Foto oben: So sieht durch einen Dammbruch eines Tailings (hier: in Folge des Bruchs von Mariana, 2015) das Flusswasser aus: schwermetallverseucht, ungenießbar als Trinkwasser, nicht brauchbar für Landwirtschaft. Foto: christian russau
Mehr als sechs Jahre nach dem Bruch des damaligen Vale-Tailing-Damms (vormals Ferteco Mineração von Thyssen) in Brumadinho gingen am Freitag vor einer Woche erneut mehr als 500 Betroffene aus dem Einflussgebiet des Paraopeba-Flusses, durch das der Tsumani aus Bergbauschlämmen Becken am 25. Januar 2019 gerauscht war und der über 270 Menschen das Leben kostete, in der Landeshauptstadt des brasilianischen Bundesstaates Minas Gerais, Belo Horizonte, auf die Straße, um eine vollständige Entschädigung zu fordern und das langsame Tempo der Gerichtsverfahren anzuprangern. Denn noch immer laufen die Zivil- und Strafprozesse in Brasilien und in Deutschland (in Deutschland gegen den TÜV SÜD). Die von der Bewegung der von Staudämmen betroffenen Menschen (MAB) organisierte Mobilisierung begann um 8 Uhr morgens mit einer Versammlung vor der Agrarreformbehörde INCRA und umfasste eine Reihe von Aktivitäten wie Märsche durch die Straßen der Stadt, eine Versammlung der Betroffenen und Treffen mit Justizbehörden und der Justiz.
Zu den wichtigsten Punkten des Aktes gehörte laut dem Bericht auf der Internetseite von MAB die Rücknahme der Kürzung von fast 40 Millionen Reais (derzeit umgerechnet ca. sechs Millionen Reais) bei den Mitteln für die Unabhängigen Technischen Beratungsstellen. Diese Mittel werden als Grundbedingung dafür angesehen, dass es gewährleistet werden könne, so die sozialen Bewegungen, dass die Gemeinden über Beratung für eine qualifizierte Beteiligung an Wiedergutmachungsprojekten verfügen. Die der Kürzung zugrundeliegende Studie, die von einer Consulting erstellt wurde, weise jedoch technische Mängel auf und wurde ohne Dialog mit den Betroffenen erstellt, so die Kritik.
Darüber hinaus prangern die Betroffenen auch die Haltung der Justizbehörden bei der Durchführung der Zuweisung von Direktmitteln an die Gemeinden geht. Die Betroffenen bemängeln das Fehlen klarer Kriterien, einseitige Entscheidungen und die Abwälzung der Verantwortung auf die Betroffenen selbst, von denen viele noch immer ohne Zugang zu Entschädigung, Gesundheit, Einkommen und grundlegenden öffentlichen Maßnahmen leben, so MAB. Ein weiterer Schwerpunkt des Protests war die Forderung nach einer Entscheidung über die Auszahlung der neuen Soforthilfe, die durch ein Gerichtsurteil ausgesetzt wurde. Für Hunderte von Familien ist diese Unterstützung die einzige Einkommensquelle, um lebensnotwendige Dinge wie Lebensmittel, Gas und Medikamente zu gewährleisten.
Rückblick: Es war der 25. Januar 2019. Ein Damm eines Rückhaltebeckens für die Erzschlammreste der Mine Córrego do Feijão brach. Die Betreiber- und Eigentümerfirma von Mine und Rückhaltebecken, die brasilianische Bergbaufirma Vale, erklärte, in dem gebrochenen Becken hätten sich 11,7 Millionen Kubikmeter Erzschlammreste befunden.
Nachdem der Damm des ersten Rückhaltebeckens gebrochen war, flutete der Erzschlamm den zweiten Damm des nächstgelegenen Rückhaltebeckens und überflutete auch dieses. Danach frass sich der Schlamm wie ein Tsunami weiter bergabwärts, zerstörte alles, was ihr in den Weg kam. Die Erzschlammwelle hatte unter anderem ein Betriebskantine mit sich gerissen, in der gerade viele Arbeiter:innen zu Mittag aßen, Busse, in denen Arbeiter:innen saßen, die von oder zur Betriebsschicht fuhren, wurden unter den Schlammmassen begraben. Mindestens ein Dorf wurde zerstört, auch kleine indigene und Quilombola-Territorien litten hinterher monatelang unter der schlechten Wasserqualität der in Mitleidenschaft gezogenen Flüsse.
Die Mine und das Rückhaltebecken gehören dem brasilianischen Bergbaukonzern Vale S.A. Die Mine Córrego do Feijão samt Rückhaltebecken wurde 1956 von der Companhia de Mineração Ferro e Carvão in Betrieb genommen, 1973 wurde sie in die Thyssen-Tochterfirma Ferteco Mineração integriert, bevor sie 2003 von Vale S.A. übernommen wurde. Den nun gebrochenen Damm gebaut hat im Jahr 1976 die Thyssentochter Ferteco Mineração.
TÜV Süd aus München, namentlich die brasilianische Tochterfirma TÜV Süd do Brasil, hat im Auftrag von Vale und – so erklärte TÜV Süd auf der Homepage – „auf Grundlage der gesetzlichen Vorgaben (DNPM 70.389/2017) eine Periodic Review of Dams (Dokument vom 18. Juni 2018) und eine Regular Inspection of Dams Safety (Dokument vom 26. September 2018) durchgeführt.“ Vier Monate später brach der Damm.