Anhaltender Streit um Rückbau der Staudämme am Klamath River in den USA

Am Klamath River, einem Fluss im Süden Oregons und Norden Kaliforniens in den Vereinigten Staaten, sollen vier Dämme zurückgebaut werden. Die vier Dämme am Klamath River sollen ab 2021 nach mehr als hundert Jahren Betrieb zurückgebaut werden, damit der Lachs auf den zusammen rund 650 Kilometern des Klamath Rivers und seiner Zuflüsse wieder frei ziehen kann. Diesen Sommer kam es zu neuen Unstimmigkeiten über den Rückbau zwischen Behörden, Betroffenen und Eigentümer:innen der Dämme, wobei es größtenteils um Finanzierungs- und Haftungsfragen ging, was eine Verschiebung des Rückbaus auf frühestens 2022 bedeutet. Doch noch ist immer nichts endgültig entschieden, noch immer wird zäh verhandelt, dies liegt, so die Kritik der First Nations, die von den Dämmen besonders betroffen sind, auch am Eigentümer, dem Multimillardär Warren Buffett.

Mitglieder der Karuk, Yurok, Klamath und Hoopa-Tal haben gemeinsam mit Fischer:innen, Klamath-Flussnutzer:innen und Nichtregierungsorganisationen aus dem ganzen Land einen landesweiten Aktionstag zur Beseitigung der Klamath-Staudämme am 23. Oktober veranstaltet. Sie fordern, dass Warren Buffet, der Eigentümer von Pacific Power und der Klamath-Flussdämme, sein Versprechen einhält, die Dämme zu entfernen.
„Es ist uns klar, dass Pacificorp den Prozess der Staudammentfernung absichtlich hinauszögert, um an diesen Denkmälern des Kolonialismus und den Werkzeugen des Völkermords festzuhalten“, sagte Annelia Hillman, eine Yurok und Sprecherin der Klamath Justice Coalition. „Sie haben die Gelegenheit, ein Beispiel dafür zu geben, wie das korporative Amerika mit PoC-Gemeinschaften und Indigenen umgehen sollte. Stattdessen scheinen sie entschlossen zu sein, Lachs, Gemeinschaften und Volkswirtschaften auf Kosten ihrer eigenen Kunden zu zerstören. Wir weigern uns, dieses Schicksal zu akzeptieren. Die Dämme müssen fallen!“
Die Gruppen haben auf dem Aktionstag erneut dazu aufgerufen, sich für das Überleben des Pazifischen Lachses, die Rechte der amerikanischen Ureinwohner und sauberes Wasser einzusetzen und sich ihnen anzuschließen.
Die vier Dämme – Iron Gate, Copco 1, Copco 2 und J.C. Boyle – blockieren den freien Flusslauf und hindern so den pazifischen Lachs und die Stahlkopfforelle an ihrer natürlichen Wanderroute zum Laichen. So ist der Flusslauf des Klamath River vom Oberen Klamath Lake bis zum Pazifischen Ozean, wo er bei Requa, rund 250 Kilometer flussabwärts gelegen, ins Meer mündet, noch immer blockiert, durch die vier Dämme. 2018 hatte die Klamath River Renewal Corporation den 2.300 Seiten starken Rückbaubauplan vorgelegt, der festlegt, wie die vier Dämme zurückgebaut, die Staureservoirs nach und nach geleert, wo und das Abraummaterial gelagert bzw. genutzt werden soll und wie das vormals geflutete Land renaturiert werden soll.
Als im Jahr 2000 – anlässlich der Entscheidung über die Konzessionsverlängerung für die Dämme nach 50 Jahren Konzession – die Behörden die Eigentümer:innen und die interessierte Öffentlichkeit zu Gesprächen luden, da waren sie dann auch gleich da: die Gegner:innen der Dämme, die indigenen Karuk, die Umweltschützer:innen und Aktivist:innen. Diese protestierten sogar in Schottland, weil die Besitzerin der Dämme, PacifiCorp, damals noch Scottish Power gehörte. Im Jahr 2004 fuhren die Karuk und Umweltschützer :innen zur Jahreshauptversammlung von Scottish Power und forderten ihren Fluss zurück – frei fließend und endlich wieder voll mit Lachs und Forrellen. Aber noch immer ohne Erfolg. Wenige Jahre später verkaufte Scottish Power die Dämme an Berkshire Hathaway Energy, und so trugen die Aktivist:innen den Kampf nach Omaha, in Nebraska, wo Berkshire Hathaways Besitzer, Warren Buffett, seinen Hauptsitz hat. Doch auch dieser ließ sich nicht vom zwanglosen Zwang des besseren Arguments für den Rückbau überzeugen. Erst als Jahre später eine neue Wirtschaftlichkeitsberechnung durchgeführt wurde und schwarz auf weiß fest stand, dass Betrieb und Unterhalt der in die Jahre gekommenen Dämme in Zukunft teurer wären als der Rückbau, kam ab 2010 Bewegung in die Sache. Von den für den Rückbau veranschlagten knapp 400 Millionen US-Dollar kommen 200 Millionen über eine Stromumlage der PacifiCorp-Kund:innen und die andere Hälfte wird aus Mitteln von Proposition 1 getragen, einer Wasseranleihe, die der Staat Kalifornien im Jahre 2014 eingerichtet hatte.
Eine der größten technischen Herausforderungen wird nicht der Rückbau des Betons sein, sondern die im Laufe der Jahrzehnte aufgelaufenden Sedimente im Flussbecken, im Reservoir und vor den Talsperren sein. Regen- und schneereiche Winter mit nachfolgenden Frühlingshochwassern würde wohl viele Sedimente von alleine wegtragen. Das Problem: Zuvor müssen die Sedimente auf Giftstoffe untersucht werden, denn niemand weiß, was sich in ihnen im Lauf der Jahre dort angesammelt haben könnte.
Der gleichzeitige Rückbau der vier Dämme am Klamath River wäre der bisher größte Rückbau von Dämmen in den USA auf einmal. Dabei folgt er einem Trend: Die US-amerikanische Nichtregierungsorganisation American Rivers führt ein umfangreiches Register über den Rückbau von Staudämmen in den USA. Laut der Erhebung von American Rivers wurden in den USA seit 1912 insgesamt an die 1.700 Dämme zurückgebaut. Durch den Rückbau entstanden tausende Kilometer frei fließender Flusslandschaften, mit allen Möglichkeiten von freiem Fischzug, Sedimentfracht und ungezügelter Biodiversität. So werden seit Jahren in den USA statistisch mehr Staudämme abgerissen als neue gebaut. American Rivers hat dazu auch eine interaktive Landkarte erstellt, die den Rückbau von Staudämmen in den USA dokumentiert: https://www.americanrivers.org/threats-solutions/restoring-damaged-rivers/dam-removal-map/

// christian russau