Rückzug von Voith Hydro aus umstrittenen Kraftwerkprojekt in Honduras

Das deutsche Unternehmen muss für die jahrelange Tatenlosigkeit Verantwortung übernehmen

Am 4. Mai kündigte das Unternehmen Voith Hydro an, aus dem umstrittenen Wasserkraftwerksprojekt Agua Zarca in Honduras auszusteigen. Damit reagiert das Unternehmen auf die Festnahme von vier Tatverdächtigen für den Mord an der Menschenrechts- und Umweltaktivistin Berta Cáceres in Honduras. „Abhängig vom weiteren Verlauf und den Ergebnissen der Ermittlungen werden wir entscheiden, ob die Lieferungen [an Agua Zarca] wieder aufgenommen werden können“, hieß es in einer entsprechenden Pressemitteilung von Voith Hydro. Unter den am 2. Mai festgenommenen Verdächtigen ist Sergio Rodriguez, der Manager für soziale und Umweltfragen des honduranischen Unternehmens Desarollo Energético S.A. (DESA), einem Kunden von Voith Hydro.

Das Unternehmen DESA hat bereits begonnen, dass Laufwasserkraftwerk zu bauen, Voith Hydro wollte die Turbinen, die Generatoren und die Automatisierungstechnik für das Kraftwerk liefern. Das Projekt soll am am Gualcarque-Fluss, der den indigenen Lenca heilig ist, entstehen und hätte schwerwiegende Folgen für die Anwohner*innen und die Umwelt. Seit Jahren setzte sich Berta Cáceres gegen das geplante Kraftwerk ein und erhielt dafür zahlreiche Morddrohungen. Mit dem von ihr mitgegründeten und koordinierten Zivilen Indigenen- und Volksrat von Honduras (COPINH) kämpfte sie gegen das geplante Kraftwerk und für die Landtitel der indigenen Lenca. Im vergangenen Jahr wurde sie mit dem prestigeträchtigen Goldman-Umweltpreis ausgezeichnet. Am 2. März wurde sie in ihrem Haus überfallen und erschossen. Dies war der Höhepunkt einer Repressionswelle gegen Aktivist*innen des COPINH und andere Gegner*innen des Projektes Agua Zarcas, die vom Unternehmen DESA und eng verbündeten staatlichen Sicherheitskräften ausging, und der bereits zuvor mehrere Menschenleben zum Opfer fielen.

Seit Jahren ist die Geschäftsführung von Voith Hydro über die Repression im Kontext von Agua Zarca unterrichtet. Seit Juli 2011 machten regelmäßig verschiedene Nichtregierungsorganisationen, darunter das Ökumenische Büro für Frieden und Gerechtigkeit e.V. und der Dachverband der kritischen Aktionäre, die Geschäftsführung von Voith Hydro auf die Menschenrechtsverbrechen, die von DESA und honduranischen Sicherheitsbehörden ausgehen, aufmerksam. Entsprechende Briefe gingen an die Geschäftsführung der Voith GmbH und der Siemens AG, denen Voith Hydro gemeinschaftlich gehört. Dennoch sah das Unternehmen keinen Anlass, sich von dem Geschäft mit der DESA zurückzuziehen. Erst nach den letzten Ereignissen und der weltweiten Aufmerksamkeit für den Mord an Berta Cáceres sah Voith Hydro sich endlich veranlasst, aus einem Projekt auszusteigen, das bereits zahlreiche Morde und Repressionen in Honduras hervorgebracht hat.

Ungeachtet der internationalen Solidarität und Aufmerksamkeit gehen indes Repressionen und Gewalt gegen Kritiker*innen des Projekts weiter. Am Tag der Festnahmen der mutmaßlichen Mörder wurden zwei Attentate auf Félix Molina verübt, einem unabhängigen Journalisten, wobei er mit Schüssen in die Beine verletzt wurde. Am selben Tag hatte er Hintergrundinformationen zu den Verdächtigen veröffentlicht. Auch Mitglieder von COPINH sind permanenten Bedrohungen ausgesetzt, zuletzt wurde Francisco Javier Sanchez, Gemeindepräsident von Río Blanco – einer von Agua Zarca betroffenen Gemeinde –, während einer friedlichen Demonstration von Polizisten verletzt. Hinzu kommt eine neue Dimension der Repression gegen internationale Menschenrechtsbeobachter*innen. Auch sie sind Ziel von Gewalt durch Sicherheitskräfte und Mitarbeiter der Firma DESA. Eine italienische Aktivistin wurde von honduranischen Sicherheitskräften zeitweilig festgehalten und ihr droht wegen vermeintlicher Anstiftung zur Gewalt ein Verfahren oder die Ausweisung.

Gemäß den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte ist Voith Hydro, und Siemens als Gesellschafter der Firma, dafür verantwortlich, Sorge zu tragen, dass bei all‘ ihren Geschäften die Menschenrechte gewahrt bleiben. Diese Pflicht hat die Firma im vorliegenden Fall eklatant missachtet. Trotz mehrfachen und wiederholten Hinweisen auf Menschenrechtsverbrechen hielt sie an dem Projekt fest. Durch Aufrechterhaltung des Liefervertrages für drei Francis-Turbinen, Generatoren und Automatisierungstechnik hat Voith Hydro das honduranische Unternehmen DESA darin bestärkt, das Projekt Agua Zarca – auch mit Gewalt – durchzusetzen. Durch ihre jahrelange Tatenlosigkeit angesichts der Repression in Honduras trägt Voith Hydro eine Mitschuld für jahrelange Konflikte, Repressionen und Morde, die Umfeld von Agua Zarca stattgefunden haben und noch immer stattfinden. Die undemokratische und illegitime Durchsetzung des Projekts hat zu einer bis heute anhaltenden Spirale der Gewalt geführt, das Territorium der Lenca wurde militarisiert und die Gemeinden sind durch Korruption und Vetternwirtschaft tief gespalten.

Es ist zwar ein wichtiges Signal, dass sich das Unternehmen – vorläufig – aus dem Projekt zurückzieht. Dies reicht aber bei weitem nicht aus! Angesichts der anhaltenden Gewalt muss sich Voith Hydro unverzüglich und endgültig aus dem Projekt zurückziehen. Darüber hinaus muss das Unternehmen seine Verantwortung wahrnehmen und für den erfolgten Schaden aufkommen.

Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile Lateinamerika e.V. // GegenStrömung/INFOE e.V.

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