruch, als offiziell die ersten Wiedergutmachungsprozesse von der von Samarco, Vale und BHP Billiton eingesetzten Stiftung Renova begannen, wiesen Betroffene darauf hin, dass es zu einer systematischen Diskriminierung von Frauen in diesem „Wiedergutmachungsprozess“ käme: Männlich-chauvinistische Standards herrschten bei der Freigabe von Entschädigungszahlungen. Diese Kritik wurde Ausgangspunkt dafür, dass die Bundesstaatsanwaltschaften von Minas Gerais und Espírito Santo eine Studie zur Situation der vom Dammbruch bei Mariana betroffenen Frauen im Einzugsgebiet des Rio Doce in Auftrag gab. Für die Durchführung der Analyse nutzte die beauftragte Beratungsfirma Ramboll Daten aus den Registern, aus den Ombudsmann-Büros und den Verwaltungsakten der Renova-Stiftung. Die Studie kam zu dem Schluss, dass es eine Reihe von Verstößen gegen Frauen in der Entschädigungsarbeit gab, wie z.B. sexuelle Belästigungsprobleme, Betrug, Probleme mit der Anerkennung, weil die nicht-formalisierte Arbeit der Frauen nicht berücksichtigt wurde. Laut der Zeitschrift Brasil de fato ging es bei 37 Prozent der Beschwerden von Frauen um sexuelle Belästigung, bei 38 Prozent um Betrug und bei 20 um Korruption. Dem Bericht von 2019 zufolge sind nach wie vor etwa 43 Prozent der Frauen arbeitslos. Von denjenigen, die nach dem Dammbruch irgendeine Art von Krankheit zeigten, hatten 80 Prozent Tuberkulose und 50 Prozent ein Atemwegsproblem.
Exemplarisch spricht die betroffene Bewohnerin Simone Silva, die zu der Gruppe organisierter Frauen gehört, die seit mehr als drei Jahren auf eine Antwort des Bergbauunternehmens warten und noch nicht als betroffen anerkannt sind. 2019 erklärte sie gegenüber Brasil de fato: „Renova hat die Frauen auf dem Territorium nicht anerkannt. Dies war ein Grund für viele Ehekriege und sogar für Trennungen zwischen Paaren, denn im Allgemeinen erkennt sie [die Stiftung Renova] den Mann an, aber sie erkennt die Frau nicht an“, sagte sie.

Die Bewohner:innen leiden noch immer unter Krankheiten. Um 15 Prozent hat die Einnahme von Psychopharmaka der überlebenden Betroffen in den 39 vom Dammbruch in Mitliedenschaft gezogenen Munizipien in den Bundesstaaten Minas Gerais und Espírito Santo entlang der Flutwelle aus Bergwerksabraum, der den Lauf des Rio Doce hinunterraste, zugenommen, so Medienberichte. Um 75 Prozent haben die schweren Fälle von anhaltenden Atemwegserkrankungen zugenommen, berichten laut dem Pressebericht die Mediziner:innen in den betroffenen Munizipien. Und die von der Stiftung Renova, die für die Wiederinstandsetzung, die Renaturierung, die Entschädigungen und die Maßnahmen zur medizinischen Betreuung der Betroffenen zuständig ist, angekündigte Medizinbetreuung wurde noch immer nicht umgesetzt. Laut der von der Bundesstaatsanwaltschaft zur unabhängigen Beobachtung der von Renova in die Wege geleiteten Maßnahmen eingesetzten Consulting Ramboll wurde bisher nur in den beiden Bezirken Mariana und Barra Longa medizinisches Personal durch Renova aufgestockt, wobei man in Mariana damit aber durchaus weiter ist als in Barra Longa, wo grad noch immer erst der Masterplan diskutiert wird, so die Tageszeitung Estado de Minas Gerais Anfang November.

Auch die Aufräumarbeiten gehen nach wie vor nur schleppend voran. Die Consulting Ramboll nahm Auswertungen der Aufräum- und Instandsetzungsarbeiten Renovas unter die Lupe. Die Analyse zeigt, dass Renovas Aktionen zur Sanierung der Umwelt zu den am meisten verzögerten oder nicht umgesetzten Maßnahmen gehören. Bisher wurden von den 44 Millionen Kubikmetern Bergematerial, die aus dem Damm ausgetreten sind, nur 1.161.591 (2,6 Prozent) aus den Flussbetten der Flüsse Gualaxo do Norte, Rio Carmo und Rio Doce entfernt. Von den 17 durch Bergbauabfälle in Mitleidenschaft gezogenen Gewässerabschnitten verfügen nur fünf überhaupt über einen Entsorgungsplan, wohin das Material verbracht werden soll. Am krassesten zeige sich, so Ramboll, die Verschleppung der Aufräumarbeiten am Staudamm Candonga. Dort waren 26 Prozent allen Abraums aus dem Bergwerk von Samarco im Stauseereservoir hängen geblieben, und die Stiftung Renova hatte sich verpflichtet, das Material aus dem Stausee zu entfernen, auf dafür extra vorbereiteten Flächen zu lagern und hinterter so aufzubereiten, dass es – gereinigt um Schadstoffe – wiederverwendet werden könne, beispielsweise im Straßenbau oder bei Häuserbauprojekten. Am Stausee Candonga hatte Renova dafür das Gelände der angrenzenden Fazenda Floresta gemietet, doch die dortigen Arbeiten ruhen seit 2018, so die Tageszeitung Estado de Minas Gerais Anfang November. Denn Renova bevorzugt mittlerweile die Variante, das Material aus dem Bergbauschlammtsunami im Stausee zu belassen, die Bundesstaatsanwaltschaft verlangt die Entfernung aus dem Reservoir, – der Rechtsstreit darüber kann sich noch Jahre hinziehen.

Währenddessen steht die zum Stausee Candonga gehörende Wasserkraftanlage Usina Hidrelétrica de Risoleta Neve still, da die Turbinen durch das Eisenschlamm haltige Wasser beschädigt werden würden, ginge das Kraftwerk in Betrieb, ohne zuvor den Abraum aus dem Kraftwerksee entfernt zu haben. „Das Wasserkraftwerk Risoleta Neves in Candonga ist seit fünf Jahren stillgelegt, und in der Zwischenzeit erfolgt [der Ausgleich des Ausfalls] des Stromnetzes durch andere Einheiten. Der Verbraucher wird durch den Ausgleichsmechanismus des nationalen Elektrizitätssektors [zusätzlich mit erhöhten] Kosten belastet, dieser wurde bisher von der National Energieagentur Aneel auf 416 Millionen R$ geschätzt“, sagt Staatsanwalt Paulo Henrique Camargos Trazzi gegenüber Tageszeitung Estado de Minas Gerais.

Indessen wurden eine Reihe von Rechtsprozessen gegen die für den Dammbruch Verantwortlichen eingestellt, einige wenige laufen noch weiter. Bis wann mit einem diesbezüglichen Abschluss zu rechnen ist, ist offen. Im September dieses Jahres jedenfalls haben die Bundesstaatsanwaltschaften von Minas Gerais und Espírito Santo jedenfalls ihre 2018 vorläufig eingestellte Zivilentschädigungsklage gegen Samarco wieder aus den Schubladen geholt, weil die Entschädigungsprozesse seitens der Stiftung Renova zu langsam laufen und die Staatsanwaltschaften gezielte Verschleppung und Übervorteilung der Betroffenen mutmaßen. Die nun wieder aufgenommene Klage sieht eine Gesamtentschädigung von 155 Milliarden Reais vor (derzeit umgerechnet 23 Milliarden Euro).

// christian russau

]]>
Fundação Renova und die Greenwashing-Propaganga fünf Jahre nach dem Bruch des Samarco-Vale-BHP Billiton-Damms bei Mariana https://www.gegenstroemung.org/web/blog/fundacao-renova-und-die-greenwashing-propaganga-fuenf-jahre-nach-dem-bruch-des-samarco-vale-bhp-billiton-damms-bei-mariana/ Tue, 20 Oct 2020 12:16:06 +0000 http://www.gegenstroemung.org/web/?p=2121 Knapp fünf Jahre nach dem Bruch des Rückhaltebeckens Fundão bei Mariana versucht die von Vale zur Beseitigung der Schäden und zur Leistung von Kompensationsmaßnahmen sowie Entschädigungszahungen eingesetzte Stiftung Fundação Renova in großseitigen Anzeigen, die in Form von Presseberichten daherkommen, in Internetportalen des Bundesstaates Minas Gerais die Leistungen der Fundação Renova zur Renaturalisierung und zur Wiederherstellung des Rio Doce in werbetauglichem Greenwashing schönzureden.

Unter dem schön klingenden Titel „Recuperação do rio Doce“ („Die Wiederherstellung des Rio Doce“) veröffentlicht die Fundação Renova in dem Portal „O Tempo“ sponsored content, der als Publieditorial zwar gekennzeichnet ist, ein Umstand, der vielen Leser:innen aber nicht sofort auffallen sollte. In dem Text beschreibt die Fundação Renova den Umfang und die Bedeutung der Wiederaufräum-, der Wiederhestellungsarbeiten sowie der geleisteten Entschädigungen. Am Beispiel der Wasserqualität des Rio Doce versucht die Fundação Renova ihre Arbeit ins strahlende Licht zu rücken: Das Wasser des Rio Doce sei jetzt wieder „so sauber wie vor dem Bruch“, das Wasser sei „nach Aufbereitung trinkbar“, die Wasserqualität stehe unter konstanter Beobachtung, im übrigen sei der „Rio Doce das am meisten kontrollierte Wassereinzugsgebiet“ des ganzen Landes. Das Wasser des Rio Doce könne also für die Viehwirtschaft und alle anderen Tiere verwendet werden, für den Ackerbau, für Freizeitspaß und eigne sich – nachdem es behandelt wurde – auch für den menschlichen Verbrauch als Trinkwasser.

Komisch nur: Warum hatten Wissenschaftler:innen der Universidade Federal do Espírito Santo (Ufes) erst vor Monatsfrist neue Studienergebnisse veröffentlicht, die in den Sedimenten des Rio Doce hohe Belastungen an vor allem Kadmium und Arsen nachwiesen, die auch in Fischproben, in Proben von Untergrundwasser sowie in menschlichen Proben in deren Haar und Fingernägeln gefunden wurde?


Zum Hintergrund:

Im brasilianischen Bundesstaat Minas Gerais ist am 25. Januar 2019 in der Nähe der Kleinstadt Brumadinho, rund 25 Kilometer südwestlich des Landeshauptstadt Belo Horizonte, ein Damm eines Rückhaltebeckens für die Erzschlammreste der Mine Corrego do Feijao gebrochen. 272 Menschen starben, aber so genau weiß das niemand bis heute, denn noch immer werden Menschen vermisst. Die Betreiberfirma von Mine und Rückhaltebecken, die brasilianische Bergbaufirma Vale, erklärte, in dem gebrochenen Becken hätten sich 11,7 Millionen Kubikmeter Erzschlammreste befunden. Nachdem der Damm des ersten Rückhaltebeckens gebrochen war, erreichte der Erzschlamm das nächstgelegene Rückhaltebecken und überflutete dieses. Der sich ins Tal ergießende Schlamm-Tsunami hatte unter anderem eine Betriebskantine mit sich gerissen, in der gerade viele Arbeiter:innen zu Mittag aßen. Busse, in denen Arbeiter:innen saßen, die von oder zur Betriebsschicht fuhren, wurden mitgerissen, mindestens ein Dorf wurde zerstört und auf hunderten Kilometern ist der vom Schlamm geflutete Fluss Paraopeba bis heute biologisch tot.

Dieses Szenario erinnert an den Dammbruch von Mariana des Rückhaltebeckens Fundão, als dort 2015 bei der Mine Germano der Firma Samarco (im gleichanteiligen Besitz von Vale und dem anglo-australischen Unternehmen BHP Billiton) der Damm brach. Millionen Kubikmeter an Bergwerksschlamm aus der Eisenerz-Mine der Firma Samarco und ein Tsunami aus Schlamm zerstörten mehrere Dörfer, Häuser, Schulen und Kirchen. Die Flüsse Rio Gualaxo do Norte, Rio do Carmo und Rio Doce wurden verseucht. Fischfang ist entlang der 680 Kilometer Flusslauf bis heute nicht möglich, ein Desaster für Tausende von Kleinfischer:innen, die damit ihren Lebensunterhalt bestreiten. Insgesamt starben 19 Menschen. Laut Erhebung der US-amerikanischen Beraterfirma Bowker Associates stellte die Katastrophe von Mariana einen Dreifach-Negativ-Rekord in der Geschichte des Bergbaus dar.

Dabei ist klar: Die Dammbrüche von Mariana und Brumadinho si nd nur die sichtbare Spitze des Eisbergs an Skandalen im brasilianischen Bergbau. Grundsätzlich erfolge der Bergbau in Brasilien, so Juliana Malerba von der brasilianischen Nichtregerungsorganisation FASE, „auf Basis der Umweltungerechtigkeit“. Denn genau die Gruppen, die bereits historisch diesen Prozessen der Umweltausbeutung ausgesetzt waren, „die Ärmsten, die Schwarzen, die quilombolas, die traditionellen und indigenen Gemeinschaften, die am Fluss wohnenden ribeirinhos, die Kleinfischer, die Kleinbäuerinnen und -bauern, es sind genau diese Gruppen, auf deren Territorien und Gebieten sich diese Aneignung der Natur nach wie vor ereignet.“ Anstatt dass durch grundlegende Politiken der öffentlichen Hand dafür Sorge getragen werde, dass diese Gruppen in Würde in ihren Gebieten und Territorien leben können, werden die Gebiete durch rücksichtslosen Bergbau zu „Opfergebieten“, so Malerba.

Und dabei gibt es auch eine deutsche Mitverantwortung: Im Jahr 2019 exportierte Brasilien Eisenerz im Wert von 22,7 Milliarden US-Dollar. Eisenerz dominierte demnach mit 87,79 Prozent den Export mineralischer Rohstoffe. Der Anteil des Eisenerzes lag bei 10,06 Prozent der Gesamtexporte (etwa 225 Milliarden US-Dollar) und lag somit nach dem Sojakomplex an zweiter Stelle der brasilianischen Exporte. Das aus Brasilien nach Deutschland exportierte Eisenerz stellt derzeit satte 43 Prozent der deutschen Gesamteinfuhren von Eisenerz dar.

So attestiert auch der Leiter der Deutschen Rohstoffagentur, Peter Buchholz, Brasilien eine bedeutende Rolle bei der Rohstoffsicherung Deutschlands. „Beachtliche 8,5 Prozent der deutschen Gesamtimporte mineralischer Rohstoffe stammen aus Brasilien.“ Hinzu komme, so Buchholz, dass der brasilianische „Bedarf an Explorations-, Abbau-, Förder-, Verlade- und Aufbereitungstechnik und darüber hinaus in der Infrastrukturentwicklung wie dem Hafenausbau und an der Schiffs-, Eisenbahn- und Lkw-Technik sehr hoch“ sei und künftig „noch erheblich steigen“ werde.

So ergänzt sich also die alte und neue internationale Arbeitsteilung zwischen Brasilien und Deutschland: „Im Fokus stehen neue Lieferquellen für strategisch wichtige Rohstoffe und Zwischenprodukte sowie neue Absatzmärkte für Bergbaumaschinen und -ausrüstungen.“ Das Industrieland Deutschland produziert hochwertige Maschinen und Anlagen, das Rohstoffexportland Brasilien bleibt auf den externalisierten Kosten wie Umweltzerstörung und Menschenrechtsverletzungen im Bergbau sitzen. Den Gewinn machen die transnationalen Konzerne in beiden Ländern, den Preis zahlen die Menschen in den Territorien.

//christian russau www.outro-mundo.org

]]>
„Kein Profit über das Leben!“ https://www.gegenstroemung.org/web/blog/kein-profit-ueber-das-leben/ Tue, 28 Apr 2020 09:07:56 +0000 http://www.gegenstroemung.org/web/?p=2046 Versicherungsgesellschaften müssen dringend aufhören, Policen für Bergbauunternehmen zuzulassen, die systematische Verletzungen von Menschenrechten in ihren Einflussgebieten betreiben. Stellungnahme von Maíra Sertã Mansur von der Internationalen Koordinierung der vom Unternehmen Vale Betroffenen (Articulação Internacional – Atingidos e Atingidas pela Vale) anlässlich der Jahreshauptversammlung von Munich Re, Allianz, Hannover Re und Talanx in diesem Frühjahr 2020.

n Brasilien haben die Brüche der Tailing-Dams von Fundão der Firma Samarco (zu je 50% im Besitz von Vale und BHP Billiton) im Jahr 2015 sowie der Bruch des Tailing-Dams Barragem I der Firma Vale in Brumadinho im Januar 2019 die ganze Perversität der Firmen im Bergbausektor bloßgelegt.

Das Verbrechen von Samarco/Vale/BHP verursachte den Tod von 19 Menschen sowie den Verlust einer Schwangerschaft im dritten Monat. Zudem kam es durch den Bruch vom 5. November 2015 bei Mariana zu einer Umwelt- und sozialen Katastrophe ungeahnten Ausmaßes, dies auf einer Länge von 586 Kilometern entlang des durch den Bruch verseuchten Flusses Rio Doce, in zwei brasilianischen Bundesstaaten, in Minas Gerais und in Espírito Santo.

In Brumadinho war es erneut die Firma Vale, die verantwortlich zeichnete für einen Bruch, einen, der 270 Menschen das Leben nahm, darunter zwei schwangeren Frauen. Und erneut gab es eine soziale und Umweltkatastrophe, auf hunderten von Kilometern.

Sowohl die Firmen Samarco (Vale/BHP Billiton) im Falle von Mariana als auch Vale im Falle Brumadinhos haben Versicherungen abgeschlossen. Die von den Fällen betroffenen Unternehmen haben eine Versicherung für ihren Betrieb abgeschlossen. Diese Versicherungen betrafen jedoch in erster Linie den Schutz des eigenen Vermögens und den Deckungsschutz vor Verlust von Gewinnen. Die Beträge, die für Umweltfragen und zivilrechtliche Haftung vorgesehen sind, sind minimal oder schlicht nicht vorhanden. So sind selbst bei großen Katastrophen wie der von Samarco und Vale die Unternehmen immer versichert, während die betroffenen Menschen und die Umwelt auf sich allein gestellt sind.

Obwohl es also Versicherungsschutz gab, hat Samarco nach fast fünf Jahren des Bruchs von Fundão viele der Betroffenen immer noch nicht anerkannt, ihnen nicht alle ihre Rechte zugesichert und auch nicht die Wiederherstellung des Rio Doce als wirtschaftlich und natürlich intakte Region geschafft. Vale im Falle des Bruchs von Brumadinho folgt dem gleichen Fahrplan, um den Betroffenen das Leben schwer zu machen und denjenigen, die betroffen sind, eine vollständige Wiedergutmachung möglichst zu erschweren.

So tragen die Versicherungsgesellschaften eine Mitverantwortung für die Verbrechen, indem sie Strukturen wie Erzaufbereitungsdämme versichern, ohne die sozialen und ökologischen Auswirkungen eines katastrophaen Bruchfalls wie der von Mariana und Brumadinho zu berücksichtigen. Es kann nicht sein, dass einzig der Aussage der Versicherungsnehmer (der Unternehmen Samarco, Vale, BHP Billiton) vertraut wird, aber der schon vor den Dammbrüchen lautstarke und fundierte Kritik und Warnung der Zivilgesellschaft vor den katastrophalen Bruchfolgen keine Beachtung geschenkt wird. Dämme brechen nicht ohne vorherige Anzeichen, und aus diesem Grund sind Samarco/Vale/BHP und Vale in Brumadinho für Verbrechen gegen Mensch und Umwelt verantwortlich. Sowohl bei Mariana als auch bei Brumadinho haben Untersuchungen gezeigt, dass den Unternehmen genügend Warnhinweise auf Brüche schon vorher bekannt waren. Im Falle Brumadinhos war es sogar eine deutsche Firma, TÜV SÜD aus München, dessen hundertprozentige Tochterfirma in Brasilien dem Damm von Brumadinho offensichtlich wider besseren Wissens Sicherheit attestierte, zwei Mal, wenige Monate bevor der Damm im Januar 2019 brach. Die Staatsanwaltschaften in Brasilien und Deutschland erheben deshalb Anklage gegen die Verantwortlichen.

Versicherungsgesellschaften müssen dringend aufhören, Policen für Bergbauunternehmen zuzulassen, die systematische Verletzungen von Menschenrechten in ihren Einflussgebieten betreiben. Deshalb fordern wir, dass der Profit nicht mehr über das Leben gestellt wird.

Übersetzung: Christian Russau (outro-mundo.org)

]]>
Rede von Joceli Andrioli von der brasilianischen Bewegung der Staudammbetroffenen (MAB) auf der Jahreshauptversammlung der Deutsche Bank am 24. Mai 2018 in Frankfurt https://www.gegenstroemung.org/web/blog/rede-von-joceli-andrioli-von-der-brasilianischen-bewegung-der-staudammbetroffenen-mab-auf-der-jahreshauptversammlung-der-deutsche-bank-am-24-mai-2018-in-frankfurt/ Fri, 25 May 2018 19:02:50 +0000 http://www.gegenstroemung.org/web/?p=1737 GegenStrömung dokumentiert die deutschsprachige Übersetzung der Rede von Joceli Andrioli von der brasilianischen Bewegung der Staudammbetroffenen (MAB) auf der Jahreshauptversammlung der Deutsche Bank am 24. Mai 2018 in Frankfurt

– ES GILT DAS GESPROCHENE WORT –

Sehr geehrte Damen und Herren,

mein Name ist Joceli Andrioli. Ich bin von der brasilianischen Bewegung der Staudammbetroffenen (MAB). Unsere Bewegung setzt sich für die Rechte derjenigen ein, die für den Bau von großen Energie- und Staudammprojekten vertrieben oder zwangsumgesiedelt werden oder deren Menschenrechte aufgrund von Dammbrüchen verletzt wurden.

Warum bin ich aus Brasilien hierher – zur Hauptversammlungversammlung der Deutschen Bank – gereist? Es geht um die Verbindung der Deutschen Bank mit den Bergbaukonzernen Vale und BHP Billiton: zwischen 2010 und 2017 stellte die Deutsche Bank der brasilianischen Vale 701 Mio. Euro und der anglo-australischen BHP Billiton 622 Mio. Euro an Krediten und Anleihen zur Verfügung. Außerdem hält die Deutsche Bank Aktien an den beiden Unternehmen.

Die beiden Kreditnehmer der Deutschen Bank, Vale und BHP Billiton, sind Eigentümer der Firma Samarco, die für das größte Bergwerksunglück aller Zeiten verantwortlich ist. Am 5. November 2015 brach der Damm eines Rückhaltebeckens für Minenschlämme der Firma Samarco und zerstörte das Flusstal des 580 km langen Rio Doce. 19 Personen starben, mehr als eine Million Menschen sind betroffen – sei es, , dass die riesige Schlammwelle ihre Häuser oder ihr Land unter sich begraben hat, sei es, dass ihr Trinkwasser mit Schwermetallen verseucht ist, sei es, dass sie ihre wirtschaftliche Lebensgrundlage als Landarbeiter oder Fischer verloren haben oder dass sie von den giftigen Schlämmen aus dem Bergbaurückhaltebecken krank geworden sind. Es war eine Katastrophe mit Ansage – schon 6 Monate vor dem Dammbruch war dem Unternehmen Samarco bekannt, dass der Damm brechen könnte und dass die Folgen verheerend sein würden. Doch das Unternehmen hat nichts getan, um die Katastrophe zu verhindern.

In den zweieinhalb Jahren seit dem Dammbruch wurden mehrere Beschwerden bei der Arbeitsgruppe „Wirtschaft und Menschenrechte“ der Vereinten Nationen eingereicht. Dennoch waren die verantwortlichen Firmen – die Ihre Bank, die Deutsche Bank – weiterhin mit großzügigen Krediten bedient – noch nicht einmal in der Lage, in diesen zweieinhalb Jahren die genaue Zahl der betroffenen Menschen zu ermitteln – von der Zahlung einer angemessenen Entschädigung und umfassenden Wiedergutmachung, wie es internationale Menschenrechtsstandards vorschreiben, ganz zu schweigen.

Es gibt Dutzende Kinder, bei denen Arsenwerte im Körper nachgewiesen wurden, die zum Teil um das Hundertfache über den zulässigen Höchstwerten der Weltgesundheitsorganisation liegen. Diese Kinder waren über einen langen Zeitraum dem toxischen Schlamm ausgesetzt. Es gibt jedoch seitens der verantwortlichen Firmen keinerlei Maßnahmen, um die bedrohliche Gesundheitssituation zu untersuchen oder gar die De-Kontamination von Boden und Wasser zu gewährleisten.

Die Menschen, die ihre Häuser und Dörfer unter den Schlammmassen verloren haben, sind bis heute nicht umgesiedelt worden. Bei Demonstrationen und Protesten der betroffenen Bevölkerung, die sich gegen das Gebaren der Firma richten, wird die Militärpolizei eingesetzt, um die Proteste zu unterdrücken.

Ein Entschädigungsprogramms, das von der brasilianischen Justiz als illegal erklärt worden war, wird trotz seiner zahlreichen Defizite fortgesetzt.

Die Deutsche Bank hat der Firma Vale auch nach dem Dammbruch noch Kredite gewährt, obwohl zu diesem Zeitpunkt schon verschiedene Beschwerden gegen die Firma Samarco bei den Vereinten Nationen und bei der Interamerikanischen Menschenrechtskommission eingereicht worden waren.

Der Hochkommissar für Menschenrechte, Zeid Ra’aad Al Hussein, hat betont, welch wichtige Rolle internationale Finanzinstitute in Bezug auf die Einhaltung der Menschenrechte haben. Demnach müsste die Deutsche Bank ihre Anlage- und Kreditpolitik einer genauen Überprüfung unterziehen, um sicherzustellen, dass Menschenrechtsklauseln greifen und dass effiziente interne Mechanismen geschaffen werden, die eine vorherige Identifizierung möglicher menschenrechtlicher Risiken ermöglichen. Wie kann es sein, dass eine Firma wie Samarco – mit Mitteln der Vale – den Betrieb wieder aufnimmt, ohne irgendeine Garantie, dass sich so etwas wie der Dammbruch nicht wiederholt und ohne dass zuvor die Betroffenen vollständig entschädigt wurden?

Ich frage Sie:

Werden Sie Kredite, die Sie den Firmen Vale und BHP Billiton zur Verfügung stellen, und die Aktienanteile, die Sie an den Firmen Vale und BHP Billtion halten, einer grundsätzlichen, menschenrechtlichen Überprüfung unterziehen?

Werden Sie zukünftige Finanzierungszusagen an Vale oder BHP Billiton an die Bedingungen knüpfen, dass die Opfer des Dammbruchs entschädigt und die Umweltschäden beseitigt werden?

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

// Übersetzung: Christian Russau

]]>
Der Dammbruch von Mariana und seine noch immer ungelösten Folgen https://www.gegenstroemung.org/web/blog/der-dammbruch-von-mariana-und-seine-noch-immer-ungeloesten-folgen/ Sun, 22 Apr 2018 13:31:34 +0000 http://www.gegenstroemung.org/web/?p=1720 Am 5. November 2015 brach der Damm eines Rückhaltebeckens bei Mariana im brasilianischen Bundesstaat Minas Gerais. Millionen Kubikmeter Eisenerzschlammreste zerstörten ein Dorf, 19 Menschen kamen ums Leben. Tausende Fischer im Einzugsbereich des Rio Doce wurden arbeitslos, 3,5 Millionen Menschen waren monatelang von der regulären Wasserversorgung abgeschnitten. Der Rio Doce, der „süße Fluss“, wird noch auf Jahrzehnte zerstört sein. Bis heute haben die Verantwortlichen die Millionenstrafzahlungen wegen großer Fahrlässigkeit nicht gezahlt.

Christian Russau von GegenStrömung wird im April und im Mai auf zwei Veranstaltungen über das größte Bergwerksunglück aller Zeiten und dessen Folgen hinweisen.

26. April 2018, Osnabrück: Das größte Bergwerksunglück aller Zeiten – Was hat Brasilien mit uns zu tun?

Am 5. November 2015 brach der Damm eines Rückhaltebeckens bei Mariana im brasilianischen Bundesstaat Minas Gerais. Millionen Kubikmeter Eisenerzschlammreste zerstörten ein Dorf, 19 Menschen kamen ums Leben. Tausende Fischer im Einzugsbereich des Rio Doce wurden arbeitslos, 3,5 Millionen Menschen waren monatelang von der regulären Wasserversorgung abgeschnitten. Der Rio Doce, der „süße Fluss“, wird noch auf Jahrzehnte zerstört sein. Bis heute haben die Verantwortlichen die Millionenstrafzahlungen wegen großer Fahrlässigkeit nicht gezahlt.

Der Referent Christian Russau ist Autor und Umwelt- und Menschenrechtsaktivist aus Berlin. Er arbeitet u.a. beim Netzwerk der Brasilienkoordinationsgruppen (KoBra) mit und ist Vorstandsmitglied des Dachverbands der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre. Die Folgen unseres auf imperialer Lebensweise basierenden Konsums sollen im Mittelpunkt des Vortrages und der Diskussion mit dem Publikum stehen.

Termin: 26. April, 20.00 Uhr
Veranstalter: Lateinamerika-Arbeitskreis im A3W

Ort: Lagerhalle
Rolandsmauer 26
49074 Osnabrück

17. Mai 2018 in Berlin: Schmutzige Profite. Deutsche Banken und ihre menschenrechtliche Verantwortung: Der Fall des Dammbruchs von Mariana in Brasilien
Lesley Burdock wird die aktuelle Studie von Facing Finance, „Dirty Profits“ vorstellen, in der die Zusammenhänge zwischen einzelnen Bergbauunternehmen und den Europäischen Banken kritisch beleuchtet werden. Anschließend diskutieren unsere brasilianischen Gäste María José Horta Carneiro Silva (eine direkt Betroffene) und Joceli Andrioli von der brasilianischen Bewegung der Staudammbetroffenen (MAB) mit Susanne Friess von Misereor und Christian Russau vom Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika und GegenStrömung über diese Fragen. Maike Drebes von der Friedrich-Ebert-Stiftung wird die Veranstaltung moderieren.

Anmeldungen bitte bis zum 7. Mai 2018 über unsere FES Webseite: www.fes.de/gpol oder unter Lena.Schill(ät)fes.de.

Zeit: 17. Mai 2018 von 17:30-20:00 Uhr
Ort: in der Friedrich-Ebert-Stiftung e.V., Hiroshimastraße 28, 10785 Berlin, Haus 2, 6. Etage – Raum 6.01

]]>
Dammbruch Mariana: Staatsanwaltlicher Mahnbrief an die Stiftung Fundação Renova der Firmen Samarco, Vale und BHP Billiton https://www.gegenstroemung.org/web/blog/dammbruch-mariana-staatsanwaltlicher-mahnbrief-an-die-stiftung-fundacao-renova-der-firmen-samarco-vale-und-bhp-billiton/ Fri, 06 Apr 2018 11:24:00 +0000 http://www.gegenstroemung.org/web/?p=1714 Sieben Staatsanwaltschaften sprechen deutliche Warnung an die Stiftung Fundação Renova der Firmen Samarco, Vale und BHP Billiton wegen Mißachtung der Rechte der Betroffenen aus.

Von Christian Russau

Über zwei Jahre nach dem Samarco-Dammbruch bei Mariana haben in einer nie dagewesenen gemeinsamen Aktion sieben Staatsanwaltschaften einen offiziellen Mahnbrief an die Stiftung Fundação Renova geschickt, in dem sie der Stiftung vorwerfen, bei ihren Wiederaufräum- und Kompensationsmaßnahmen die Rechte der vom Bruch des Fundão-Damms des Rückhaltebeckens der Bergbaufirma Samarco Betroffenen zu mißachten. Unterzeichnet haben den Brief die Bundesstaatsanwaltschaft MPF, die Bundesstaatsanwaltschaft für Arbeitsrecht MPT, die Landesstaatsanwaltschaften von Minas Gerais, MP-MG, und von Espírito Santo, MP-ES, sowie die Verteidigungsstaatsanwaltschaften Defensoria Pública des Bundes DPU sowie der Bundesstaaten Minas Gerais DP-MG und der von Espírito Santo DP-ES.

Die sieben Staatsanwaltschaften werfen der Stiftung Fundação Renova vor, den Tausenden von Betroffen nicht hinreichend Zugang zu Informationen zu gewähren und dabei der gerichtlich verordneten kostenlosen Zurverfügungstellung angemessenen Rechtsbeistands nicht nachzukommen. Zudem erfolge die Kadastrierung der Betroffenen, die die Grundlage für Wiedergutmachung und Entschädigung der erlittenen Verluste und Schäden ist, nicht in hinreichendem Maße, da zu viele Hürden und Hindernisse im Ablauf der eigentlich vorgeschriebenen Kadastrierungsprozesse zu verzeichnen seien und die erklärte Absicht der Stiftung, die Kadastrierung bis Mitte dieses Jahres per Stichtagsregelung abzuschließen, berge die Gefahr, dass zu viele der Betroffenen eventuell nie zu einer Kadastrierung ihrer berechtigten Anliegen gelangen könnten. Hinzu kommt der schwerwiegendste aller Vorwürfe, die die Staatsanwaltschaften der Stiftung Fundação Renova sowie den Firmen Samarco, Vale und BHP Billiton gegenüber erheben: die bisherigen Maßnahmen zu Wiedergutmachung und zu Entschädigung der erlittenen Verluste und Schäden der Betroffenen seien bei weitem nicht ausreichend. Dies beträfe sowohl die Anwohner, deren Häuser und Grundstücke direkt zerstört wurden, die Angehörigen, deren Familienmitglieder durch die Schlammwelle aus dem Tailing-Bruch getötet wurden, die Fischer, die ihr Auskommen verloren haben und von denen die Fundação Renova nur diejenigen wohnend in einem Radius von einem Kilometer entlang der Flussläufe als betroffen kadastrieren und anerkennen mag, sowie die unbekannte Zahl der Anrainer (Schätzungen der Rückversicherungsgesellschaft Terra Brasis gehen von 3,5 Millionen betroffenen Menschen aus), deren Wasserversorgung monatelang, in etlichen Fälle bis heute in Mitleidenschaft beziehungsweise ganz unterbrochen wurde. Von den Millionen Kubikmetern Klärschlamms der Eisenbergbaureste, die noch immer entlang der Ufer und in den Flussläufen sowie in der Meeresmündung des Rio Doce noch immer abgelagert liegen, und den daraus resultieren gravierenden Umweltschäden, gar nicht erst zu sprechen.

Die sieben Staatsanwaltschaften haben sich daher entschlossen, in einem gemeinsamen Brief an die Stiftung Fundação Renova diese Mißstände anzuprangern und haben der Stiftung eine Frist von 20 Tagen gesetzt, in der sie auf diese Vorwürfe reagieren müsse.

Die Stiftung Fundação Renova war infolge einer Übereinkunft zwischen den Regierungen von Bund und der zwei betroffenen Bundesstaaten, der beteiligten Staatsanwaltschaften sowie der Firmen Samarco, Vale und BHP Billiton gegründet worden, um die immensen Umweltschäden des Dammbruchs zu reparieren. Kritiker werfen den Firmen und den verschiedenen beteiligten Regierungen vor, bei der Einsetzung der Stiftung Renova ausgerechnet den Wolf im Schafspelz oder besser den Bock des Gärtners als Oberaufseher für die Kompensationsmaßnahmen und Verhandlungen mit den Betroffenen gemacht zu haben. Statt die Betroffenen und die engagierte Zivilgesellschaft sowie unabhängige Wissenschaftler in die Stiftungsgremien aufzunehmen und dergestalt zu garantieren, dass die Stimmen der Betroffenen gehört und respektiert werden, entsched man sich für die Lösung aus Firmen- und Beamtenvertretern in den Organen der Stiftung.

Bei Mariana im Bundesstaat Minas Gerais war am 5. November 2015 der Damm des Erzbergwerk-Tailings von Samarco gebrochen. Millionen Kubikmeter an Bergwerksschlamm aus der Eisenerz-Mine der Firma Samarco und ein Tsunami aus Schlamm zerstörte mehrere Dörfer, 349 Häuser, Schulen und Kirchen. Die Flüsse Rio Gualaxo do Norte, Rio do Carmo und Rio Doce wurden verseucht. Insgesamt starben 19 Menschen. Samarco ist eine Aktiengesellschaft, die zu gleichen Teilen im Besitz der australisch-britischen BHP Billiton Brasil Ltda. und der brasilianischen Vale S.A. steht. Laut Erhebung der US-amerikanischen Beraterfirma Bowker Associates stellt die Katastrophe von Mariana einen Dreifach-Negativ-Rekord in der Geschichte des Bergbaus dar:

Die Menge an ausgetretenem Schlamm: 32 bis 62 Millionen Kubikmeter.
Die Größe des betroffenen Gebiets: 680 Kilometern Flusslauf
Die Schadenshöhe: 5 bis 55 Milliarden USD.

Bis heute warten die betroffenen Menschen auf den Wiederaufbau ihrer Häuser und Dörfer und auch auf angemessene Entschädigung.

]]>
Zerstörter Rio Doce: Klage des Flusses als eigenes Rechtssubjekt durch NGO eingereicht https://www.gegenstroemung.org/web/blog/zerstoerter-rio-doce-klage-des-flusses-als-eigenes-rechtssubjekt-durch-ngo-eingereicht/ Mon, 13 Nov 2017 14:47:25 +0000 http://www.gegenstroemung.org/web/?p=1603 Die brasilianische Verfassung sieht einen solchen Rechtsschutz als eigenständiges Rechtssubjekt für einen Fluss eigentlich nicht vor, aber die die Klage einreichende Organisation Pachamama argumentiert, dass Brasilien mehrere internationale Übereinkommen unterzeichnet und ratifiziert habe, aus denen sich ein solcher Rechtsschutz ableiten liesse.

Von Christian Russau

Nach den Flüssen Whanganui in Neuseeland, dem Ganges im indischen Bundesstaat Uttarakhandde und den Flüssen Ecuadors, denen die Verfassung seit einigen Jahren gurndlegende Rechte als eigenständiges Rechtssubjekt zuspricht, soll nun auch dem Rio Doce in Brasilien dieses Recht zuteil werden. Dies zumindest versucht die in mehreren lateinamerikanischen Ländern aktive Stiftung Pachamama erreichen. Diese hat anlässlich des zweiten Jahrestages des Dammbruchs des Rückhaltebeckens des Bergwerks der Firma Samarco bei Mariana Klage im Namen des Flusses Rio Doce eingereicht und fordert dessen Anerkennung als eigenständiges Rechtssubjekt. Die Klage richtet sich gegen die brasilianische Bundesregierung sowie gegen den Bundesstaat Minas Gerais. “Zum ersten Mal in der Geschichte Brasiliens erhebt ein Fluss selbst Klage. Der Rio Doce, der das größte Umweltdesaster in der Geschichte Brasiliens erlebte, verlangt rechtlichen Schutz gegen künftige Desaster”, erklärte der die Klage einreichende Rechtsanwalt, Lafayette Garcia Novaes Sobrinho.
Garcia Novaes Sobrinho begründete die Einreichung der Klage damit, dass die brasilianische Verfassung einen solchen Rechtsschutz als eigenständiges Rechtssubjekt für einen Fluss eigentlich nicht vorsieht, aber der Anwalt argumentiert, dass Brasilien mehrere internationale Übereinkommen unterzeichnet und ratifiziert habe, aus denen sich ein solcher Rechtsschutz ableiten liesse. Die Direktorin der Stiftung Pachamama, Graziella Beck, erklärte, wenn der Rio Doce in Zukunft als eigenständiges Rechtssubjekt gelte, dann würde dies den Fluss in Zukunft in seiner Natürlichkeit bewahren und ihn vor weiteren solcher Unfälle schützen, denn dann müsste der Staat viel strenger das Vorsorgeprinzip walten lassen.
Am 5. November 2015 brach der Damm des Rückhaltebeckens Fundão nahe der Kleinstadt Mariana im Bundesstaat Minas Gerais in Brasilien. Millionen Kubikmeter an Bergwerksschlamm aus der Eisenerz-Mine der Firma Samarco brach und ein Tsunami aus Schlamm zerstörte mehrere Dörfer, 349 Häuser, Schulen und Kirchen… Die Flüsse Rios Gualaxo do Norte, Rio do Carmo und Rio Doce wurden verseucht. Insgesamt starben 19 Menschen. Samarco ist eine Aktiengesellschaft, die zu gleichen Teilen im Besitz der australisch-britischen BHP Billiton Brasil Ltda. und der brasilianischen Vale S.A. steht.
Laut Erhebung der US-amerikanischen Beraterfirma Bowker Associates stellt die Katastrophe von Mariana einen Dreifach-Negativ-Rekord in der Geschichte des Bergbaus dar: 1.) Die Menge an ausgetretenem Schlamm: 32 bis 62 Millionen Kubikmeter, 2.) Die Größe des betroffenen Gebiets: 680 Kilometern Flusslauf, 3.) Die Schadenshöhe:  5 bis 55 Milliarden USD.
Bis heute warten die meisten der Betroffenen auf Wiederaufbau ihrer Häuser und Dörfer und auch Entschädigung.
Eine umfassende Multimedia-Reportage zum Desaster am Rio Doce finden Sie hier: Schlamm der Zerstörung und des Unrechts. Im November 2015 brach nahe Mariana in Brasilien ein Rückhaltedamm des Bergbau-Unternehmens Samarco. Seither kämpft eine ganze Region mit den massiven sozialen und ökologischen Folgen dieser Katastrophe

]]>
Schlamm der Zerstörung und des Unrechts // A lama da destruição // The mud that brought destruction https://www.gegenstroemung.org/web/blog/schlamm-der-zerstoerung-und-des-unrechts-a-lama-da-destruicao-the-mud-that-brought-destruction/ Tue, 24 Oct 2017 08:06:07 +0000 http://www.gegenstroemung.org/web/?p=1591 Multimedia-Text auf Portugiesisch, Englisch und Deutsch (in Kürze auch auf Französisch und Spanisch) zum Dammbruch der Firma Samarco (Vale und BHP Billiton) bei Mariana im Bundesstaat Minas Gerais.

Am 5. November 2015 brach der Damm des Rückhaltebeckens Fundão nahe der Kleinstadt Mariana im Bundesstaat Minas Gerais in Brasilien. Millionen Kubikmeter an Bergwerksschlamm aus der Eisenerz-Mine der Firma Samarco brach und ein Tsunami aus Schlamm zerstörte mehrere Dörfer, 349 Häuser, Schulen und Kirchen…

Die Flüsse Rios Gualaxo do Norte, Rio do Carmo und Rio Doce wurden verseucht. Insgesamt starben 19 Menschen. Samarco ist eine Aktiengesellschaft, die zu gleichen Teilen im Besitz der australisch-britischen BHP Billiton Brasil Ltda. und der brasilianischen Vale S.A. steht.

Laut Erhebung der US-amerikanischen Beraterfirma Bowker Associates stellt die Katastrophe von Mariana einen Dreifach-Negativ-Rekord in der Geschichte des Bergbaus dar: 1. Die Menge an ausgetretenem Schlamm: 32 bis 62 Millionen Kubikmeter, 2. Die Größe des betroffenen Gebiets: 680 Kilometern Flusslauf, 3. Die Schadenshöhe: 5 bis 55 Milliarden USD.

Bis heute warten die betroffenen Menschen auf Wiederaufbau ihrer Häuser und Dörfer und auch Entschädigung.

Das Multimedia-Dossier mit Text, Videos und Bildern gibt es in folgenden Sprachen:

Em Português: A lama da destruição. A barragem da Samarco que rompeu perto de Mariana – e a longa luta por direitos e justiça

In English: The mud that brought destruction. The Samarco dam that burst near Mariana – and the long struggle for rights and justice

Auf Deutsch: Schlamm der Zerstörung und des Unrechts. Im November 2015 brach nahe Mariana in Brasilien ein Rückhaltedamm des Bergbau-Unternehmens Samarco. Seither kämpft eine ganze Region mit den massiven sozialen und ökologischen Folgen dieser Katastrophe.

// christian russau

]]>
Brasilien: Strafprozess gegen 22 Angeklagte wegen des Dammbruchs der Samarco von Justiz gestoppt https://www.gegenstroemung.org/web/blog/brasilien-strafprozess-gegen-22-angeklagte-wegen-des-dammbruchs-der-samarco-von-justiz-gestoppt/ Wed, 09 Aug 2017 12:52:51 +0000 http://www.gegenstroemung.org/web/?p=1543 Opfergruppen zeigen sich empört über die Justizentscheidung.

Von Christian Russau

Der am 8. November 2016 angestrengte Strafprozeß um die Vorgänge und für die Verantwortung für den Dammbruch des Rückhaltebeckens der brasilianischen Firma Samarco vom 5. November 2015 bei Mariana im Bundessstaat Minas Gerais wurde am 4. Juli dieses Jahres, wie vor Kurzem erst bekannt wurde, vom zuständigen Bundesrichter gestoppt. Dieser folgte laut Presseberichten damit dem Antrag der Verteidigung der vier angeklagten Firmen – Samarco, Vale, BHP Billiton e VogBR – sowie der 22 angeklagten Personen, die eine Einstellung des Prozesses gefordert hatte.

Der Richter Jacques de Queiroz Ferreira sah es als erwiesen an, dass die von der Staatsanwaltschaft erhobenen Belege nicht konform der Gesetzes- und Verfahrensvorschriften erhoben worden seien. So sei die vorherige richterliche Erlaubnis zur Auswertung abgehörter Telephonverbindungsdaten der Angeklagten nicht konform dem Zeitraum der von der Bundespolizei und der Staatsanwaltschaft tatsächlich ermittelten Abhördaten gewesen. Die Bundespolizei und Staatsanwaltsvhaft bestreiten dies, legten ihrerseits die entsprechenden Daten erneut vor, doch der Bundesrichter wies ihr Argument zurück. Des Weiteren, so der Richter, habe sich die richterliche Abhörerlaubnis und Aufhebung der geschützten Privatsphäre der Angeklagten in den Fragen von Chat- und Emailprotokollen eigentlich nur auf Daten aus dem Zeitraum zwischen dem 1. Oktober 2015 und dem 30. November 2015 bezogen. Die Firma Samarco habe aber Daten auch aus den Jahren 2011, 2012, 2013 und 2014 vorgelegt, so dass diese Daten im Prozess keine Verwendung hätten finden dürfen. Der Richter Jacques de Queiroz Ferreira stellte daraufhin den Strafprozeß ein, die Berufung gegen diese Entscheidung ist aber weiterhin möglich.

Die Bewegung der Staudammbetroffenen (Movimento dos Atingidos por Barragem -MAB) im Bundesstaat Minas Gerais erklärte, diese gerichtliche Entscheidung sei „eine Schande. Diese Entscheidung ist die einzige Art von Antwort, die die Justiz in der Lage ist, den Betroffenen und der ganzen brasilianischen Gesellschaft 21 Monate nach dem Verbrechen zu geben. Sie bestärkt uns Betroffene einmal mehr in dem kompletten Unglauben an ein Justizwesen, das im Interesse der Bergbaukonzerne agiert“, so die Erklärung von MAB.

Am 5. November 2015 war der Damm des Rückhaltebeckens Fundão, im Munizip von Mariana im Bundesstaat Minas Gerais in Brasilien, gebrochen. Millionen Kubikmeter von Restschlamm aus Eisenbergbau der Firma Samarco, einer Aktiengesellschaft zu gleichen Teilen im Besitz der anglo-australischen BHP Billiton und der brasilianischen Vale S.A., formten einen Tsunami aus Schlamm, der mehrere Dörfer zerstörte, 349 Häuser, Schulen und Kirchen dem Erdboden gleichmachte und die Flüsse Rios Gualaxo do Norte, Rio do Carmo und Rio Doce verseuchte. Insgesamt starben 19 Menschen.

Laut Erhebung der US-amerikanischen Consulting Bowker Associates stellen der Dammbruch und das Auslaufen von Millionen von Kubikmetern Klärschlamms
(die Schätzungen schwanken zwischen 32 und 62 Millionen Kubikmetern), die Länge der Zerstörung entlang 680 Kilometern sowie die Schäden – 
Schätzungen belaufen sich auf zwischen umgerechnet 5 und 55 Milliarden US-Dollar – den Dreifach-Negativ-Rekord in der Geschichte des Bergbaus dar.

In Bezug auf Wiederaufbau und Entschädigung – da warten die betroffenen Menschen noch heute auf Gerechtigkeit.

 

]]>
Hannover Rück: Kritik an Rückversicherungen für umstrittene Dämme https://www.gegenstroemung.org/web/blog/hannover-rueck-kritik-an-rueckversicherungen-fuer-umstrittene-daemme/ Thu, 11 May 2017 11:56:23 +0000 http://www.gegenstroemung.org/web/?p=1440 Thilo Papacek von GegenStrömung sprach am 10. Mai auf der Jahreshauptversammlung der Hannover Rück zu den Versicherungen der Firma von umstrittenen Großprojekten wie dem Staudamm Hidrosogamoso in Kolumbien und dem im November 2015 gebrochenen Damm des Rückhaltebeckens der brasilianischen Bergbaufirma Samarco.

Thilo Papacek kritisierte, dass die Hannover Rück solch „hochriskante Projekte rückversichert, ohne dem Vorsorgeprinzip zu Folgen, wie es Prinzip 7 des Global Compact fordert“, an dem der Rückversicherer sich nach eigenen Angaben orientiert. „Ich will mit meinen Ausführungen nicht sagen, die Hannover Rück sei schuld an diesen menschenrechtlichen, sozialen und ökologischen Katastrophen. Aber ich fordere Sie auf, in Zukunft derartige sozio-ökologisch riskante Projekte nicht mehr rückzuversichern. Vom drittgrößten Rückversicherer der Welt wäre dies ein starkes Signal an Betreibergesellschaften und Investoren, sich in Zukunft mehr um die Einhaltung von menschenrechtlichen, sozialen und ökologischen Normen zu sorgen.“

> Rede Thilo Papacek (GegenStrömung)
> Pressebericht im Neuen Deutschland (11.5.2017)

]]>