Tailings – GegenStrömung https://www.gegenstroemung.org/web Fri, 17 Apr 2020 10:23:05 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.7.1 Brasilien schließt 47 bruchgefährdete Rückhaltebecken https://www.gegenstroemung.org/web/blog/brasilien-schliesst-47-bruchgefaehrdete-rueckhaltebecken/ Fri, 17 Apr 2020 10:18:20 +0000 http://www.gegenstroemung.org/web/?p=2039 [Beitragsphoto: Fluss Rio Doce nach Dammbruch von Mariana. Photo: christian russau]

Brasilien hat per Verfügung 47 Rückhaltebecken von Bergbaubetrieben mit sofortiger Wirkung geschlossen. Diese sogenannten Tailings hatten den Stichtag 31. März dieses Jahres zur Einreichung die Sicherheit und Stabilität der Dämme garantierender Audits nicht eingehalten.

31 der Dämme konnten die hinreichenden Belege zur Dammsicherheit nicht vollständig beibringen, bei 16 Dämmen waren gar keine Unterlagen eingereicht worden. Laut der Gewerkschaft IndustriAll befinden sich unter den nun geschlossenen 47 Dämmen über die Hälfte im Besitz des brasilianischen Bergbaugiganten Vale.

Bei keinem der 47 Dämme darf von nun an mehr Material abgelagert werden, die Betreiber und Inhaber der 16 Dämme, die keine Unterlagen eingereicht hatten, müssen nun zudem mit einer behördlichen Strafzahlung rechnen. 37 der bruchgefährdeten Dämme befinden sich im Bundesstaat Minas Gerais.

Minas Gerais war 2015 und 2019 Schauplatz der zwei größten Bergwerksbrüche aller Zeiten: Mariana und Brumadinho.

Am 5. November 2015 brach bei der Kleinstadt Mariana das Rückhaltebecken Fundao, in der Mine Germano der Firma Samarco (im gleichanteiligen Besitz von Vale und BHP Billiton). Millionen Kubikmeter an Bergwerksschlamm aus der Eisenerz-Mine der Firma Samarco und ein Tsunami aus Schlamm zerstörte mehrere Dörfer, 349 Häuser, Schulen und Kirchen. Die Flüsse Rio Gualaxo do Norte, Rio do Carmo und Rio Doce wurden verseucht – Fischfang ist entlang der 680 Kilometer Flusslauf bis heute nicht möglich, ein Desaster für Tausende von KleinfischerInnen, die damit ihren Lebensunterhalt bestreiten. Insgesamt starben 19 Menschen. Laut Erhebung der US-amerikanischen Beraterfirma Bowker Associates stellte die Katastrophe von Mariana einen Dreifach-Negativ-Rekord in der Geschichte des Bergbaus dar: 1. Die Menge an ausgetretenem Schlamm: 32 bis 62 Millionen Kubikmeter, 2. Die Größe des betroffenen Gebiets: 680 Kilometern Flusslauf, 3. Die Schadenshöhe: 5 bis 55 Milliarden USD.

Am 25. Januar 2019 brach in der Nähe der Kleinstadt Brumadinho, rund 25 Kilometer südwestlich des Landeshauptstadt Belo Horizonte, ein Damm eines Rückhaltebeckens für die Erzschlammreste der Mine Corrego do Feijao. 370 Menschen starben, so genau weiß das niemand bis heute, denn noch immer werden Menschen vermisst. Die Betreiberfirma von Mine und Rückhaltebecken, die brasilianische Bergbaufirma Vale, erklärte, in dem gebrochenen Becken hätten sich 11,7 Millionen Kubikmeter Erzschlammreste befunden. Nachdem der Damm des ersten Rückhaltebeckens gebrochen war, flutete der Erzschlamm das nächstgelegene Rückhaltebecken und überflutete dieses. Der sich ins Tal ergießende Schlammtsunami hatte unter anderem eine Betriebskantine mit sich gerissen, in der gerade viele Arbeiter zu Mittag aßen, Busse, in denen Arbeiter saßen, die von oder zur Betriebsschicht fuhren, mindestens ein Dorf wurde zerstört und auf hunderten Kilometern ist der vom Schlamm geflutete Fluss Paraopeba biologisch tot.

// christian russau

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Neue UNEP-Studie fordert dringend mehr Sicherheit für Dammrückhaltebecken im Bergbau https://www.gegenstroemung.org/web/blog/neue-unep-studie-fordert-dringend-mehr-sicherheit-fuer-dammrueckhaltebecken-im-bergbau/ Wed, 20 Dec 2017 13:22:05 +0000 http://www.gegenstroemung.org/web/?p=1642 Angesichts von verheerenden Dammbrüchen wie dem Dammbruch Mount Polley, Canada, oder dem Dammbruch der Samarco in Minas Gerais, Brasilien, und weiteren schweren Unfällen bei tailings, also Rückhaltebecken im Bergbau, fordert das Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNEP in dem neuen Bericht „Mine Tailings Storage: Safety Is No Accident. A UNEP Rapid Response Assessment“, dass Staaten und Firmen dringend mehr für die Sicherheit der Tailings Sorge tragen müssten.

Von Christian Russau

Das Internetportal Mongabay berichtet am 19. Dezember in einem Hintergrundbericht über erschreckende Zahlen bei der (Un-)Sicherheit von tailings, also Rückhaltebecken im Bergbau.

Schätzungen zufolge starben zwischen 2008 und 2017 mehr als 340 Menschen, Gemeinden wurden verwüstet, Eigentum ruiniert, Flüsse kontaminiert, Fischgründe zerstört und Trinkwasser, das durch Bergbauabraumhalden verschmutzt wurde, wurde verseucht. Nach Schätzungen aus dem Jahr 2000 beläuft sich die Gesamtzahl der Tailing-Abraumhalden global auf 3.500, genaue Zahlen kennt aber niemand. Daher fordert das Umweltprogramm der Vereinten Nationen, dass endlich eine weltweite Database zu Abraumhalden und Rückhaltebecken im Bergbau erstellt werden müsse, nicht zuletzt angesichts der drohenden massiven Ausbauplänen des Bergbaus weltweit.

Der neue Bericht des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) besagt, dass die Bergbauproduktion weltweit ansteigt, um die für eine Vielzahl industrieller Bedürfnisse erforderlichen Mineralien und Metalle zu liefern, einschließlich sogenannter „grüner“ Technologien, sei es für Windräder oder für die Energiewende im Allgemeinen. Der UNEP-Bericht empfiehlt explizit, dass die Bergbauunternehmen ein „Zero-Failure-Ziel“ in Bezug auf Tailings-Staudämme anstreben sollten. Die UNEP empfiehlt zudem auch die Einrichtung eines UN-Umwelt-Stakeholder-Forums zur Unterstützung strengerer internationaler Regelungen für Abraumhalden und die Schaffung einer globalen Datenbank von Minenstandorten und Abraumlagern, um dergestalt endlich überhaupt eine Datenbasis zur Verfolgung von potentiellen und erfolgten Dammbrüchen zu haben.

Mongabay interviewt unterschiedliche Fachleute, Experten und Stakeholder und verweist auf das hohe Risiko bei Dammbrüchen, die bei nass gelagertem Abraum entstehe. Laut den von Mongabay zitierten Experten wäre eine Idee, diejenigen Absetzdämme zu verbieten und abzuschaffen, die durch ihr höheres Bruchrisiko einfach zu gefährlich sind, um toleriert zu werden, wie zum Beispiel diejenigen, die ihren Bergwerksabraum nass lagern. So sagen Bergbauexperten, dass es keine Möglichkeit gibt, sich gegen das Scheitern von „nassen Abraumhalden“ zu schützen, wie der 2015 gescheiterte Samarco-Damm – Brasiliens schlimmste Umweltkatastrophe – auf tragische Weise gezeigt hat. Daher empfehlen sie, alle zukünftigen Müllberge über sogenannte „Trockenlager“ zu lagern, also vor der Abraumlagerung das Material zu trocknen, ein Prozess, den viele Bergbaufirmen aber aus Kosten- (und natürlich Profit!-)gründen scheuen wie der Teufel das Weihwasser.

Alan Septoff von Earthworks erklärte telefonisch gegenüber Mongabay: „Die Industrie versucht den Eindruck zu vermitteln, dass die Wahrnehmung dieses Problem zu vernachlässigen sei. Deshalb sollten die Menschen einfach weiter [in diese Firmen und deren umweltriskante Produktionsform] investieren, aber wenn die wahren Kosten dieser Art der Entsorgung bekannt werden, dann würden die Zahlen verantwortungsbewusster Anleger, die in solche Firmen investieren, deutlich sinken.“

Eine Möglichkeit, bereits mittelfristig das Risiko der Dammbrüche zu mindern, ist der Hebel über die Versicherungsgesellschaften. Wenn diese extrem risikobelasteten Nassabraumhalden eh nicht versichert werden können, da den Versicherungen das Risiko dazu zu hoch sei, dann sollten die Staaten die Versicherung grundsätzlich zur Pflicht machen. Wenn dann die Prämien dem Risiko angemessen exorbitant steigen, dann würde sich die Frage nach den Nassabraumhalden bald nicht mehr stellen, weil sie dann schlicht nicht mehr gebaut werden würden. Ein weiterer Schritt hin auf dem Weg zu mehr Sicherheit könnte das Verbot (oder in einem ersten Schritt: die Weigerung der Versicherungskonzerne, solche „Upstram“-Dämme überhaupt zu versichern) von sogenannten „Upstream“-Dämmen sein, die suksessive aufeinander aufbauend Tailing-Damm-Sicherheit vorgaukeln, aber in Wahrheit ein erheblich höheres Bruchrisiko als sogenannte „Center“- oder „Downstream“-Dämme aufweisen, die eben teurer, aber deutlich sicherer sind. Dies wäre sogar ein kurzfristiger Schritt, der auf gesetzlicher Basis schnell Wirkung bei Neubauten und Genehmigungen erzielen könnte.

Den ganzen Hintergrundbericht bei Mongabay lesen: https://news.mongabay.com/2017/12/mine-tailings-dam-failures-major-cause-of-environmental-disasters-report/

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