Der Ilısu-Staudamm soll ab 10. Juni gefüllt werden, Irak fürchtet Wasserknappheit

Türkeis Präsident Recep Tayyip Erdoğan erklärte auf einer Veranstaltung in der Stadt Mardin, im Südosten der Türkei, rund 100 Kilometer von Hasankeyf entfernt, wo der Staudamm Ilısu die jahrtausendalte Stadt fluten soll, dass die Türkei mit der Flutung des in Zukunft 1,2 GW-großen Wasserkraftwerks Ilısu am 10. Juni dieses Jahres beginnen werde. Erdoğans Erklärung folgte nur wenige Tage, nachdem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EuGMR) über die Klage von fünf Personen aus der Türkei, die die Flutung des kulturellen Erbes Hasankeyfs durch den Ilisu-Staudamm ablehnen, abschlägig geurteilt hatte, da das Gericht, 13 Jahre nach der ersten Klageeinreichung durch die Betroffenen, eine Verletzung des Rechts auf Bildung der kommenden Generationen verneinte, so das Gericht (GegenStrömung berichtete).

Der Irak protestierte umgehend gegen Erdoğans Ankündigung zur Flutung. Denn im Irak herrscht bereits seit letztem Jahr eine schwere Dürre, woraufhin Iraks Regierung aufgrund der Wasserknappheit Maßnahmen wie Verbote des Reisanbaus ergriffen hat und die Landwirte dazu zwang, ihr Land de facto nicht weiter landwirtschaftlich nutzend zu dürfen, da ihnen keine ausreichenden Wasserentnahmerechte mehr zugeteilt wurden. Die Provinz Basra hat in den vergangenen Monaten anhaltende Straßenproteste wegen des Mangels an sauberem Trinkwasser erlebt. Die Türkei hatte im Juni letzten Jahres kurz damit begonnen, den Damm zu füllen, aber eine Woche später wurde die Flutung vorübergehend gestoppt, nachdem der Irak sich über reduzierte Wassermengen im Hochsommer beschwert hatte. Rund 70 Prozent des irakischen Wassers stammt aus den Nachbarländern, darunter Tigris und Euphrat, die durch die Türkei fließen.

Der Ilısu-Staudamm steht seit über einem Jahrzehnt im Zentrum der Kritik von Betroffenen und internationalen Nichtregierungsorganisationen. Im Jahr 2009 hatten die Regierungen Deutschlands, der Schweiz und Österreichs infolge massiver internationaler Proteste der Zivilgesellschaft Exportbürgschaften für das Projekt zurückgezogen, da die türkische Regierung Auflagen, die das Vorhaben mit internationalen Standards in Einklang bringen sollten, nicht erfüllte. Der österreichische Anlagenbauer Andritz und Schweizer Consultants verblieben dennoch im Projekt und trieben es weiter voran. Ab Juni sollen die Flutwehre geschlossen und der Stausee gefüllt werden.

// christian russau