Wasserkraft – GegenStrömung https://www.gegenstroemung.org/web Mon, 02 Sep 2019 12:10:07 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.7.1 Offener Brief: Keine Equipment-Lieferung für Bergbauaktivitäten in Indigenen Territorien in Braslilien https://www.gegenstroemung.org/web/blog/offener-brief-keine-equipment-lieferung-fuer-bergbauaktivitaeten-in-indigenen-territorien-in-braslilien/ Mon, 02 Sep 2019 12:10:04 +0000 http://www.gegenstroemung.org/web/?p=1951 Berlin (29. August 2019): Wir haben uns mit einem offenen Brief an Siemens und Thyssen-Krupp gewandt, mit der Aufforderung sich nicht an Bergbauaktivitäten in Indigenen Territorien in Brasilien durch Equipment-Lieferungen zu beteiligen.

„Wir wenden uns an Sie vor dem Hintergrund, dass uns die neuesten Entwicklungen in Brasilien äußerst beunruhigen. „Die Lunge der Welt“ in Amazonien brennt in nie gekanntem Ausmaß. Die illegale Brandrodung ist größtenteils menschengemacht. Großgrundbesitzer, Bergbau-Konzerne und Rinderzüchter reißen die Territorien indigener Gruppen gewaltsam an sich. Gleichzeitig wird massiv Regenwald gerodet. Um 278% stieg die Fläche des gerodeten Waldes im Juli 2019 im Vergleich zum Vorjahr. Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro trägt eine große Mitverantwortung für diese Zerstörung von Umwelt und Weltklima.
Bolsonaro kündigt an, die indigenen Territorien des Landes für industrielle Landwirtschaft und Bergbau freizugeben

Bolsonaro hat angekündigt, dass Land der Indigenen dem Agrobusiness und Bergbau zur Verfügung zu stellen. Er verkauft das als Wohltat, die den Indigenen zugutekomme. Doch in Wahrheit reißen bewaffnete Banden das Land gewaltsam an sich. Die indigenen Gemeinschaften leben in ständiger Angst vor dem nächsten brutalen Angriff auf ihr Land.
„Dieses Gerede über indigene Völker ist rückwärtsgewandt und behandelt uns respektlos, unsere Geschichte, unsere Abstammung!“, protestierten 200 indigene Frauen vom Unteren Tapajós-Fluss in Amazonien in einer gemeinsamen Erklärung bereits im Januar 2019. Ihr Urteil fällt harsch aus: „Der Präsident vergleicht uns mit Tieren im Zoo, die in einem Käfig gefangen sind. Er macht absurde Aussagen über unsere Lebensweise und über unsere Wünsche als Bürgerinnen.“ Auch die Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen für die Rechte indigener Völker, Victoria Tauli-Corpuz, forderte die Regierung Bolsonaro explizit auf, die von Brasilien unterzeichneten internationalen Abkommen einzuhalten, die den Schutz indigener Völker und ihrer Territorien gewährleisten.

Angesichts der massiven Bedrohung der Integrität der indigenen Territorien durch die gezielte Öffnung für den Bergbausektor und das Agrobusiness fordern wir Sie als international tätiges Unternehmen auf:
• Erklären Sie öffentlich, dass Ihr Unternehmen keine Zulieferungen von Maschinen oder Dienstleistungen für den in Brasilien drohenden Bergbau in indigenen Territorien zur Verfügung stellen wird!
• Stellen Sie sicher, keine Produkte zu importieren, die aus Landraub in indigenen Territorien stammen!
• Bekennen Sie sich zu Menschenrechten und insbesondere zu den Rechten der Indigenen in Amazonien!

Die indigenen Gemeinden in Brasilien gehören zu den besten Verwaltern und Bewahrern großer Wälder und biologischer Vielfalt. Wenn ihre Rechte mit Füßen getreten werden, geht es allzu oft darum, weitere Inwertsetzungsspiralen durch klimaschädliche Abholzung in Gang zu setzen. Der Schutz indigener Landrechtsverteidiger ist daher nicht nur eine menschenrechtliche Notwendigkeit, sondern auch dringend erforderlich, um die Klimakrise zu mildern.

Hochachtungsvoll

Christian Russau, Vorstand Dachverband Kritische Aktionäre
Michael Reckordt, Koordinator AK Rohstoffe
Ernst-Christoph Stolper, stellvertretender Vorsitzender BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V.)

Zum offenen Brief an Siemens

Zum offenen Brief an Thyssen Krupp

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Tagung: Wasserkraft, der Klimawandel und die Ziele für Nachhaltige Entwicklung https://www.gegenstroemung.org/web/blog/tagung-wasserkraft-der-klimawandel-und-die-ziele-fuer-nachhaltige-entwicklung/ Mon, 29 Apr 2019 09:13:21 +0000 http://www.gegenstroemung.org/web/?p=1890  Gibt es Kriterien für eine nachhaltige Wasserkraftnutzung und wie kann eine zukunftsfähige, nachhaltige Energieversorgung für alle aussehen?


TAGUNG:
Berlin //  9. Mai // 9:30-16:45 // Refugio, Lenaustraße 3-4, 12047 Berlin 

Angesichts des menschengemachten Klimawandels sehen immer mehr Menschen die Notwendigkeit, aus der Energieversorgung mit fossilen Brenn­ stoffen auszusteigen; dies begrüßen wir sehr. Es stellt sich nun aber die Frage, mit welchen alternativen Energiequellen der projizierte Energiebedarf der Welt gestillt werden kann, um die UN­Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals – SDG) zu erreichen und gleichzeitig Kohlendioxyd­ emissionen einzusparen, so dass die Pariser Übereinkunft zum Klimaschutz erfüllt wird.Die Interessenvertretung der Wasserkraftindustrie, die International Hydropower Association (IHA), stellt derzeit Wasserkraft als geeignete Alternative zur Stromgewinnung dar. Vom 14. bis 16. Mai veranstaltet die IHA den World Hydropower Congress in Paris, um zu diskutieren, wie Wasserkraft dazu beitragen kann, die SDG und das Pariser Übereinkommen zum Klimaschutz zu erreichen. Doch Staudämme und andere Wasser­ kraftwerke haben zahlreiche negative Auswirkungen, die im Gegensatz zu den SDG stehen: Menschen müssen umgesiedelt werden, wichtige Öko­ systeme werden zerstört. Die Aufstauung begünstigt Faulungsprozesse in Flüssen, bei denen stark wirkende Treibhausgase wie Methan entstehen und das Klima weiter aufheizen. Gleichzeitig sind Wasserkraftwerke vom Klimawandel betroffen: Aufgrund veränderter Niederschlagsmuster kommt es häufger zu längeren Dürren, die von seltenen, aber heftigen Regenfällen unterbrochen werden – so werden Wasserkraftwerke entweder weniger effzient als geplant, oder katastrophale Unfälle drohen.Auf der Tagung „Wasserkraft, der Klimawandel und die Ziele für Nachhaltige Entwicklung“ wollen wir Befürworter*innen und Kriti­ ker*innen der Wasserkraftnutzung zusammenbringen, um die Vor­ und Nachteile der Wasserkraftnutzung für die SDG und das Pariser Abkommen zu diskutieren. Dabei wollen wir einen Fokus auf menschenrechtliche, soziale und ökologische Fragen legen. Ziel soll es sein, Kriterien für eine nachhaltige Wasserkraftnutzung zu entwickeln und zu diskutieren, wie eine zukunftsfähige, nachhaltige Energieversorgung für alle aussehen kann

mit unter anderem:

Andreia Fanzeres / Operação Amazônia Nativa – OPAN, Brasilien – Aktivistin für die Rechte Indigener in Brasilien.
Carmen Dienst / Wuppertal Institut – Leiterin des Forschungsbereichs Energiewende International und Zukünftige Energie­ und Industriesysteme

Prof. Dr. Florian Wittmann / Universität Karlsruhe – Professor für Auenökologie der mehrere Forschungsarbeiten zu den Auswirkungen von Wasserkraftwerken auf den amazonischen Regenwald publiziert hat.

Dr. Jürgen Schuol / Head of Sustainability Voith Hydro – Nachhaltigkeitsbeauftragter der Voith Hydro GmbH, einem der größten Ausstatter von Wasserkraftwerken der Welt.

Myint Zaw / Journalist und Aktivist, Myanmar – Goldman Umweltpreisträger / Asien 2015 für seine Arbeit zu den Sozial­ und Umweltfolgen des inzwischen suspendierten Myitsone Staudamms am Irrawaddy, Myanmar.

Dr. Sebastian Helgenberger / Institute For Advanced Sustainability Studies – Forscht zur internationalen Dimension der Energiewende und den sozialen und wirtschaftlichen Chancen eines ambitionierten Klimaschutzes mit erneuerbaren Energien

Tatiana Roa Avendaño / Censat Agua Viva, Kolumbien – Aktivistin gegen Staudämme in Kolumbien.
Martha Tipuici / Rede Juruena Vivo, Brasilien – Vertreterin der indigenen Manoki und Aktivistin gegen Wasserkraftwerke in der brasilianischen Amazonasregion.

Zur Anmeldung schreiben sie bitte  eine Mail an Marlene Ecker (marlene@infoe.de). Bitte geben Sie bei Ihrer Anmeldung an, ob wir Ihre Kontaktdaten in der Teilnehmerliste aufnehmen dürfen.

Kontakt:GegenStrömung, c/o Institut für Ökologie und Aktions­Ethnologie e. V. (INFOE), Luisenstr. 20 d, 14542 Werder (Havel). Dr. Thilo F. Papacek, Tel. 015141214519, thilo.papacek@gegenstroemung.org

Bischöfiches Hilfswerk MISEREOR e. V., Mozartstr. 9, 52064 Aachen. Antje Kathrin Schroeder, Tel. 049 241 442 577 , kathrin.schroeder@misereor.de

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// Dossier: Wasserkraft in Lateinamerika https://www.gegenstroemung.org/web/blog/dossier-wasserkraft-in-lateinamerika/ Mon, 31 Jul 2017 12:34:08 +0000 http://www.gegenstroemung.org/web/?p=1525 In den 1960er und 1970er Jahren galten große Wasserkraftwerke als Voraussetzung für eine gute wirtschaftliche Entwicklung in Lateinamerika. Nach über 50 Jahren Erfahrung fragen GegenStrömung und die Lateinamerika Nachrichten in diesem Dossier nach den Folgen der Wasserkraftnutzung in der Region. Dabei wollen wir vor allem auf die unbekannteren Auswirkungen dieser Technologie eingehen.

(Kostenloser Download des gesamten Dossiers am Ende des Artikels)

Staudamm Belo Monte. Foto: Christian Russau
Staudamm Belo Monte. Foto: Christian Russau

„Erneuerbare Energien sind zweifellos die nachhaltigste Antwort auf den wachsenden weltweiten Energiebedarf. Die Wasserkraft spielt eine entscheidende Rolle bei der nachhaltigen und umweltfreundlichen Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien und ist weltweit die größte erneuerbare Quelle für die Strom­erzeugung.“ So steht es in einer Pressemitteilung des deutschen Konzerns Voith Hydro, der zu den Marktführern bei der Produktion von Turbinen und anderer Ausstattung für Wasserkraftwerke gehört.
Die Argumentation erscheint schlüssig: Wasserkraft ist eine grüne Energiequelle, da kein Erdöl, Gas oder Kohle zur Stromgewinnung verbrannt werden. Auch der Einsatz radioaktiver Elemente ist für den Betrieb eines Wasserkraftwerks nicht notwendig. So erscheint Wasserkraft als älteste regenerative Energiequelle.
Gleichzeitig kann man mit Wasserkraftwerken weitestgehend zuverlässig enorme Mengen Energie erzeugen. Von den weltweit zehn größten Kraftwerken sind neun Wasser­kraftwerke. Insbesondere für Länder des Globalen Südens, so die Fürsprecher*innen der Wasserkraft, biete diese Energiequelle eine attraktive Möglichkeit, günstig umweltfreundlichen Strom zu erzeugen.
Gerade angesichts der Herausforderungen des Klimawandels erscheint so Wasserkraft als eine notwendige und wichtige Technologie. Diese Sichtweise propagiert auch die International Hydropower Association (IHA), in der sich Konzerne und Investor*innen aus aller Welt organisieren, die im Geschäft mit der Wasserkraft aktiv sind. Auf dem diesjährigen Kongress der IHA, der im Mai in Addis Abeba stattfand, bezogen sich viele Diskussionen sowohl auf die UN-Ziele für eine nachhaltige Entwicklung (SDG) als auch das Pariser Klima­abkommen. Beide beinhalten die Verpflichtung, den Zugang zu Elektrizität und Wasser unter Be­rücksichtigung des Klimawandels zu verbessern und die Wasserkraftindustrie ist darum bemüht, ihre Technologie als Lösung beider Probleme darzustellen.

Zentral- und insbesondere Südamerika sind Vor­zeigeregionen für die Wasserkraft. Von den zehn größten Wasserkraftwerken der Welt stehen vier in Südamerika. In Brasilien und Venezuela werden über 80 Prozent der genutzten Elektrizität mit Wasser­kraft generiert. Seit den 1960er Jahre investieren lateinamerikanische Länder massiv in Wasser­kraftwerke, da sie als Voraussetzung für eine angestrebte wirtschaftliche Entwicklung galten. Vorreiter war und ist vor allem Brasilien, das die Entwicklung dieser Technologie nicht nur im eigenen Land, sondern auch in den Nachbarstaaten, vorantreibt. So steht das zweitgrößte Wasser­kraftwerk der Welt, Itaipú, auf der Grenze zwischen Brasilien und Paraguay und wird von einem binationalen Konzern kontrolliert.
Wasserkraft in Brasilien – Eine Erfolgsgeschichte? Viele deuten dies so. Die Industrie der größten Volkswirtschaft Lateinamerikas hängt von der Energie aus Staudämmen und Laufwasser­kraft­werken ab. Und der deutsche Konzern Voith Hydro verweist auf seiner Webseite stolz darauf, dass er einen Teil der Turbinen von Itaipú geliefert habe. Iatipu deckt knapp 17 Prozent des brasilianischen und 75 Prozent des paraguayischen Strombedarfs. Das Kraftwerk hat zur industriellen Entwicklung im Ballungsraum São Paulo beigetragen. Deshalb wird gerade Itaipú als das Paradebeispiel für einen erfolgreichen Staudamm präsentiert, dem die beteiligten Staaten Brasilien und Paraguay viel zu verdanken hätten.
Doch die Darstellung der Wasserkraft als un­eingeschränkt positiv zu bewertende Technologie blendet ihre zahlreichen negativen Seiten aus. So zeigen jüngere wissenschaftliche Studien, dass der so hochgelobte Itaipú-Staudamm wahrscheinlich niemals seine Baukosten wieder einbringen werde. Vor allem Paraguay hat schwer unter der Schul­denlast, die das pharaonisch anmutende Projekt verursacht hat, zu tragen. Die linksgerichtete Regierung von Fernando Lugo strebte während ihrer Amtszeit (2008-2012) deshalb auch eine erneute Verhandlung mit Brasilien über die Aufteilung der Schulden an.
Staudämme können also nicht nur die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes stärken, sondern auch für massive finanzielle Probleme sorgen. Ein Forschungsteam der Universität Oxford unter Leitung des dänischen Wirtschaftsgeographen Bent Flyvbjerg hat 2014 eine Studie publiziert, die genau dieser Frage nachging: Wie sinnvoll sind Staudämme für die wirtschaftliche Entwicklung von Ländern des Globalen Südens? Sie haben 245 Staudämme, die seit 1934 gebaut worden sind, untersucht. Heraus kam, dass der Bau diese Dämme im Durchschnitt 96 Prozent mehr gekostet hat, als ursprünglich veranschlagt. Bei zwei von zehn Dämmen stiegen die Kosten um mehr als 100 Prozent, bei einem von zehn Dämmen sogar über 300 Prozent vom ursprünglich veranschlagten Wert.
Hauptgrund für die hohen Kosten sind Verzögerungen beim Bau. Bei acht von zehn Projekten dauerte der Bau eines Staudamms oder eines anderen Wasserkraftwerks länger als geplant – im Durchschnitt etwa acht Jahre länger, aber oft weit mehr als zehn. Ein aktuelles Beispiel ist das Alto-Maipo-Projekt in Chile, dessen Bau sich immer wieder verzögert und dessen Kosten deshalb explodieren (siehe Artikel).
Aus diesem Grund sind große Staudammprojekte – die meist von Staaten finanziert werden – oft der Grund für die massive Verschuldung von Ländern des Globalen Südens, den sogenannten Entwicklungsländern. Dem Wissen­schaftler Flyvbjerg zufolge belastete die Schul­denlast, die aus dem Itaipú Staudamm entstand, die brasilianischen Staatsfinanzen für Jahrzehnte. Der Bau war damit für die Hyperinflation in den 1970er und 1980er Jahren mindestens mitverantwortlich.
Vor diesem Hintergrund erscheint es geradezu fahrlässig, wenn ohnehin verarmte Länder große Staudammprojekte planen. Doch das ärmste Land Südamerikas, Bolivien plant genau das. Die Kraftwerke El Bala und Chepete sollen, in den Worten von Regierungsvertreter*innen, Bolivien zum „energetischen Herzen Südamerikas“ machen. Der Strom soll nach Brasilien und Argentinien exportiert werden. Dabei würde das Projekt die Schulden des Staates fast verdoppeln – wenn sich die Baukosten im geplanten Rahmen bewegen. Die Regierung will das Projekt durchbringen, obwohl alles danach aussieht, als ob das Geschäft mit dem Stromexport niemals lukrativ genug sein wird, um das Projekt zu rechtfertigen. Wir sprachen mit dem bolivianischen Aktivisten Pablo Solón über die Ungereimtheiten dieses Projektes (siehe Artikel).
Auch Peru will zum Stromexporteur werden. Dort sind über 20 Staudämme am Marañón, dem wichtigsten Quellfluss des Amazonas, geplant. Doch die ökologischen Folgen wären enorm: Sedimente würden nicht mehr ins amazonische Tiefland transportiert, was die Fruchtbarkeit der dortigen Böden verringern würde. Fische könnten nicht mehr zu ihren Laichplätzen migrieren, viele Arten würden womöglich aussterben – und Fisch ist die Nah­rungs­grundlage für den Großteil der Bevölkerung im Amazonasgebiet. Über die zu erwartenden ökologischen Folgen dieser Projekte sprachen wir mit der Biologin Dr. Claudia Koch (siehe Artikel).
Befürworter*innen der Wasserkraft führen gerne ins Feld, dass die positiven Entwicklungs­mög­lichkeiten die negativen ökologischen Effekte der Wasserkraft aufwiegen würden. Doch von Ent­wicklungsmöglichkeiten spürt die lokale Bevöl­kerung um die Wasserkraftwerke meist wenig. Wir durften ein Interview mit dem brasilianischen Wissenschaftler und Aktivisten Assis Oliveira nachdrucken, in dem der von der Situation in Altamira berichtet. Seit auf dem Gemeindegebiet das Laufwasserkraftwerk Belo Monte gebaut wird – das nach Fertigstellung das zweitgrößte Wasserkraftwerk der Welt sein wird – haben sich die Lebensbedingungen dort eher zum Schlechten entwickelt. Viele Arbeiter*innen sind nach Beendigung des Großteils der Bauarbeiten ein­kommenslos, die Kriminalität grassiert (siehe Artikel).
Von der Energie, die in den Kraftwerken erzeugt wird, profitieren meist Andere. Oft geht der Strom an extraktivistische Industriezweige, wie Bergbau oder Ölförderung, die zusätzliche Umweltprobleme verursachen, wie etwa das bereits genannte Beispiel Alto Maipo zeigt (siehe Artikel).
Doch Staudämme sollen mitunter nicht nur der Energieproduktion dienen. Ein anderer Effekt ist, dass man mit ihnen Flüsse anstauen kann, damit sie zu Wasserstraßen werden. Ein Beispiel dafür sind die geplanten Staudämme am Tapajós-Fluss in der brasilianischen Amazonasregion. Auf den Zu­sam­menhang zwischen Expansion der Agrarindustrie, Zerstörung des Regenwaldes und großen Infrastrukturprojekten wie Staudämmen und Eisenbahnen gehen wir in einem weiteren Artikel ein.
Große Staudämme werden meistens von staatlichen Institutionen gebaut und betrieben. Doch Klein­wasserkraftwerke, die oft von privaten Investoren gebaut werden, um die Energieversorgung von Bergwerken zu gewährleisten, sind meist nicht weniger konfliktbeladen. Oft kommt es zu Wasserkonflikten zwischen den Kraft­werks­be­treiber*innen und lokalen Gemeinden. Doch die Gemeinden organisieren bisweilen erfolgreichen Widerstand, wie etwa in den süd­mex­i­kanischen Bundestaaten Oaxaca und Puebla (siehe Artikel).
Doch derartiger Widerstand wird oft kriminalisiert oder gewaltsam unterdrückt. Bekanntestes Beispiel ist sicher der Fall von Berta Cáceres, die im März vergangenen Jahres ermordet worden ist, was für weltweite Empörung sorgte. Grund für den Mord an ihr war, dass sie den Widerstand gegen das geplante Kleinwasserkraftwerk Agua Zarca organisierte (siehe Artikel). Doch auch in anderen Ländern werden Staudämme gewaltsam gegen den Willen der lokalen Bevölkerung durchgesetzt. Betroffen sind meist indigene Gemeinden und so reproduzieren sich in den Konflikten um Wasserkraftwerke koloniale Gewaltverhältnisse, wie der Konflikt um das Projekt Oxec II in Guatemala zeigt (siehe Artikel).
Sowohl am Kraftwerkprojekt Oxec II als auch Agua Zarca sind europäische und deutsche Akteure beteiligt. Europäische und deutsche Konzerne finanzieren, versichern und beliefern Wasser­kraftwerksprojekte in ganz Lateinamerika. So wird auch das hochumstrittene Staudammprojekt in Panama, Barro Blanco, dass das Territorium der indigenen Ngöbe Bugle bedroht, von der Deutschen Ent­wic­klungs­gesellschaft mbH, einer Tochter der Kreditanstalt für Wiederaufbau, mitfinanziert (siehe Artikel).
Staudammbefürworter*innen leugnen meist diese negativen Konsequenzen der Wasserkraftnutzung nicht, sagen aber, dass die positiven Seiten die negativen überwiegen. Ein Aspekt, der gerne zugunsten der Wasserkraft aufgezählt wird, ist ihre Verlässlichkeit. Doch angesichts des Klimawandels wird die Zuverlässigkeit der Wasserkraft immer fragwürdiger. Immer mehr Studien beschäftigen sich mit den Auswirkungen des Klimawandels auf die Wasserkraft. Durch den Klimawandel werden sich sowohl Starkregenereignisse, die die Sicherheit der Wasserkraftwerke gefährden, häufen, als auch Dürren, die dann zum Ausfall der vermeintlich zuverlässigen Energiequelle führen. Bestes Beispiel ist Venezuela, wo aufgrund von Dürren die Stromversorgung, die fast ausschließlich vom Guri-Staudamm abhängt, mehrmals ausgefallen ist (siehe Artikel).
Doch Wasserkraft wird nicht nur vom Klimawandel beeinflusst, sondern wirkt sich auch auf das Klima aus. Befürworter*innen der Wasserkraft verweisen gerne darauf, dass Wasserkraftwerke nicht das Treibhausgas Kohlendioxid ausstoßen. Doch in den Reservoirs von Staudämme oder in langsam fließenden Flüssen, deren Fließgeschwindigkeit durch Wasserkraftwerke gebremst wird, verrotten organische Materialien zu Methangas. Methan ist nach Angaben des deutschen Umweltbundesamts ein 25mal stärker wirkendes Treibhausgas als Kohlendioxid. Aus diesem Grund emittiert das Wasserkraftwerk Balbina im bra­silianischen Amazonasgebiet mehr Treib­haus­gase, als ein modernes Gaskraftwerk, wie der ame­rikanische Wissenschaftler Philipp Fearnside berechnet hat. Mit diesem Dossier wollen wir die Diskussion um die Wasserkraft bereichern und auf die weniger bekannten problematischen Aspekte dieser Technologie aufmerksam machen. Es lohnt sich, diese Technologie, die in der Vergangenheit oft überschwänglich als „grün“, „verlässlich“ und „nachhaltig“ tituliert wurde, neu zu bewerten.

-> Freier Download des Dossiers bei den Lateinamerika Nachrichten

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Proteste gegen Zwangsumsiedlung durch den Upper Yeywa-Staudamm in Myanmar https://www.gegenstroemung.org/web/blog/proteste-gegen-zwangsumsiedlung-durch-den-upper-yeywa-staudamm-in-myanmar/ Tue, 28 Mar 2017 13:23:59 +0000 http://www.gegenstroemung.org/web/?p=1398 Von Christian Russau, GegenStrömung

Am 21. März dieses Jahres haben sich 400 Anwohner*innen aus 20 Gemeinden am Namtu-Fluss im Norden Myanmars am Flussufer versammelt, um gegen den Bau des umstrittenen 308 Megawatt starken Upper Yeywa-Staudamm zu protestieren. Dies berichtete die Tageszeitung Myanmar Times in ihrer neuesten Ausgabe.

Einer der Protestierenden, den die Myanmar Times zitierte, eine Bäuerin aus dem Dorf Wan Talong, das 15 Kilometer von der im Bau befindlichen Talsperre entfernt liegt, sagte, dass der Damm die Häuser und Grundstücke von etwa 650 Menschen in ihrem Dorf sowie alte historische Stätten überfluten werde. Die Bäuerin Nann Lao Kham erklärte auf der Versammlung der Dorfbewohner*innen, die Regierung habe den Dorfbewohnern gesagt, dass sie ab 2014 ausziehen sollten, aber sie weigerten sich, da sie als Fischer und Landwirte auf die Ressourcen des Namtu-Flusses für ihren Lebensunterhalt angewiesen seien. „Wir wollen nicht aus unserem Dorf wegziehen. Der Boden neben dem Fluss ist sehr gut für die Landwirtschaft“, sagte Nann Lao Kham. Es gibt viele Bauernhöfe im Besitz der Dorfbewohner am Fluss. Einige der Dorfbewohner verdienen ihren Lebensunterhalt durch Fischfang im Fluss. „Der Damm wurde 2007 geplant. Wir wurden damals über den Bau des Dammes informiert und uns wurde gesagt, dass wir 2014 aus unserem Dorf weg sein müssten“, so die Kleinbäuerin Nann Lao Kham.

Es handelt sich bei dem Protest um den mittlerweile schon vierten Protest der Betroffenen, die sich gegen ihre Zwangsumsiedlung durch den Staudamm zur Wehr setzen. Im Jahr 2016 hatten die Betroffenen bereits drei Mal gegen den Staudammbau protestiert, wie das Burma Rivers Network berichtete.

Der Upper Yeywa-Staudamm im nördlichen Staat Shan in Myanmar wird ein 60 Kilometer langes Staureservoir schaffen und dabei die Ortschaft Hsipaw fluten, so dass an die 650 Menschen umgesiedelt werden müssten. Der Ort des Staudammbaus befindet sich rund 130 Kilometer flussaufwärts des bereits in Betrieb befindlichem Yeywa-Staudamms. Der Namtu-Fluss hat mehrere Namen, neben Namtu wird er auch oft Myitnge oder Dokhtawaddy River genannt, der einer der größten Zuflüsse des Ayeyarwady River (Irrawaddy River) ist. Hinzu kommt, dass in dem betroffenen Gebiet die Kyaukyan-Linie verlaufe, eine tektonische Bruchlinie, an der im Jahre 1912 das größte bisher in Myanmar gemessene Erdbeben geschah.

Gebaut wird der Staudamm im Auftrag der Myanmar Electric Power Enterprise, laut Presseberichten ist Zhejiang Orient Engineering als chinesische Staatsfirma ebenfalls an dem Bau beteiligt. Die Bau- und Zulieferleistungen erfolgen durch chinesische, schweizerische und deutsche Firmen. Toshibas chinesische Tochterfirma Toshiba Hydro Power mit Sitz in Hangzhou wird die vier Wasserkraftturbinen mit je 77 Megawatt Nominalleistung sowie Generatoren liefern. Aus Deutschland ist Lahmeyer als Ingenieursdienstleisterin beteiligt, dies gemeinsam mit der schweizerischen Firma Stucky.

Lahmeyer weist eine lange Erfahrung mit Staudammprojekten aus. „Lahmeyer International bietet als international führendes Ingenieurunternehmen ein breites Spektrum an Planungs- und Beratungsleistungen. Die Schwerpunkte unserer Leistungen liegen in komplexen Infrastrukturprojekten auf den Gebieten Energie, Wasser und Wasserkraft. Der Name Lahmeyer steht für Erfahrung, Qualität und internationale Kompetenz, die wir sowohl in Entwicklungs- und Schwellenländern Afrikas, Asiens und Südamerikas, als auch in Deutschland und Europa unter Beweis stellen. Bei der erfolgreichen Verwirklichung der Projektideen orientieren wir uns an deutschen und internationalen Qualitätsstandards.“

Lahmeyer war bisher in über 140 Ländern der Welt aktiv und unterhält derzeit in 40 Staaten Regionalbüros. Die Eigentümerschaft Lahmeyers wechselte seit den späten 1990er Jahren mehrmals, unter den jeweils anteiligen Besitzern fanden sich namhafte Größen wie RWE, Deutsche Bank und Dresdner Bank und seit Dezember 2014 gehört Lahmeyer zu Tractebel Engineering und ist damit Teil der ehemaligen GDF SUEZ Gruppe – heute ENGIE.

Lahmeyer ist seit Jahren Gegenstand der heftigen Kontroverse zwischen Menschenrechtsgruppen und dem Konzern. Die Ursache: Es ging um die Anweisung zur Flutung des sudanesischen Merowe-Staudamms, obwohl laut Aussagen der Menschenrechtsorganisationen die von der Flutung betroffenen Menschen nicht rechtzeitig in Kenntnis gesetzt worden wären. Leitende Angestellte von Lahmeyers International GmbH aus Bad Vilbel in Hessen mussten sich vor deutschen Gerichten im Falle einer Strafanzeige, die das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) im Mai 2010 bei der Staatsanwaltschaft in Frankfurt am Main einreichte, verteidigen. Das deutsche Unternehmen war beim Bau des Merowe-Staudammes eben als Bauleitung beteiligt – und hatte dadurch die Entschiedungsbefugnis, die Flutung der Region in die Tat umsetzen zu lassen. In der Strafanzeige wurde den beiden Mitarbeitern vorgeworfen, für die Überflutung von mehr als 30 Dörfern, für die Vertreibung von mehr als 4.700 Familien sowie die Zerstörung von deren Lebensgrundlage – Häuser und Ernten wurden ebenso vernichtet wie Nutztiere und sonstiges Hab und Gut – mitverantwortlich zu sein. Im April 2011 nahm die Staatsanwaltschaft Frankfurt Ermittlungen auf und hörte zunächst zahlreiche Zeuginnen und Zeugen. Ende April 2016 hat die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main das Ermittlungsverfahren gegen zwei Manager des Unternehmens Lahmeyer International GmbH aus Bad Vilbel (Hessen) eingestellt.

Derzeit liefert Wasserkraft rund 75 Prozent der installierten Stromleistung in Myanmar. Der Upper Yeywa-Staudamm soll bis zum Jahr 2018 fertig gestellt werden. Derweil plant Myanmar den Bau von mindestens fünf weiteren Staudämmen, um so durch zusätzliche 1.500 Megawatt installierte Leistung an Wasserkraftwerken die Gesamtkapazität Myanmars im Wasserkraftsektor um die Hälfte zu erhöhen.

 

Mehr Informationen zum weltweiten Geschäft mit der Wasserkraft, ihren ökologischen Folgen und den Verbindungen zu europäischen Konzernen finden sie in in unserer aktuellen Studie.

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