Protest gegen Sardar Sarovar-Staudamm: Menschen harren trotz steigenden Fluten auf ihrem Land aus

Die Flutung des Staudamms von Sardar Sarovar an der Narmada in Indien schreitet voran, gegenwärtig hat die Narmada bei der Stadt Rajghat die Wasserhöhe von 124,5 Meter erreicht, der Scheitelpunkt läge bautechnisch bei 138 Metern, so die Behörden. Immer mehr Landfläche wird geflutet, doch verharren noch immer Tausende Kleinbäuerinnen und -bauern entlang des Flusses in den vier Distrikten von Dhar, Barwani, Alirajpur und Khargone in Madhya Pradesh aus, weigern sich, ihre Häuser und Land zu verlassen, wie jüngste Medienberichte mitteilen.

Die Behörden sagen, dies sei noch nicht beunruhigend, da es wegen der Regenzeit immer im August zu höheren Fluständen käme, vorsichtshalber hätten sie die Schliessung erster Brücken angewiesen, da das Wasser nur knapp unter der Brücke entlangfliesse. Zudem erklärten die Behörden, dass alle Umzusiedelnden Entschädigungen erhalten würden und dass bereits 3.000 Überhangshäuser für umgesiedelte Peronen errichtet wurden und dass 88 fertige Umsiedlungszentren „mit den notwendigen Annehmlichkeiten“ bezugsfertig seine. Offiziellen Schätzungen zufolge müssen für die abschliessende Flutung des Sardar Sarovar-Staudamm 18.386 Familien aus 141 Dörfern in Madhya Pradesh umgesiedelt werden. Die Widerstandsbewegung gegen die Narmada-Stadudämme Narmada Bachao Andolan hingegen geht von 40.000 Familien aus 192 Dörfern aus, die für den Staudammbau zwangsumgesiedelt werden müssen. Die Flutung zur Höchststauung war im Juni dieses Jahres eingeleitet worden.

Der Narmada-Fluss ist mit über 1.312 Kilometern Länge der fünftlängste Fluss Indiens und bildet die geographische Grenze zwischen Nord- und Südindien. Von den insgesamt über 3.000 in Planung befindlichen Dämmen am Narmada ist der Sardar Sarovar-Damm, der größte und der umstrittenste.

Bereits in den 1940er Jahren entstanden erste Pläne den Narmada mehrfach zu stauen und durch die Mehrfachnutzung eine tiefgreifende Entwicklung für Indien zu erreichen: Das Wasser des Narmada sollte Strom und Trinkwasser für bis zu 30 Millionen Menschen liefern und durch Kanalbauten die Landwirtschaft bewässern, und so bis zu 20 Millionen Menschen ernähren helfen. Eine win-win-Situation? Es dauerte noch Jahrzehnte, bis begonnen wurde, diese Pläne umzusetzen.

Aber ab dem Jahr 1989 entstand ein ungeahnter Widerstand. Im Narmada-Tal, direkt am Fluss, trafen sich in jenem Jahr rund 50.000 Menschen, um gegen die Staudammpläne zu protestieren. Denn allein durch den ersten Damm, den Sardar Sarovar-Damm, mussten 30-40.000 Menschen zwangsumgesiedelt werden. Sollten die weiteren Pläne der indischen Regierung für weitere Dammbauten am Narmada-Fluss auch nur annähernd durchgesetzt werden, so wurde befürchtet, dass diese Zahl auf 200.000 Menschen steigen würde, darunter auch indigene Gruppen, die am und vom Fluss leben.

Im Jahr 1985 gewährte die Weltbank einen Kredit in Höhe von 450 Millionen US-Dollar für den Sardar Sarovar-Dammobwohl schon damals die Unvereinbarkeit des Projekts mit den sozialen und Umweltvorgaben publik gemacht worden war. Es war vor allem der Zusammenschluss Narmada Bachao Andolan, einer Koalition sozialer Bewegungen und Nichtregierungsorganisationen, die national wie international für lautstarken Widerstand und Protest sorgten. Trotz allen Widerstands ging der Dammbau dennoch weiter, da die Regierung des Bundesstaats Gujarat die Finanzierung übernahm. Erst 1995 stoppte der Oberste Gerichtshof Indiens die Bauarbeiten, um sie im Jahr 2000 dann wieder freizugeben. Das Gericht genehmigte allerdings für die Staumauer nur eine niedrigere Bauhöhe, als von den Bauherren gewünscht, aber immer noch höher als von den Gegner/innen gefordert. Die Höhe ist bei diesem Staudammprojekt von enormer Bedeutung, da sie über die Größe des gefluteten Terrains und damit der Anzahl der Umgesiedelten entscheidet. Nun gibt es über die Größe des zu flutenden Terrains und über die Zahlen der direkt und indirekt betroffenen noch immer Uneinigkeit – und die vor Ort lebenden Menschen geraten in Gefahr von Leib, Leben – und ihres Landes.

// Christian Russau