Kambodscha verhängt Zehn-Jahres-Moratorium für Staudammbauten am Mekong

Die kambodschanische Regierung hat laut Medienberichten beschlossen, zunächst für die Dauer von zehn Jahren den Bau neuer Wasserkraftwerke am Mekong-Fluss zu verschieben. Hintergrund sind Befürchtungen, dass die empfindliche Biodiversität des Flusses durch Entwicklungsprojekte weiter zerstört werden könnte. Die Entscheidung wurde von Menschenrechts- und Umwelt-Aktivist*innen begrüßt, das diese Maßnahme den Zehntausenden von Menschen, deren Lebensunterhalt von den reichen Ressourcen wie Fischfang des Mekong abhängt, eine willkommene Erleichterung bringen werde. Hinzu kämen die Befürchtungen, dass bei Flutungen in Folge von Staudammbauten Land für Acherbau und Viehzucht ebenso wie ganze Gemeinden von Bewohner*innen ihre Häuser verlieren und zwangsumgesiedelt werden müssten, wenn die ursprünglichen Staudammpläne aufrecht erhalten worden wären. Mak Bunthoeurn, Projektkoordinator des NGO-Forums in Kambodscha, sagte dem britischen Guardian, dass viele Gemeinden entlang des Flusses befürchteten, dass sie ihre Häuser und ihre Lebensgrundlage aufgeben müssten, wenn diese früheren Pläne zum Bau eines Staudamms verwirklicht würden. „Sie haben Zeit, den Fluss zu genießen. Für ihren Lebensunterhalt sind sie von den Fischen abhängig, die sie aus dem Mekong-Fluss und dem Ökosystem erhalten“, sagte er. Er hoffte, dass die zehnjährige Aussetzung den Aktivist*innen Zeit geben würde, die Beamten zu ermutigen, die Staudammprojekte ganz aufzugeben. Denn aufgeschoben heisst leider noch lange nicht aufgehoben.

Daher wird es in den kommenden Jahren auch um massive Aufklärungsarbeit gehen müssen, um auf die Risiken von industriellen Großprojekten wie Staudammbauetn hinzuweisen, GegenStrömung arbeitet in dieser Hinsicht seit vielen Jahren.

Am Mekong kommt aber derzeit hinzu, dass selbst diese Entscheidung Kambodschas an sich bei weitem nicht ausreichend ist, denn der Mekong ist einer der begehrtesten Flüsse im Fadenkreuz wirtschaftlicher Explorationsinterssen von Staudammindustrie und nationalen wie regionalen Regierungen – und dies zeitigt massive Gefahren für die Biodiversität der Region, für die Ernährungssouveränität der Flussanwohner*innen und deren Rechte.

Der Mekong-Fluss durchquert und schneidet die Länder China, Myanmar, Thailand, Laos, Kambodscha und Vietnam und ist mit über 4.000 Kilometer Länge einer der weltweit längsten Flüsse, an dem Millionen von Menschen leben, deren Nahrungsmittelsouveränität zu einem Großteil von Fisch abhängt, Schätzungen gehen dabei von einer Zahl von 60 Millionen Menschen aus.

Hier ein kursorischer, nicht vollständiger Überblick über die für den Flusslauf des Mekong geplanten Staudammvorhaben und deren potentielle Konsequenzen:

Eine Studie der finnischen Aalto University, die Anfang 2017 in Medien rezipiert wurde (u.a. auch von GegenStrömung) zeigte, wie Chinas Staudämme die jahreszeitlichen Wassermengen des Mekong-Flusses in Südostasien massiv verändern. Die Analyse hätte ergeben, dass seit dem Jahr 2011 die Wassermenge flussabwärts der in China gebauten Dämme in der Trockenzeit sich erhöhe und in der Regenzeit vermindert hätte. Zudem sei die Wassermenge in den Trockenzeiten noch größeren Schwankungen ausgesetzt. Der Studie zufolge waren die Auswirkungen ab dem Jahr 2014, nach Fertigstellung des 5,85 GW-Nuozhadu-Dammes, am ausgeprägtesten. Die veränderten Wassermengen machten sich bis ins 2.000 Kilometer entfernte Kambodscha bemerkbar. „Die Änderungen im Wasserfluss, so steht zu befürchten, könnten die ökologische Produktivität des Flusses und somit der Lebenswelten, Wirtschaft und Ernährungssicherheit der flussabwärts lebenden Bevölkerung bedrohen“, so der finnische Forscher und Autor der Studie, Timo Räsänen, damals. Vor allem die Auswirkungen auf die Fischerei seien besorgniserregend, so Räsänen. Diese spiele die hauptsächliche Rolle in der lokalen und regionalen Wirtschaft und sichere das Überleben und die Versorgung der Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln. Der Forscher wies auch daraufhin, dass auch die flussabwärts liegenden Staaten derzeit massiv in den Bau von Staudämmen und Wasserkraftanlagen investierten. Er forderte daher weitergehende Analysen und vor allem auch grenzüberschreitende Untersuchungen und Kooperation, um die Gefahren und Risikien besser zu verstehen, abzumildern und verhindern zu können.

Auch in Vietnam zeigt man sich seit Jahren extrem besorgt, vor allem über Laos‘ Staudammpläne am Mekong. Vietnams Minister für natürliche Ressourcen und Umwelt und Vorsitzender der Vietnam Mekong River Commission, Tran Hong Ha, kritisierte im Mai 2017 auf einem Workshop mit zivilgesellschaftlichen Vertreter*innen aus Universitäten, dass vor allem die seitens Laos‘ Regierung in Angriff genommenen Bautätigkeiten für den „Pak Beng“-Staudamm am Unteren Mekong eine Bedrohung für die zu erhaltenen Lebenswelten der betroffenen Flussanwohner*innen darstelle. Der Minister wies damals daraufhin, dass die bisher abgehaltenen Konsultationen der betroffenen Bevölkerung und die diesbezüglich geforderten Infomationen unzureichend seien. Zudem gebe es noch immer keine Untersuchungen über die kumulativen Aspekte mit den flussaufwärts in Laos – wie Xayabury und Don Shahong – bereits im Bau befindlichen Dämme sowie den weiteren anderen acht Groß-Staudämmen, die von Laos, Myanmar und China am Mekong geplant sind. Des Weiteren, so kritisierte damals der vietnamesische Umweltminister, gebe es für die Dämme noch immer keine Klimawandelfolgenstudie und auch keine Analyse, welche Wirkungen der Bau dieser Staudämme für die Grenzanrainer haben könnte. Zudem stützten sich die bisher vorgelegten Umweltfolgenstudien auf veraltete Daten, kritisierte der Minister. Auf dem Workshop wurde zudem bemängelt, dass mit dem Bau des „Pak Beng“-Dammes bereits begonnen wurde, obwohl die Konsultationsphase der Betroffenen noch gar nicht vollends durchgeführt worden sei. Le Anh Tuan von der Can Tho Universität forderte damals auf dem Workshop einen Baustopp, solange die wissenschaftlichen Studien noch nicht abgeschlossen seien. Er wies auch darauf hin, dass die chinesische Firma sich an Baupläne aus den 1960er und 1970er Jahren stütze, so der damalige Pressebericht von Vietnam Net. Nguyen Ngoc Tran, vormaliger Vorsitzender des National Assembly’s Committee for Science and Technology, warnte zudem vor künftig zunehmenden Überschwemmungen und Landverlusten am Mekong-Delta, sollte die Sedimentfracht durch die Staudammprojekte entlang des Mekong behindert werden.

Der „Pak Beng“-Dam ist der nördlichste von elf Dämmen, die in Laos am Mekong-Fluss geplant sind. Pak Beng soll in der Provinz Oudomxay, im Norden von Laos, mit 912 MW jährlich 4.700 GWh Strom erzeugen, von denen 90% nach Thailand verkauft werden und die restlichen 10% an Laos staatlichen Stromversorger, Electricité du Laos. Laut der staudammkritischen Nichtregierungsorganisation International Rivers zeichne sich die für den Dammbau von Pak Beng vorgesehene Gegend als „außergewöhnlich schöner Abschnitt des Mekong-Flusses“ aus, es sei eine „üppige, bergige Gegend“, in der die Flussanwohner*innen ihren Lebensunterhalt durch Flussufer-Landwirtschaft, durch die Fischerei und die Viehzucht bestreiten. Die Wasserschnellen und Lagunen bilden ein komplexes Flussökosystem und machen den Mekong zu einem wichtigen Lebensraum für Fisch und Wassertiere. International Rivers warnte bereits 2017 davor, dass bis zu 25 Dörfer in Laos und zwei Dörfer in Thailand direkt vom Bau des Pak-Beng-Staudamms betroffen sein werden und dass durch den Bau schätzungsweise 6.700 Menschen umgesiedelt werden müssten. Im Jahr 2007 hatte die China Datang Overseas Investment (Datang) ein Memorandum of Understanding mit der Regierung von Laos unterzeichnet, um den „Pak Beng“-Damm zu errichten. Datang erhielt im März 2014 die Umweltgenehmigung von der laotischen Regierung für das Wasserkraftprojekt und verkündete, dass es die vorgeschriebenen Umweltverträglichkeitsprüfungen sowie die vorgeschriebene Konsultation der Betroffenen – wie im Mekong-Abkommen von 1995 zwischen Kambodscha, Laos, Thailand und Vietnam vereinbart – durchführen werde.

Gleichwohl planen neben Laos und China auch die anderen Mekong-Anrainer-Staaten derzeit weiterhin massiv, in den Bau von Staudämmen und Wasserkraftanlagen zu investieren. Aber Kambodschas Entscheidung sendet zumindest ein Signal.