Teles Pires – GegenStrömung https://www.gegenstroemung.org/web Fri, 21 Aug 2020 09:28:42 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.7.1 Wiederholtes Fischsterben durch EDF-Wasserkraftwerk Sinop am Teles Pires-Fluss https://www.gegenstroemung.org/web/blog/wiederholtes-fischsterben-durch-edf-wasserkraftwerk-sinop-am-teles-pires-fluss/ Fri, 21 Aug 2020 09:26:01 +0000 http://www.gegenstroemung.org/web/?p=2088 Betreiberin sieht Fischsterben als normalen Vorgang, der in der Umweltgenehmigung vorgesehen ist.

Zum wiederholten Male sind hunderte von Fischen verschiedener Arten im Fluss Teles Pires infolge des Betriebs des Wasserkraftwerks Sinop in den Bezirken Cláudia und Itaúba, 70 Kilometer von der Kleinstadt Sinop entfernt im zentralbrasilianischen Bundesstaat Mato Grosso, gestorben. Das 400-MW-Wasserkraftwerk liegt in direkter Anbindung an die Soja-Route der Bundesstraaße BR-163. Zunächst gab es mehrere Berichte von Fischer:innen, die eine große Anzahl von Piau, Matrinchã, Pacu, Curimba, Cachara, Tucunaré und anderen Arten tot im Wasser treibend in der Nähe des Staureservoirs des Wasserkraftwerks sichteten. Die Fischer:innen nahmen Bilder von den vielen toten Fischen unterschiedlicher Größe und Gewicht auf, die an den Ufern des Flusses lagen.

Die Betreiberfirma des Wasserkraftwerks, die Companhia Energética Sinop, die unter anderem der franzöischen EDF gehört, teilte zu dem Vorgang auf ihrer Webseite mit, dass „infolge der Dürre der Wasserstand des Reservoirs bis nahe an die Minimalgrenze gesunken ist und die Kraftwerksblöcke gestoppt werden mussten. Vor diesem Hintergrund wurden entlang des Kraftwerkstaudamms schwimmende Fischarten beobachtet. Sofort beauftragte das Unternehmen die Teams mit der Abholung der Kadaver und ihrem korrekten Bestimmungsort“. Presseberichten zufolge war der Wasserspiegel wegen Trockenheit stark gefallen, so dass die Turbinen abgeschaltet und die Überläufe geschlossen werden mussten. Zur Ursache erklärte die Companhia Energética Sinop: „Die aquatische Umwelt in der Nähe des Reservoirs kann sich vorübergehend verändern und sich gelegentlich auf die Fische auswirken. Es ist jedoch erwähnenswert, dass diese Art von Manöver zum Betrieb eines Wasserkraftwerks gehört und in der Umweltgenehmigung vorgesehen ist. Die Standortbedingungen werden beobachtet, um die Hypothese des eingetretenen Ereignisses unter Berücksichtigung der verschiedenen Aspekte zu bewerten, damit so schnell wie möglich die geeigneten Maßnahmen ergriffen werden können. Die Companhia Energética Sinop bekräftigt, dass sie die Gesetzgebung und die Umweltgenehmigungen einhält und ihr Engagement für die Umwelt und die Erzeugung sauberer und erneuerbarer Energie schätzt“, sagt das Unternehmen.

Doch lokale Medien wollten diese Erklärung nicht so einfach stehen lassen. Laut Aussage eines anonym bleibenden Spezialisten war die Folge der Schließung der Anlage stehendes Gewässer, in dem es schnell an Sauerstoff für die im Wasser lebenden Fische mangelte. Denn, so der Spezialist, laut Umweltgenehmigung hätte die Firma vor Flutung des Staureservoirs bis zu 80 Prozent der im Gelände vorhandenen Vegetation entfernen müssen, damit diese absterbende Biomasse nicht später klimaschädliches Methan in die Umwelt entlasse und auch nicht zur Umkippung des Sees beitragen dürfe. Laut dem anonymen Spezialisten habe die Firma aber statt 80 nur 30 Prozent der Biomasse entfernt.

Die Umweltbehörden widersprechen zudem der Firma, dass Vorgänge wie solch ein Fischsterben durch die Umweltfolgenstudie als eine mögliche Folge definiert worden sei, die qua Umweltgenehmigung erlaubt wäre. Denn dies sind zwei verschiedene Sachen. Eine ist die Warnung vor dem Ereignis in der Umweltfolgenstudie, die andere wäre, dass die Umweltgenehmigung dies erlauben würde. (https://www.sonoticias.com.br/geral/sinop-tem-nova-mortandade-de-peixes-no-teles-pires/)

Dies war nicht das erste Fischsterben wegen des Wasserkraftwerks Sinop. Bereits im Februar 2019 starben rund 13 Tonnen Fisch und erst im März 2020 kam es damaligen Presseberichten zufolge „zum größten Fischsterben seit der Inbetriebnahme des Wasserkraftwerkes“.

Dabei ist es seit Jahren bekannt, welche schwerwiegenden Auswirkungen Staudämme und Wasserkraftwerke auf die Fischbestände haben.

Beispiel Rio Madeira: Der Bau der zwei Staudämme am Rio Madeira, Jirau und Santo Antonio, hat zu einem Rückgang der Fischbestände um 40 Prozent geführt. Dies ging aus einer wissenschaftlichen Studie der Universidade Federal do Amazonas hervor, aus der brasilianische Medien berichteten. Laut Rogério Fonseca von der Universidade Federal do Amazonas und Ko-Autor der in Umweltzeitschrift Revista Ambio zusammengefassten Studie habe der durch die Staudammbauten veränderte Wasserfluss und die durch die Wehrfunktion der Dämme behinderte Fischdurchgängigkeit zu einem massiven Rückgang der Fischpopulationen und mithin der Erträge der Fischerinnen und Fischer geführt. Allein im Munizip Humaitá beliefen sich die Ertragsverluste demnach auf 342 Millionen Reais. In einigen Fällen berichteten die Fischerinnen und Fischer, dass sich ihr Fangergebnis von 200 bis 300 Kilo auf rund 50 Kilo reduziert habe. Der Pressebericht gab aber keine Erklärung über den Zeitrahmen dieser Fanggrößen an. Hinzu käme aber, so Rogério Fonseca, dass etliche der Fischerinnen und Fischer, die ihren Lebensunterhalt nicht mehr wie zuvor bestreiten könnten, sich illegalen Tätigkeiten, wie Holzfällen, Goldschürferei oder Landtitelbetrug zugewandt hätten, um ihr finanzielles Überleben zu sichern.

Jirau und Santo Antonio sind in den Medien zwei alte Bekannte. Jirau und Santo Antonio wurden 2011 berühmt-berüchtigt durch die Arbeiter*innenproteste von zigtausenden Arbeiter*innen, die sich gegen die schlechte Bezahlung, schlechte Unterbringung und Verpflegung zur Wehr setzten. Jahre später schlug vor allem der Arbeitsstreik und die Revolte juristische Kapriolen zwischen Brasilien und Großbritannien, weil die Versicherer und Baufirmen sich um die Frage stritten, wer die Kosten für die Arbeiter:innenrevolte zu tragen habe und welcher Gerichtsort für die Klärung dieser Fragen zuständig sei: Die eigentlich zuständigen Gerichte in Brasilien oder der in den Beschaffungsverträgen (illegal, da gegen die Brasilianische Verfassung verstoßend) niedergeschriebenen Gerichtsort London des privaten Schiedsgerichtes Arias. Auch hier, nur en passant, zur Erinnerung die Namen der beiden großen Versicherungsunternehmen aus Deutschland, die sich für die Staudämme am Rio Madeira an den Versicherungsdienstleistungen beteiligten und stets betonten, es handele sich dabei um „grüne“ Energie und die Umweltverträglichkeitsprüfungen würden genau studiert, es bestehe keine Gefahr für die Umwelt, und schon gar nicht für die Fischpopulationen: Am Versicherungspool von Santo Antonio beteiligte sich die Münchener Rück, und am Pool von Jirau die Allianz.

Zur Frage der durch Staudammbauten in Amazonien bedrohten Fischarten und den Rückgang der Fischerträge der unzähligen Kleinfischerinnen und -fischer gab es auch beim Bau des damals weltweit drittgrößten Staudamms, Belo Monte (auch hier wieder damals mit dabei: u.a. Allianz und Münchener Rück), viel Ärger, Streit und Ungereimtheiten. Nicht nur stellte sich nach Inbetriebnahme der ersten Turbinen heraus, dass die Turbinen große Bestände der Fische regelrecht zerhacken. Schon vorher gab es Probleme: „Wir lebten vom Fischfang, nun ist da nichts mehr“, berichteten die Flussanwohnerinnen und -anwohner bereits 2011, da sich im Fluss wegen der Bauarbeiten für den Kofferdamm die Fischbestände bereits verringerten. Im gleichen Jahr hatte ein Bundesgericht die Bauarbeiten wegen der Bedrohung der Zierfischerei vor Ort zwischenzeitig gestoppt. Der Fisch im Xingu ist nicht nur Nahrungsquelle für die lokalen Flussanwohnerinnen und -anwohner, das Fangen und der Export von Zierfischen nach Übersee schaffen Arbeit und Einkommen für Hunderte von Familien vor Ort und sicherte deren Überleben. Im Jahr 2012 hatten 800 Fischerinnen und -innen dann die Baustelle von Belo Monte mehrtägig besetzt, um auf den starken Rückgang der Fischbestände hinzuweisen.

All dies hatte die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP), die im Auftrag der Bauherrin erstellt wurde, so nicht vorausgesehen. Die bedrohten Schildkrötenarten fanden Eingang in die UVP, medienwirksam wurden Schildkröteneier umgesetzt, aber Fernsehkameras zeichneten auch das unsachgemäße Verbringen der Eier auf, in ungeschützten Kübeln gestapelt. Die UVP sah einige lokale Fischpopulationen temporär durch die Bauarbeiten beeinträchtigt, aber nicht vom Aussterben bedroht. Dabei hatte selbst die Umweltbehörde Ibama in einer Stellungnahme im November 2009 sich darüber beschwert, dass politischer Druck ausgeübt werde und dass unklar bliebe, was mit dem Fischbestand geschehen wird auf den 100 Kilometern Flusslauf des Xingu, die zu 80 Prozent trocken gelegt werden durch den Staudammbau. Nur: diese Stellungnahme wurde damals leider als nicht öffentlich einsehbar deklariert.

2015 meldete sich eine Gruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die die Fischpopulationen von 400 Spezies des Xingu-Flusses untersucht haben. Die Forscherinnen und Forscher der Bundesuniversität von Pará vermeldeten dabei, zumindest einer der bislang als endemisch nur in der Großen Flussschleife des Xingu geltenden Fische, pacu-capivara (Ossubtus xinguensis), sei durch Belo Monte nun doch nicht vom Aussterben bedroht. Pacu-capivara, ein kleiner Fisch, sei auch flussaufwärts in von Belo Monte unbeeinträchtigten Populationen gesichtet worden. Also keine Gefahr? Nur stellte sich amals heraus, dass die Bundesumweltbehörde Ibama bereits 2010 diesen Fisch explizit als durch den Staudammbau bedroht eingestuft hatte. Wer hatte denn nun recht? Der seit Jahrzehnten in Amazonien lebende und forschende Wissenschaftler Philip Fearnside wies explizit auf die Bedrohung der Fische hin. Denn der Staudammbau behindere massiv die Migrationsbewegungen der Fische – und die lokalen Auswirkungen in der Großen Flussschleife, die bei dann nur noch 20-Prozent-Wasserfluss nicht mehr dem lokalen Habitat der Fische entspräche, trügen auch ihren Teil zur Auslöschung der Populationen bei. Es reicht nicht zu sagen, es gab vor dem Staudammbau ober- wie unterhalb des Staudamms Fischpopulationen, denn es bedarf immer einer Mindestgröße einer Fischpopulation zum Überleben, genauso wie es eben bei Wanderfischen die Fischdurchgängigkeit braucht.

Hinzu kommen grundsätzlich Bedrohungen bei Veränderungen von Fließ- zu Staugewässern mit vermindertem Sauerstoffgehalt in tieferen Wasserschichten. Ähnliche Schlussfolgerungen hatte im Jahr 2009 ein 40-köpfiges Team aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern von Universitäten über Belo Monte gezogen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kritisierten die unvollständigen und mit heißer Nadel gestrickten Umweltstudien scharf, wiesen auf die Widersprüche der Studien hin und mahnten, dass die sozialen Folgen und Konsequenzen für die Umwelt durch das Staudammprojekt Belo Monte schwerwiegend sein würden. Laut ihrer Analyse sind durch Belo Monte schätzungsweise 100 Fischarten bedroht. Bislang sind 26 Fischarten bekannt, die nur am Xingu vorkommen. Würden alle im Amazonasgebiet geplanten Dämme gebaut werden, so die Wissenschaftlerinnen bereits im Jahre 2009, würde dies sogar die Vernichtung von bis zu 1.000 Fischarten bedeuten.

Über das tatsächliche Ausmaß des Artenverlustes gibt es allerdings bis heute kaum verlässliche Angaben, denn die Artenvielfalt vor Ort ist immer noch viel zu wenig erforscht, um abschätzen zu können, welche Verluste durch Großprojekte verursacht werden. Die offizielle Liste der in Brasilien bedrohten Fischarten zählt 133 auf, unabhängige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sprachen einer Studie aus dem Jahr 2015 zufolge von 819 bedrohten Fischarten in Brasilien. Viele Studien, ebenso viele Meinungen. Wer hat denn nun recht? Schwer zu sagen. Ohne großangelegte, systematische Studien ist das nicht herauszufinden.

Die Journalist:innen des investigativen Portals A Pública wiesen ebenfalls bereits 2015 auf einen weiteren, eher unbeachteten Punkt hin: Die Umweltfolgenstudien zu Sozialem, zu Flora und Fauna bei Staudammbauten werden im Auftrag der Baufirmen von den Consultings erstellt, was schon hinreichend Anlass zu Kritik gibt. Aber mehr noch: Die Consultings partizipieren mitunter hinterher auch an den von ihnen zuvor geprüften Projekten. So hat Engevix Engenharia für den Staudamm Belo Monte die UVP erstellt – und Engevix Construções (von der gleichen Gruppe) hat hinterher zusammen mit Toyo Setal die elektromechanische Ingenieursdienstleistung für Belo Monte in Höhe von umgerechnet rund 300 Millionen Euro übernommen: siehe hierzu „Die unerträgliche Leichtigkeit der Umweltverträglichkeitsprüfungen„. Ein Schelm, wer Böses…

Auch das Beispiel des am Tapajós bis Mitte 2016 von der Regierung in Planung stark vorangetriebenen, dann aber im August 2016 wegen Ungereimtheiten bei der Umweltverträglichkeit gestoppten Staudammprojekts São Luiz do Tapajós verdeutlicht die Problemlage der durch Staudammbauten ausbleibenden oder gar aussterbenden Fischpopulationen und was das für die Fischerinnen und Fischer bedeutet: Obwohl sich die Verfasserinnen und Verfasser der UVP zum Staudammprojekt São Luiz do Tapajós und deren Kritiker:innen einig sind, dass diese Staudämme Auswirkungen und Folgen haben, scheiden sich die Geister an der Frage, wie massiv und folgenschwer diese zu bewerten sind. So ist es unbestritten, dass der Bau des São Luiz do Tapajós-Staudamms einen Verlust von Biodiversität vor Ort zeitigen würde. Die UVP selbst erfasste unter anderem 1.378 Pflanzenarten, 600 Vogelarten, 352 Fischarten, 109 Amphibienarten, 95 Säugetierarten sowie 75 Schlangenarten. Wo aber die UVP beispielsweise von Beeinträchtigungen der Schildkröten, Flussdelfin- und Fischpopulationen spricht, die aber durch entsprechende Maßnahmen abgemildert werden könnten, werfen Kritiker:innen wie die Autor:innen der 2016 veröffentlichten Greenpeace-Studie der UVP vor, die Daten nicht angemessen bewertet zu haben, da diese Populationen durch den Staudammbau gar in ihrem (oftmals endemisch, also einzigartigen nur dort vorkommenden) Bestand als Population bedroht sind.
Und diese Fragen ziehen dann weitere Konsequenzen – auch für Fragen des bedrohten Rechts auf Nahrung und Ernährungssouveränität der betroffenen Bevölkerung – nach sich, wie eben das Beispiel der Fischpopulationen anschaulich klarmacht.
Für die Umweltverträglichkeitsprüfung zum Staudamm São Luiz do Tapajós wurde eine Erhebung der wirtschaftlichen Aktivitäten der im betroffenen Einzugsgebiet des Staudamms lebenden Flussanwohnerinnen und -anwohner vorgenommen. Demnach lebt die Mehrzahl der Betroffenen in Subsistenz, als Acker- und Kleinviehwirtschaft betreibende Kleinbäuerinnen und -bauern, deren hauptsächliche wirtschaftliche Aktivität in der Herstellung von Maniokmehl aus selbst angepflanzten Maniokwurzeln sowie aus Fischfang besteht. Diese verkaufen den von ihnen produzierten Überschuss an Maniokmehl und aus dem Fischfang an die lokal arbeitenden, aber dort nicht heimischen Goldschürfer:innen. So kommt es, dass eigentlich in Subsistenz lebende Kleinbäuerinnen und -bauern in Erhebungen auch als dem Dienstleistungssektor zugezählt werden, obwohl dies nur einen Randbereich ihrer beruflichen Aktivität darstellt, die eben vorwiegend von Subsistenzwirtschaft geprägt ist. 55% der im Einzugsgebiet des São Luiz do Tapajós-Staudamms am Fluss lebenden Menschen praktizieren Fischfang, für 31% von diesen ist dies ihre hauptsächliche wirtschaftliche Aktivität, so die UVP der Staudammplaner (Eletrobras/CNEC/Worley Parsons: RIMA. Relatório de Impacto Ambiental AHE Sao Luiz do Tapajós, Juli 2014, S. 67.). Dabei überwiegt die Nutzung des Fisches als Subsistenz, nur ein geringer Teil wird in den Kleinstädten Jacareacanga (80 t/Jahr) und Itaituba (400 t/Jahr) auf den wenigen vorhandenen Fischmärkten umgeschlagen (Ronaldo Barthem, Efrem Ferreira und Michael Goulding: As migrações do jaraqui e do tambaqui no rio Tapajós e suas relações com as usinas hidrelétricas, in: Ocekadi: Hidrelétricas, Conflitos Socioambientais e Resistência na Bacia do Tapajós / Daniela Fernandes Alarcon, Brent Millikan und Mauricio Torres [Hrsg.], Brasília 2016, S.483.), aber diese Daten sind dennoch enorm wichtig, um Rückschlüsse auf die Bedeutung der verschiedenen Fischpopulationen zu ziehen. Von den in der Umweltverträglichkeitsprüfung der Staudammplaner festgestellten 352 im Umfeld des geplanten São Luiz do Tapajós-Staudamm heimischen Fischarten (ältere Studien zum Tapajós zählten hingegen 494 Fischarten, siehe Ricardo Scoles: Caracterização ambiental da bacia do Tapajós, in: Ocekadi: Hidrelétricas, Conflitos Socioambientais e Resistência na Bacia do Tapajós / Daniela Fernandes Alarcon, Brent Millikan und Mauricio Torres [Hrsg.], Brasília 2016, S.35.) sind zwar nur 42% Wanderfische (siehe Eletrobras/CNEC/Worley Parsons: RIMA. Relatório de Impacto Ambiental AHE Sao Luiz do Tapajós, Juli 2014, S. 60.), aber die auf den Märkten von Jacareacanga und Itaituba feilgebotenen, lokal gefangenen Fische setzen sich Erhebungen zufolge wegen ihres massenhaften Vorkommens im Fluss zu 50 bis 90% aus saisonalen Wanderfischen zusammen, die zum Laichen andere Habitate aufsuchen (siehe Ronaldo Barthem, Efrem Ferreira und Michael Goulding: As migrações do jaraqui e do tambaqui no rio Tapajós e suas relações com as usinas hidrelétricas, in: Ocekadi: Hidrelétricas, Conflitos Socioambientais e Resistência na Bacia do Tapajós / Daniela Fernandes Alarcon, Brent Millikan und Mauricio Torres [Hrsg.], Brasília 2016, S.479.). Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedener Studien warnen ausdrücklich, dass der Zug dieser Wanderfische durch den Staudammbau abgeschnitten werde und dies so das Aussterben der Populationen in den durch Staudammbau von einander isolierten Gebieten zufolge haben könnte (siehe Ronaldo Barthem, Efrem Ferreira und Michael Goulding: As migrações do jaraqui e do tambaqui no rio Tapajós e suas relações com as usinas hidrelétricas, in: Ocekadi: Hidrelétricas, Conflitos Socioambientais e Resistência na Bacia do Tapajós / Daniela Fernandes Alarcon, Brent Millikan und Mauricio Torres [Hrsg.], Brasília 2016, S.490.).

Dies verdeutlicht, worum es letztlich geht: Um das Recht auf Nahrung und Ernährungssouveränität.

// christian russau

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Indigene Kayabi, Munduruku und Apiaká protestieren weiter gegen das Wasserkraftwerk São Manoel am Fluss Teles Pires in Amazonien https://www.gegenstroemung.org/web/blog/indigene-kayabi-munduruku-und-apiaka-protestieren-weiter-gegen-das-wasserkraftwerk-sao-manoel-am-fluss-teles-pires-in-amazonien/ Tue, 26 Sep 2017 11:46:28 +0000 http://www.gegenstroemung.org/web/?p=1567 Nur zwei Monate nach der Baustellenbesetzung des Wasserkraftwerks São Manoel am Fluss Teles Pires laufen betroffene indigene Gruppen noch immer Sturm gegen den Staudamm. Regierungszusagen erneut nicht eingehalten.

Von Christian Russau

Erneut wenden sich die Indigenen der Kayabi, Munduruku und Apiaká, die am Teles Pires-Fluss im Bundesstaat Pará an der südlichen Grenze zu Bundesstaat Mato Grosso leben, an die Bundesstaatsanwaltschaft, um bei dieser Unterstützung in der Causa des Kampfs gegen den Staudamm São Manoel zu erhalten. Die Bundesstaatsanwälte haben diese Unterstützung zugesagt, so dass es nun zu weiteren juristischen Eingaben gegen die Staudammbetreiberfirmen, die Regierung in Brasília und die Umweltbehörde Ibama kommen wird. Dies berichtet das Internetportal Amazônia Real.

Es ist keine zwei Monate her. Damals hatten 200 Frauen der Munduruku die Baustelle des Wasserkraftwerks São Manoel am Fluss Teles Pires für mehrere Tage besetzt, einen sofortigen Baustopp und die Herausgabe der Urnen ihrer Ahnen aus dem zu flutenden Gelände gefordert. Eilig war die Politik aus Brasília angereist, in Form von Firmen- und Regierungsvertretern, darunter der Präsident der Indigenenbehörde FUNAI, General Franklimberg Ribeiro de Freitas, der den Indigenen die weitestgehende Umsetzung ihrer Forderungen zugesagt hatte, um im Gegenzug den Abzug der protestierenden Indigenen von der Baustelle zu erreichen. Die Indigenen hatten ihre Zusagen eingehalten. Nur Brasília nicht, wieder einmal.

Am 5. September hatte das brasilianische Bundesumweltamt Instituto Brasileiro de Meio Ambiente e Recursos Naturais Renováveis (Ibama) dem Konsortium der Staudammbetreiber die Betriebslizenz und somit die Genehmigung zur Flutung des Reservoirs erteilt. Das Ibama räumte in der Begründung zwar ein, dass es bei der Umsetzung noch Probleme gäbe, so dass es durch die Bauarbeiten zu einem messbaren Rückgang der Fischbestände und Zerstörung der Flora und weiteren Fauna käme. Das Ibama erkannte auch an, dass dies schwerwiegende Auswirkungen für die dort am und vom Fluss lebenden Indigenen habe. Doch statt einen Baustopp zu erlassen, so dass zuerst die Probleme beseitigt werden, entschied sich das Ibama, die Betriebsgenehmigung zu erteilen und gleichzeitig den Staudammbetreibern Auflagen zu erteilen, deren Umsetzung zur Verbesserung und Wiederherstellung der Situation der Flora und Fauna binnen vier Jahre zu erfolgen habe, dann werde der Staus Quo überprüft, so das Ibama.

Keine schönen Aussichten für die betroffenen Indigenen. Denn das gleiche Vorgehen hat beispielsweise im Falle des Staudamms Belo Monte am Fluss Xingu dazu geführt, dass trotz der Umweltschäden und des tonnenfachen Fischsterbens der Bau weiterging – und nun die Indigenen, Kleinfischer und Flussanwohner dort vor dem Nichts stehen. Vor Kurzem wurde erneut ein gerichtlicher Baustopp über Belo Monte verhängt, da die Ersatzhäuser für die Tausenden von Zwangsumgesiedelten, nun, zwei Jahre nach Erstbeziehung der ersten Häuser, weitesgehend abbruchreif sind oder zumindest mitnichten den Zusagen ordentlicher Baustruktur entsprächen – so die Ansicht des zuständigen Richters. Der Entscheid über den gerichtlich angeordneten Baustopp gegen Belo Monte soll obendrein nun durch gerichtliche Entscheidung durch Polizeieinheiten durchgesetzt werden, da die Staudammbetreiber sich schlicht an den Gerichtsentscheid nicht hielt und einfach weiterbauten.

Ähnliches befürchten die Indigenen für den Staudamm São Manoel am Fluss Teles Pires.

Sechs indigene Anführer der Munduruku, Kayabi und Apiaká erklärten, am 27. und 29. September dieses Jahres nach Brasília zu fahren, um dort mit der Generalbundesanwaltschaft und der Indigenenbehörde Funai über ihr Anliegen zu reden. Sie betonten auf dem Treffen mit den Bundesstaatsanwälten, dass das Wasserkraftwerk São Manoel eine „große Gefahr“ für die Flüsse, Wälder, Tiere, Fische sowie für das historische und kulturelle Erbe der Indigenen sei. „In Anbetracht der vielen bereits begangenen und sich dem anschließenden Fehler der Gewährung der Betriebsgenehmigung zeigt sich klar, dass die Firma keinen Plan hat, all diese Auswirkungen zu mindern. So ist offensichtlich, dass die Entscheidung der Umweltbehörde Ibama falsch war. Daher fordern wir, dass die Bundesstaatsanwaltschaft umgehend Maßnahmen ergreife, um vor Gericht die Suspendierung der Betriebsgenehmigung für das Wasserkraftwerk zu erwirken, da es illegal ist und die Gefahren dieses und der weiteren am Fluss geplanten Wasserkraftwerke für uns Indigene sehr groß sind“, so die Indigenen in ihrer Erklärung gegenüber den Bundesstaatsanwälten.

Im Visier der Wasserkraftbefürworter stehen derzeit vor allem die Flüsse des Tapajós-Beckens, also die zwei Flüsse Teles Pires und Juruena, aus deren Zusammenfluss sich der Tapajós bildet, sowie all deren kleinere Zuflüsse. Laut staatlichen Berechnungen habe Brasilien ein Gesamtpotenzial an Wasserkraft in Höhe von 260 GW Kapazität, von dem 40,5% allein in Amazonien liegen. Um dies umzusetzen, hatte die Regierung von Dilma Rousseff im Januar 2012 einen Erlass unterzeichnet, der aus fünf Naturschutzgebieten eine Fläche von 75.000 Hektar ausgliederte, um diese Fläche zu potentiellen Flutungsgebieten für die Staudämme am Tapajós zu machen. Und was am Tapajós geht, kann auch an den Zuflüssen Jamanxim, Teles Pires oder Juruena gemacht werden. Für das Tapajós-Becken sind insgesamt 43 große Staudämme sowie über 100 kleine Wasserkraftwerke (bis zu 30 MW laut brasilianischer Gesetzesbestimmung und die als „Kleinwasserkraftwerke“ erst gar keine Umweltverträglichkeitsstudie benötigen) geplant.

Dabei haben beispielsweise die indigenen Munduruku vom Oberen, Mittleren und Unteren Tapajós bereits Ende 2015 ein Grundlagendokument erstellt, in dem sie erklären, wie eine rechtlich korrekte Konsultation der Munduruku im Falle von Großprojekten wie Staudämmen auszusehen habe, das wir hier in Gänze erneut wiedergeben.

Quelle: Movimento Munduruku Ipereg Ayu, Associações: Da’uk, Pusuru, Wixaximã, Kerepo und Pahyhyp: Protocolo de Consulta Munduruku, Jan. 2016, unter: http://fase.org.br/pt/acervo/biblioteca/protocolo-de-consulta-munduruku/

Im Entstehensprozess des Dokuments, das in den indigenen Dörfern mit allen Munduruku 2015 gemeinsam debattiert und im Konsens verabschiedet wurde, war den Munduruku immer wichtig zu betonen, dass sie für sich selbst selbst reden und dass niemand Einzelnes ohne Weiteres für die Gruppe sprechen darf.

Daher hier die Erklärung der Munduruku zum Protokollverfahren der Konsultation im Wortlaut:

Wir, das Volk der Munduruku,

wir wollen hören, was die Regierung uns zu sagen hat. Aber wir wollen keine Ausreden. Damit das Volk der Munduruku entscheiden kann, müssen wir wissen, was tatsächlich geschehen wird. Und die Regierung muss uns anhören. Zuallererst fordern wir die Demarkation des Indigenen Territoriums Sawré Muybu. Auf gar keinen Fall akzeptieren wir eine Umsiedlung. Wir fordern von der Regierung zudem, dass unsere isoliert in unserem Land lebenden Verwandten geschützt werden und dass das Recht auf Konsultation der anderen Völker, wie der Apiaká und der Kayabi, die auch durch diese Projekte bedroht sind, garantiert werde. Außerdem fordern wir, dass den durch die Staudämme im Tapajós betroffenen Gemeinden der Flussanwohner von Montanha-Mangabal, Pimental und São Luiz ihr Recht auf Konsultation angemessen und ihrer besonderen Realität angepasst gewahrt werde. Genauso wie wir haben die Flussanwohner das Recht auf eigene Konsultation.

Wer soll konsultiert werden?

Die Munduruku aller Dörfer – des Oberen, Mittleren und Unteren Tapajós – müssen konsultiert werden, auch diejenigen aus indigenen Gebieten, die noch nicht demarkiert wurden.

Soll die Regierung nicht denken, wir seien gespalten:

Es gibt nur ein Volk der Munduruku“

Es sollen konsultiert werden:

  • die weisen Alten, die pajés, die Geschichtenerzähler, die Kenner traditioneller Medizin, die Kenner der Wurzeln und der Blätter, diejenigen, die die heiligen Orte kennen.

  • die Kaziken und Anführer, die Krieger und Kriegerinnen. Die Kaziken sind miteinander vernetzt und teilen die Informationen mit allen Dörfern. Es sind sie, die alle zusammenrufen, damit wir debattieren, was wir machen werden. Die Krieger und Kriegerinnen unterstützen den Kaziken, gehen mit ihm und schützen unser Territorium.

  • die Anführer, die Lehrer sind, und die, die für die Gesundheit zuständig sind, die also, die mit der ganzen Gemeinschaft arbeiten.

  • die Frauen, damit sie ihre Erfahrungen und Informationen weitergeben. Es gibt Frauen, die sind pajés, Hebammen und Kunsthandwerkerinnen. Sie bearbeiten das Feld, geben Ideen und Rat, bereiten das Essen zu, stellen medizinische Produkte her und verfügen über ein großes und breites traditionelles Wissen.

  • die Universitätsstudenten, die Erzieher der Munduruku, die Ibaorebu-Studenten, die Jugendlichen und Kinder müssen auch konsultiert werden, weil sie die zukünftige Generation sind. Viele Jugendliche haben Zugang zu Kommunikationsmedien, lesen Zeitungen, gehen ins Internet, sprechen portugiesisch und kennen unsere Realität und haben aktiven Anteil an dem Kampf unseres Volkes.

  • unsere Organisationen (Conselho Indígena Munduruku Pusuru Kat Alto Tapajós – Cimpukat, Da’uk, Ipereg Ayu, Kerepo, Pahyhy, Pusuru und Wixaximã) müssen auch konsultiert werden, aber sie dürfen niemals alleine konsultiert werden. Die Stadtverordneten Munduruku sprechen nicht für unser Volk. Die Entscheidungen des Volks der Munduruku werden kollektiv getroffen.

Wie soll der Prozess der Konsultation ablaufen?

  • Die Regierung darf uns nicht erst dann konsultieren, wenn alle Entscheidungen schon getroffen sind. Die Konsultation muss vor allem anderen stattfinden. Alle Treffen müssen in unserem Territorium stattfinden – in dem Dorf, das wir auswählen –, und nicht in der Stadt, nicht einmal in Jacareacanga oder Itaituba.

  • Die Treffen dürfen nicht zu Zeiten stattfinden, die die Aktivitäten unserer Gemeinschaft stören (also zum Beispiel nicht während der Feldarbeits-Saison des Feldfurchens oder des Pflanzens; nicht während der Zeit des Kastanien-Sammelns, nicht während der Zeit des Mehls, nicht während unserer Festtage; nicht am Tag des Indigenen). Wenn die Regierung in unser Dorf zur Konsultation kommt, dürfen sie nicht nur kurz einfliegen und am nächsten Tag wieder weggehen. Sie müssen in Ruhe mit uns Zeit verbringen.

  • Die Treffen müssen in der Sprache Munduruku abgehalten werden und wir entscheiden, wer übersetzen wird. In diesen Treffen muss unser Wissen genauso anerkannt werden wie dies der pariwat (nicht-indigener). Weil es sind wir, die wir die Flüsse kennen, den Wald, die Fische und das Land. Es sind wir, die wir die Treffen koordinieren, nicht die Regierung.

  • An den Treffen sollen die Partner unseres Volkes teilnehmen: Die Bundesstaatsanwaltschaft, die von uns ausgewählten Partnerorganisationen sowie Fachleute unseres Vertrauens, die wir auswählen. Die Unkosten unserer Anwesenheit und die unserer Partner während aller Treffen gehen auf Kosten der Regierung.

  • Damit die Konsultation wirklich frei sein wird, werden wir auf den Treffen unter keinen Umständen bewaffnete pariwat (Militärpolizei, Bundespolizei, Bundesstraßenpolizei, Heer, Nationaler Sicherheitskräfte, Brasilianischen Geheimdienst oder jedwede anderen staatlichen oder privaten Sicherheitskräfte) akzeptieren.

  • Wenn die Regierung mit Kameras ankommt, darf sie ohne unsere Autorisierung keine Aufnahmen machen. Zu unserer Sicherheit sollen die Treffen gefilmt werden und die Regierung muss uns die vollständigen Kopien der Aufnahmen übergeben.

Die von uns bisher angesprochenen Treffen teilen sich in folgende auf:

  • Treffen zum Beschluss über den Plan für die Konsultation: Die Regierung muss sich mit dem Volk der Munduruku treffen, damit wir eine Übereinkunft treffen, welchen Plan wir für die Konsultation festlegen. Dieser Plan für die Konsultation muss dieses Dokument hier in Gänze respektieren, da es erklärt, wie wir uns organisieren und wie wir unsere Entscheidungen treffen.

  • Informationstreffen: Die Regierung muss sich mit unserem Volk treffen, in jedem Dorf einzeln, um uns über ihre Vorhaben zu informieren und unsere Zweifel und Nachfragen zu beantworten. Neben uns sollen die Partner unseres Volkes an diesem Treffen jeweils teilnehmen.

  • Interne Treffen: Nach diesen Informationstreffen brauchen wir Zeit zum Diskutieren unter uns über die Vorschläge der Regierung. Wir werden Zeit brauchen, um den Vorschlag den Verwandten, die nicht an den Informationstreffen teilnehmen konnten, zu erläutern. Des Weiteren wollen wir uns mit den Flussanwohnern (beispielsweise mit denen von Montanha-Mangabal) treffen und beratschlagen. Wir werden unsere Partner zu unseren internen Treffen hinzuladen. Aber die Regierung darf dabei nicht anwesend sein. Sollten Unklarheiten oder neue Informationen aufkommen, dann muss die Regierung weitere Informationstreffen mit uns und unseren Partnern abhalten. Danach dann würden wir weitere Treffen mit unseren Partner, ohne die Regierung, machen, um die Unklarheiten zu klären und um zu debattieren. Egal wie viele Treffen dafür notwendig wären, damit das Volk der Munduruku sich vollständig informiert

  • Verhandlungstreffen: Wenn wir hinreichende Informationen haben und mit unserem ganzen Volk debattiert haben, wenn wir also eine Antwort an die Regierung haben, dann muss die Regierung sich mit uns, in unserem Territorium treffen. An diesem Treffen sollen auch unsere Partner teilnehmen. Die Regierung muss zuhören und auf unseren Vorschlag antworten, selbst wenn unser Vorschlag anders als der von der Regierung sei. Und wir mahnen: Wir akzeptieren nicht, dass die Regierung Rechte so einsetzt, wie die, die uns eigentlich zustehen, aber nie respektiert werden, um uns letztlich reinzulegen.

Wie treffen wir Munduruku unsere Entscheidungen?

  • Wenn ein Vorhaben uns alle betrifft, dann ist unsere Entscheidung eine kollektive. Die Regierung darf nicht nur einen Teil des Volks der Munduruku konsultieren (sie darf zum Beispiel nicht nur die Munduruku des Mittleren Tapajós oder nur die des Oberen Tapajós konsultieren).

  • Keine Vereinigung der Munduruku entscheidet für das Volk der Munduruku, keine Organisation redet für unser Volk. Die Entscheidungen unseres Volks werden auf der Vollversammlung getroffen, die durch unsere Kaziken einberufen wird. Es sind unsere Kaziken, die gemeinsam und zusammen Zeit und Ort der Generalversammlung festlegen und die Munduruku zur Teilnahme einladen. Auf diesen Versammlungen werden die Entscheidungen im Anschluss an die Debatte getroffen: Wir diskutieren und kommen zu einem Kosens. Wenn es nötig ist, diskutieren wir viel. Wir stimmen nicht ab. Wenn es keinen Konsens gibt, entscheidet die Mehrheit.

Was erwartet das Volk der Munduruku von dieser Konsultation?

Wir erwarten, dass die Regierung unsere Entscheidung respektiert. Wir haben Veto-Recht.

Sawe!!“

// Text und Übersetzung: Christian Russau

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Brasilianische Wasserkraft (auch) für deutsche Schnitzel. Film „Belo Monte – After the Flood“ und Diskussion https://www.gegenstroemung.org/web/blog/brasilianische-wasserkraft-auch-fuer-deutsche-schnitzel-film-belo-monte-after-the-flood-und-diskussion/ Mon, 25 Sep 2017 16:00:06 +0000 http://www.gegenstroemung.org/web/?p=1563 Filmvorführung mit Vortrag und Diskussion

5. Oktober, 19:0020:30

Ort: Lateinamerika-Forum / Foro de las Américas Berlin e.V.
c/o SEKIS
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Folgen der Staudämme am Xingú und Tapajós (Amazonien) für die lokalen Gemeinschaften und die Natur. Mit Christian Russau (GegenStrömung)

Der Dokumentarfilm „Belo Monte – After the Flood“ des Regisseurs Todd Southgate (BRA 2017, 51 Min. OF Engl.) ist Ausgangspunkt unserer Veranstaltung.

„Der Kampf gegen den Bau des weltweit drittgrößten Wasserkraftwerks im Herzen des brasilianischen Amazonas ist verloren. Der Damm wurde trotz allen Widerstands gebaut, ein Wald geflutet und die Stromproduktion beginnt. Die Anwohner*innen am Fluss und in der Stadt Altamira, die Kleinbauern und Indigenen stehen nun vor den Scherben zerstörter Umwelt und erodierender Sozialstruktur. Und deutsche Turbinenlieferanten wie Siemens/Voith und Rückversicherer wie die Münchener Rück weisen noch immer jede Kritik an ihren Staudammgeschäften zurück.“ Der Film beleuchtet die aktuelle Situation.

In der auf den Film folgenden Diskussion erweitern wir den Blick über Belo Monte hinaus auf die Staudammproblematik in Brasilien insgesamt – und fragen, was dieselbe mit dem Schnitzel auf unserem Tisch zu tun hat. Eine Antwort weiß der Journalist Christian Russau.

Staudamm Belo Monte. Foto: Christian Russau
Staudamm Belo Monte. Foto: Christian Russau

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Staudamm, Schiene, Schnitzel https://www.gegenstroemung.org/web/blog/staudamm-schiene-schnitzel/ Mon, 31 Jul 2017 12:42:13 +0000 http://www.gegenstroemung.org/web/?p=1528 Wie Staudämme und Wasserstraßen am Tapajós mit Bergbau und Soja in Mato Grosso und dem billigen deutschen Schnitzel zusammenhängen

Von Christian Russau
Lateinamerika Nachrichten, Juli/August 2017
Dossier „Wasserkraft in Lateinamerika“, Lateinamerika Nachrichten/GegenStrömung

Die von Politik und Unternehmen geplanten Staudämme am Tapajós-Fluss in Amazonien sollen Strom erzeugen, aber auch die Wasserstände der dortigen Flüsse regulieren, so dass diese durchgehend schiffbar werden. Diese Vorhaben bedrohen das Überleben der Wälder und Flüsse Amazoniens. Doch auch das hiesige Konsumverhalten und deutsche Schweinemastanlagen stehen mit der drohenden Zerstörung im Zusammenhang.

Den indigenen Munduruku ist schon früh klar geworden, dass der Politik nicht zu trauen ist. Zu oft hatten Regierungsbeamte ihr Wort gebrochen. So nahmen sie stattdessen die Dinge lieber selbst in die Hand. Die Munduruku begannen im Oktober 2014, Fakten zu schaffen: Sie fingen an, die Sawré Muybu – so bezeichnen sie das Gebiet, das sie bewohnen – selbst als indigenes Territorium zu demarkieren, um es zu schützen.
Die Gefahr, die dem Sawré Muybu droht, ist die Zerstörung durch Staudämme. Wie schon so viele andere indigene Territorien in Amazonien soll es für ein Wasserkraftwerk überflutet werden. Denn Amazonien stand und steht im Fokus des Interesses, Staudämme zu errichten. Staatlichen Berechnungen zufolge hat Brasilien ein Gesamtpotenzial für Wasserkraft in Höhe von 260.000 MW Kapazität, von denen 40,5 Prozent allein in Amazonien liegen. Im Mai 2016 sind die ersten Turbinen des größten Wasserkraftwerks in Amazoniens, Belo Monte am Xingu-Fluss, in Betrieb genommen worden, bis 2019 soll es fertiggestellt werden. Nun will Brasília die weiter westlich gelegene Region von Pará in Angriff nehmen.
Im Visier der Wasserkraft steht dabei das Flussbecken des Tapajós. An den beiden Quellflüssen, Teles Pires und Juruena, aus deren Zusammenfluss sich der Tapajós bildet, sowie an all deren kleineren Zuflüssen, sollen Wasserkraftwerke entstehen. Für das Tapajós-Becken sind insgesamt 43 große Staudämme sowie über 70 kleine Wasserkraftwerke (unter 30 MW) geplant.
Der größte der geplanten Staudämme im Tapajós-Becken ist der São Luiz do Tapajós-Damm mit über 8 GW Kapazität. Mit geplanten Kosten von etwa zehn Milliarden Euro wäre der Damm am Tapajós fast ebenso teuer wie der Belo-Monte-Staudamm. Zwischen 2011 und 2016 wurde die Planung des São Luiz do Tapajós-Damm von der Regierung in Brasília massiv vorangetrieben. Doch es gab Widerstand, insbesondere von den Indigenen der Munduruku.
„Die Regierung und die FUNAI sind nie hierhergekommen, um über die Demarkation unseres Territoriums, über Gesundheit oder Bildung zu reden. Sie kommen hier nur her, um über Staudämme zu reden“, erklärte 2011 Floriano Munduruku, in seiner Aussage gegenüber der Bundesstaatsanwaltschaft in Pará. Das machte die indigenen Munduruku so wütend, dass sie mehrmals von Brasília entsandte Anthropolog*innen, Biolog*innen und Feldvermesser*innen festsetzten und nur gegen die Zusage, die Staudammpläne ad acta zu legen, wieder freiließen. Doch die Pläne gingen immer weiter. „Für uns Indigene Völker gibt es keine Kompensation, um uns für den Verlust unserer Kultur und unserer traditionell indigenen Lebensweise zu entschädigen. Die Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder steht auf dem Spiel“, erklärten 2016 die indigenen Gruppen der Xerente, Apinajé, Krahô, Kayabi und Juruna in einer gemeinsam Erklärung.
Um ihre Zukunft zu schützen, fingen die Munduruku an, selbst ihr Territorium zu demarkieren. Sie begannen, Daten darüber zu erheben, welche Gebiete in welcher Form von den Indigenen genutzt werden. Dies war keine einfache Aufgabe, denn die Population der über 10.000 Munduruku lebt zerstreut in zahlreichen kleinen Gruppen.
Mit dieser Selbst-Demarkierung ihres Territoriums solidarisierten sich viele zivilgesellschaftliche Gruppen im In- und Ausland. Dieser massive öffentliche Druck bewog die brasilianischen Behörden, erst einmal einzulenken. Im April 2015 entschloss sich die Umweltbehörde Ibama dazu, die Umweltverträglichkeitsprüfungen für den Staudamm São Luiz do Tapajós neu zu überarbeiten: ein schwerer Schlag für die Staudammbefürworter*innen.
Doch die weltweite Solidaritätsarbeit für die Menschen am Tapajós nahm nicht ab. Im Frühjahr 2016 unterstützte das deutsche Hilfswerk Misereror in ihrer Fastenaktion die Flussanwohner*innen, Kleinbäuer*innen und Munduruku am Tapajós zwischen den Orten Itaituba und Jacareacanga. Eine entsprechende Petition, die die Wahrung der Rechte der Bevölkerung am Tapajós einforderte, wurde von über 50.000 Menschen unterschrieben. Verschiedene internationale Nichtregierungsorganisationen wie Greenpeace gaben den Munduruku technische Unterstützung bei der Selbstdemarkation der Sawré Muybu als Indigenes Territorium. Mitte 2016 war der Prozess abgeschlossen: Die Munduruku bauten die offiziellen Schilder zur Außenkennzeichnung Indigener Territorien – wie sie normalerweise die Indigenenbehörde FUNAI produziert – einfach nach. Öffentlichkeitswirksam hängten sie diese an den Außengrenzen von Sawré Muybu auf. Die Bilder von der Aktion gingen um die Welt.
Und dann kam es im August 2016 zur Überraschung vieler zu einem wichtigen Etappensieg für die Indigenen und die Flussanwohner*innen der Region: Die Umweltbehörde IBAMA stoppte das ganze Genehmigungsverfahren für den Staudamm São Luiz do Tapajós. Doch die Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte haben gezeigt, dass solche Pläne jederzeit wieder aus den Schubladen der Behörden hervorgeholt werden können.
Zudem ging es Brasília in der Tapajós-Region nie nur um Energieproduktion. Mit den Staudämmen sollen auch Transportwege ausgebaut werden: Sie sollen dazu beitragen, den Flusslauf zu regulieren und ihn so schiffbar zu machen. Dadurch sollen Wasserstraßenrouten für den Transport von Rohstoffen aus dem Bundesstaat Mato Grosso geschaffen werden. Die Staumauern würden dafür sorgen, dass Stromschnellen überflutet werden. Vier Schleusen sollen am Tapajós entstehen, sechs am Teles Pires. Dann können auch größere Schiffe diese Regionen erreichen. Dazu sollen die Häfen in Santarém, Mirituba, Itaituba, Santana und Barcarena ausgebaut werden. So würden die Infrastrukturprojekte nicht nur Energie liefern, sondern auch den kostengünstigen Transport von Rohstoffen bis an den Atlantik ermöglichen. Dabei geht es um den Transport von mineralischen Bodenschätzen und Agrarrohstoffen wie Soja, Mais und Weizen. Die ganze Region soll an den Weltmarkt angeschlossen und für die expandierenden Bergbau- und Agrarindustrien massiv erschlossen werden.
In Mato Grosso wurden erst Anfang der 2010er Jahre Vorkommen mit 450 Millionen Tonnen Phosphat sowie elf Milliarden Tonnen Eisenerz entdeckt. Brasília will diese Erze unter anderem über die schiffbar zu machenden Flüsse des Tapajós-Beckens transportieren lassen. Eine andere Möglichkeit wäre der Bau einer Eisenbahn.
„Ferrogrão“ –„Eisengetreide“ heißt einer der geplanten Süd-Nord-Bahnkorridore von Sinop in Mato Grosso nach Miritituba in Pará am Tapajós. Von dem dortigen Hafen aus können die Rohstoffe dann über den Amazonas bis zum Atlantik gebracht werden. „Ferrogrão“ soll den Planer*innen zufolge dem Transport von Soja und Getreide aus Mato Grosso dienen, aber auch für Erzzüge nutzbar sein. Weitere Pläne sehen den Bau einer Ost-West-Bahntrasse vor: Zu diesen Plänen zählt auch die Idee der sogenannten bi-ozeanischen Eisenbahntrasse zwischen dem brasilianischen Hafen Santos in São Paulo und dem peruanischen Pazifikhafen Ilo. Dieses „Jahrhundertprojekt“, an dem sich auch Deutschland beteiligen will, soll Zentralbrasilien und Bolivien mit Häfen am Atlantik und Pazifik verbinden und dadurch an die Märkte in Europa und Asien anschließen.
Für die Bergbaukonzerne gibt es zur Schiffbarmachung von Flüssen oder zum Bau von Bahntrassen keine Alternativen: Erze und deren Derivate lassen sich nicht kostengünstig auf LKW über hunderte von Kilometer transportieren. Aber auch aus Sicht der Soja-Farmer*innen aus Mato Grosso spricht vieles für den Bau des „Ferrogrão“ und der Wasserstraßen.
Bislang ist die Boomregion für Sojaanbau im Bundesstaat Mato Grosso nur über LKW an den Weltmarkt angeschlossen. Über die insgesamt 3.467 Kilometer lange Bundesstraße BR 163 konnten die Sojafarmer*innen ihre Produkte entweder in Richtung Norden nach Miritituba und Santarém oder in Richtung Süden zum Hafen von Santos verschicken. Die Farmer*innen in Mato Grosso beklagen immer wieder die hohen Kosten der mehrtägigen LKW-Fahrten auf der BR-163 gen Südosten. Zudem komme es oft zu Staus bei der Entladung des Sojas in den Häfen von Santos oder Paranaguá: Die Atlantikhäfen sind häufig völlig ausgelastet, denn dort wird auch das Soja aus Südbrasilien und Paraguay ausgeschifft. Manchmal stehen die LKW und Fahrer*innen mehrere Wochen still.
Auch die BR-163 nach Norden sei immer viel befahren, klagen die Farmer*innen aus Mato Grosso. Die derzeitigen Kapazitäten des Hafens Mirituba seien nahezu ausgeschöpft. Deshalb befürworten sie auch die Pläne, die Soja-Terminals an den Häfen am Amazonas massiv auszubauen: Die Kapazität des Hafens von Santarém bei der Tapajós-Mündung in den Amazonas soll im kommenden Jahrzehnt von derzeit 1,8 auf 8 Millionen Tonnen Soja pro Jahr ausgebaut werden. Im Hafen Porto Velho am Rio Madeira sind Ausbauten von 4 auf 7 Millionen Tonnen pro Jahr und in Miritituba am Tapajós von derzeit 3,5 auf 32 Millionen Tonnen pro Jahr geplant.
Sollten die Wasserstraßenprojekte im Tapajós-Becken in dieser Form realisiert werden, erwarten die Soja-Farmer*innen eine Kostenersparnis von satten 41 Prozent beim Transport ihrer Produkte. Bislang, so klagen Soja-Farmer*innen in Mato Grosso, hätten sie viermal höhere Logistikkosten pro Tonne Soja als ihre Konkurrenten im Mittleren Westen der USA. Die geplanten Infrastrukturprojekte am Tapajós würden die Logistikkosten enorm senken und den Anbau von Soja im großen Stil in Regionen lohnenswert machen, die bislang von der Expansion der Agrarindustrie verschont geblieben waren.
Die sozialen und ökologischen Folgen dieser Infrastrukturprojekte wären enorm. Márcio Santilli vom Instituto Socioambiental (ISA) spricht angesichts dieses Amazonien durchziehenden Netzes von Straßen vom „zerhackten Amazonien“. Die Verkehrswege würden große zusammenhängende Teile Amazoniens, die noch bewaldet sind, zerteilen. Dabei gibt es einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Entwaldung und Verkehrswegen: 80 Prozent aller Rodungen in Amazonien erfolgen innerhalb eines 30 Kilometer breiten Streifens entlang asphaltierter Straßen.
Brasilien ist schon heute Soja-Exportweltmeister – mit allen sozialen und ökologischen Folgen, die dieses Modell vor Ort erzeugt. So ist Brasilien auch Weltmeister im Pestizidverbrauch und in der Auslaugung der Böden; die Landpreise steigen, Konflikte um Land nehmen zu. Die kleinbäuerliche Bevölkerung wird dagegen immer mehr marginalisiert. Doch die brasilianische Politik fördert weiter die Expansion der Agrarindustrie, denn sie ist der größte Devisenbringer. Soja brachte im Jahr 2015 einen Exporterlös von 28 Milliarden US-Dollar, Produkte aus Soja stehen allein für 14,6 Prozent der brasilianischen Exporte. In der Erntesaison 2015-2016 wurden in Brasilien insgesamt 95 Millionen Tonnen Soja auf 33,9 Millionen Hektar geerntet.
Das brasilianische Landwirtschaftsministerium will diesen Trend noch mehr befeuern. Landwirtschaftsminister ist derzeit Blairo Maggi, der selbst Farmer aus Mato Grosso ist und eine zeitlang als der größte individuelle Sojaproduzent der Welt galt. Nach Plänen aus seinem Ministerium soll die Produktion von Soja, Weizen und Mais von 185 Millionen Tonnen auf bis zu 274,8 Millionen Tonnen im Jahr 2022 ansteigen. Dabei soll der Heimatstaat von Maggi, Mato Grosso, die Hauptrolle spielen. Geplant ist, den Anteil Mato Grossos an der brasilianischen Jahresproduktion von Soja von 29,2 Prozent im Jahr 2012 auf 40 Prozent bis 2022 zu erhöhen.
Soja hat in den letzten Jahren Eisenerz und andere mineralische Rohstoffe als Brasiliens wichtigstes Exportprodukt abgelöst. Dies liegt auch daran, dass in Folge der Finanzkrise die Weltmarktpreise für Erze stärker gefallen waren, als die für Soja. Wichtigste Zielländer des brasilianischen Sojas sind China und Europa. China importiert vor allem ganze Sojabohnen. Im Jahr 2015 importierte China 41 Millionen Tonnen ganze Sojabohnen aus Brasilien, das sind 75 Prozent des Gesamtexports von ganzen Bohnen. Die Europäische Union dagegen ist Spitzenreiter beim Import von Sojamehl. Ebenfalls im Jahr 2015 importierte die EU 8,3 Millionen Tonnen oder 56,3 Prozent der gesamten brasilianischen Exporte von Sojamehl.
Sojamehl wird vor allem in der Tierfütterung eingesetzt. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes von 2015 gab es allein in Deutschland 39,6 Millionen Legehennen, 27,5 Millionen Schweine, 12,6 Millionen Rinder und 1,6 Millionen Schafe. Demnach wird in Europa jedes vierte Schwein in Deutschland geschlachtet. Und Deutschlands Nutztiere fressen jährlich insgesamt 82 Millionen Tonnen Futter, wie der Deutsche Verband Tiernahrung angibt. Die Nutztiere brauchen insbesondere verdauliches Rohprotein, so der Verband, 8,37 Millionen Tonnen pro Jahr. 22,2 Prozent dieses verdaulichem Rohprotein, das verfüttert wird, importieren die deutschen Futterproduzenten. Durchschnittlich 13 Prozent Soja wird in das deutsche Mischfutter eingemischt, damit deckt es aber rund 35 Prozent des Bedarfs an verdaulichem Rohprotein ab, erklärt der Deutsche Verband Tiernahrung. Der hohe Fleischverbrauch in Deutschland kurbelt also direkt die Expansion der Agrarindustrie in Brasilien an. Die fortschreitende Zerstörung des Amazonasregenwalds hat unmittelbar mit dem billigen Schnitzel in Deutschland zu tun.
Die Kritik an den hohen sozialen und ökologischen Kosten in den Soja-Anbauländern, die auch hierzulande geäußert wird, ist an der deutschen Masttierwirtschaft nicht komplett vorbeigegangen. Aus Budapest kam ein Vorschlag wie die europäischen Eiweißimporte zu verringern wären. Dort kamen Vertreter*innen der Agrarressorts Ungarns, der Slowakei, Moldawiens, der Republika Srpska und Nordrhein-Westfalens im Rahmen des „Donau Soja“-Kongresses zusammen und verkündeten die Absicht, bis 2025 den europäischen Bedarf an Futtereiweiß zur Hälfte aus heimischen Sojabohnen und anderen Leguminosen zu decken.
Ideal für diese geplante Expansion der Sojaproduktion in Europa seien die fruchtbaren Schwarzerdeböden Rumäniens, erklärten internationale Agrarinvestor*innen auf dem „Donau Soja“-Kongress. Dies aber lässt bei vielen Aktivist*innen die Alarmglocken schrillen: In Rumänien gibt es vier Millionen Kleinbäuer*innen. Über 70 Prozent aller landwirtschaftlichen Betriebe in Rumänien bewirtschaften weniger als einen Hektar. Obwohl Rumänien nur 7,6 Prozent der in der EU landwirtschaftlich genutzten Fläche hat, befinden sich dort 31,5 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe der gesamten EU. Und die Agrarinvestor*innen stehen schon Schlange, um sich die Schwarzerdeböden anzueignen. Zwischen 2002 und 2012 sind die Bodenpreise für landwirtschaftliche Flächen in Rumänien im Durchschnitt um 38 Prozent jährlich gestiegen – der höchste Wert in ganz Europa. So droht die letzte Region Europas, in der es noch eine eigenständige, kleinbäuerliche Ernährungssouveränität gibt, unter die Räder der Agrarindustrie zu geraten. Der Proteinhunger der europäischen Masttieranstalten hat seinen gewichtigen Anteil daran, um das Schnitzel weiterhin so billig anbieten zu können.
// Christian Russau

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Besetzung der Baustelle des Wasserkraftwerks São Manoel am Fluss Teles Pires https://www.gegenstroemung.org/web/blog/besetzung-der-baustelle-des-wasserkraftwerks-sao-manoel-am-fluss-teles-pires/ Wed, 19 Jul 2017 10:50:28 +0000 http://www.gegenstroemung.org/web/?p=1521 Die Munduruku protestieren gegen die bereit gebauten und geplanten Staudämme sowie gegen den Ausbau von Wasserstraßen zur Beförderung von mineralischen und Agrarrohstoffen durch ihr Territorium, die das angestammte Leben der Munduruku vom Oberen, Mittleren und Unteren Tapajós bedrohen.

Die in der Nacht von Samstag, dem 15. Juli 2017, auf Sonntag, dem 16. Juli 2017, begonnene Besetzung des noch im Bau befindlichen Wasserkraftwerks São Manoel am Fluss Teles Pires im Bundesstaat Pará durch über 200 Munduruku hält an.

Die Entscheidung zur Besetzung war auf dem Treffen „Aya Cayu Waydip Pe“, das im indigenen Dorf Santa Cruz vom 8. bis 10. Mai dieses Jahres von den Munduruku-Frauen abgehalten worden war, getroffen worden. Damals hatten sich viele Munduruku-Frauen gemeinsam beratschlagt, wie sie sich weiter organisieren und gegen die ihre Heimat zerstörerischen Großprojekte wie Staudämme und Wasserstraßen, Expansion von Agrobusiness und Bergbau zur Wehr setzen können. So beschlossen die Munduruku-Frauen, das noch im Bau befindliche Wasserkraftwerks São Manoel zu besetzen. Ihnen schlossen sich weitere Frauen und Männer von 138 indigenen Munduruku-Dörfern vom Oberen und Mittleren Tapajós an.

Die Munduruku protestieren nun – nach dem gegenwärtig noch geltenden Stopp für den 8-GW-Staudamm São Luiz do Tapajós – gegen den bereits fertig gestellten Staudamm Teles Pires und den im Bau befindlichen Staudamm São Manoel, ebenfalls am Fluss Teles Pires gelegen, die das angestammte Leben der Munduruku vom Oberen, Mittleren und Unteren Tapajós bedrohen. Die Munduruku haben zur Besetzung mehrere Erklärungen (hier einsehbar) abgegeben, in denen sie unmißverständlich ihre Forderungen nach Demarkation ihrer Territorien, nach sofortigem Baustopp, nach Entschädigung, nach expliziter Anerkennung ihrer Forderung nach angemessener Konsultation mit Veto-Recht für die von Projekten betroffenen Indigenen sowie ihrer Forderung nach Anerkennung und Erhalt ihrer sakralen Stätten zum Ausdruck bringen.

Presseberichten zufolge, will die Indigenenbehörde FUNAI am heutigen Mittwoch ihren Präsidenten, Franklimberg de Freitas, vor Ort entsenden, um mit den Indigenen zu verhandeln.

// Christian Russau

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Ulm: „Grüne Energie – für wen? Großstaudämme in Brasilien“, am 26.04. um 19:30 Uhr https://www.gegenstroemung.org/web/blog/ulm-gruene-energie-fuer-wen-grossstaudaemme-in-brasilien-am-26-04-um-1930-uhr/ Wed, 12 Apr 2017 09:35:29 +0000 http://www.gegenstroemung.org/web/?p=1416 „GRÜNE ENERGIE – FÜR WEN? GROßSTAUDÄMME IN AMAZONIEN“
Informations- und Diskussionsveranstaltung mit Verena Glass und Christian Russau
Zeit: Mittwoch, den 26.04.2017, um 19:30 Uhr
Ort: Museum der Brotkultur, Salzstadelgasse 10, 89073 Ulm

Im brasilianischen Amazonasgebiet wird zur Zeit der künftig drittgrößte Staudamm der Welt, Belo Monte am Fluss Xingu, bis 2019 fertiggestellt. Brasília plant darüber hinaus am Fluss Tapajós und seinen Zuflüssen eine Reihe von weiteren Großstaudämmen. Die Projekte werden trotz massiver nationaler und internationaler Kritik mit dem
Verweis auf die Vorteile „grüner“ und „sicherer“ Stromproduktion in Zeiten des Klimawandels propagiert und gegen den Widerstand der Betroffenen durchgesetzt. Die Menschen vor Ort werfen den Baukonzernen und Regierungen Umweltzerstörung und Missachtung der Rechte der lokalen Bevölkerung vor. Überdies komme der dort produzierte Strom der exportorientierten Industrie sowie den Ballungszentren in den Ländern zugute – die Bevölkerung vor Ort habe nichts davon.

Verena Glass (brasilianische Journalistin, Projektkoordinatiorin bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung in São Paulo, Movimento Xingu Vivo para Sempre) und Christian Russau (Journalist, Autor, GegenStrömung, Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre) geben aktuelle und Hintergrund-Infos zu den Staudamm-Projekten sowie zu
Verwicklungen deutscher und europäischer Konzerne in das brasilianische Staudamm-Business.

Veranstalter sind:
GegenStrömung, INFOE, Ulmer Netz für eine andere Welt e. V., Museum der Brotkultur, Verein Ulmer Weltladen e. V., Lateinamerika-Komitee Ulm e. V. und die Eine Welt-Regionalpromotorin, die Rosa-Luxemburg-Stiftung São Paulo und der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre

DER EINTRITT IST FREI!

Gefördert von ENGAGEMENT GLOBAL im Auftrag des

Gefördert mit Mitteln von

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München 25.4.2017: „Grüne Energie für wen? Großstaudämme in Amazonien“ https://www.gegenstroemung.org/web/blog/muenchen-gruene-energie-fuer-wen-grossstaudaemme-in-amazonien/ Wed, 01 Mar 2017 10:21:51 +0000 http://www.gegenstroemung.org/web/?p=1357 Informations- und Diskussionsveranstaltung mit:
Verena Glass (brasilianische Journalistin, Projektkoordinatorin bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung in São Paulo, Movimento Xingu Vivo para Sempre)
Christian Russau (Journalist, Autor, GegenStrömung, Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre)

Zeit & Ort: 25.4.2017, ab 18.30 Uhr, Seidlvilla, Nikolaiplatz 1b, 80802 München (www.seidlvilla.de)

Im brasilianischen Amazonasgebiet wird derzeit der drittgrößte Staudamm der Welt, Belo Monte am Fluss Xingu, bis 2019 fertiggestellt. Brasília plant zudem am Fluss Tapajós und seinen Zuflüssen eine Reihe von weiteren Großstaudämmen. Die Projekte werden trotz massiver nationaler und internationaler Kritik mit dem Verweis auf die Vorteile „grüner” und „sicherer” Stromproduktion in Zeiten des Klimawandels propagiert und gegen den Widerstand Betroffener durchgesetzt. Diese werfen den Baukonzernen und Regierungen Umweltzerstörung und Missachtung der Rechte der lokalen Bevölkerung vor. Überdies komme der dort produzierte Strom der exportorientierten Industrie sowie den Ballungszentren zugute – die Bevölkerung vor Ort habe nichts davon.

Verena Glass und Christian Russau werden aktuelle und Hintergrundinfos zu den Staudammprojekten sowie zu den Verwicklungen deutscher und europäischer Konzerne ins brasilianische Staudammbusiness geben.

Veranstaltet von:
Pro REGENWALD
GegenStrömung
INFOE
Rosa-Luxemburg-Stiftung São Paulo
FDCL
Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre
urgewald

Gefördert von ENGAGEMENT GLOBAL im Auftrag des

Gefördert mit Mitteln von

 

 

 

 

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