Bundesjustiz folgt Anträgen der Bundesstaatsanwaltschaften, dass vor weiteren Planungsschritten zur Errichtung des Wasserkraftwerks Tabajara am Rio Machado im brasilianischen Bundesstaat Rondônia eine umfassende Umweltfolgenstudie zu allen potentiell betroffenen indigenen Gebieten sowie angemessene Anhörungen durchgeführt werden müssen.
Von Christian Russau
Brasiliens Bundesjustiz ist den Anträgen der Staatsanwaltschaften von Rondônia und des Bundes gefolgt, dass vor weiteren Planungsschritten zur Errichtung des Wasserkraftwerks Tabajara am Rio Machado im brasilianischen Bundesstaat Rondônia (GegenStrömung berichtete wiederholt) zunächst eine umfassende Umweltfolgenstudie zu allen potentiell betroffenen indigenen Gebieten sowie angemessene Anhörungen durchgeführt werden müssen. Die Justiz sah es als erwiesen als, dass entgegen der ursprünglichen Planungen nicht alle potentiell betroffenen indigenen Gebiete in die Risikoanlayse einbezogen wurden und dass etliche der potentiell betroffenen Gruppen entsprechend nicht konsultiert wurden, dies sei nun dringend nachzuholen, bevor weitere Planungsschritte für den Staudamm Tabajara in Erwägung gezogen werden könnten. Es sei von der Verfassung her verpflichtend, bei jedem Projekt, dass Gebiete und Rechte der indigenen Völker betreffe, entspreche Untersuchungen und Anhörungen vor Baubeginn zu erfolgen hätten. Dies berichten mehrere brasilianische Medien übereinstimmend.
Nach Ansicht der Justiz werde die Realisierung des Wasserkraftwerks Tabajara am Machado-Fluss die indigenen Völker und Gemeinschaften „in ihrem Land und ihrer Lebensweise beeinträchtigen“. Brasiliens Indigenenbehörde Funai liess erklären, „die Studie über die indigene Komponente (ECI, Umweltfolgenstudie für Indigenen Völker bei Großprojekten, Anm.d.A.), in der nur das indigene Land Tenharim-Marmelos (TI) untersucht wurde, ohne die indigenen Territorien in der angrenzenden Nähe des Projekts ebenfalls zu berücksichtigen“, sei ein Fehler gewesen, so dass es „keine schlüssigen und tiefergehenden Studien über die mögliche Überflutung des südlichen Teils des indigenen Landes Tenharim-Marmelos“ gegeben habe. Zudem habe die Funai (unter der vorherigen Leitung zur Amtszeit des rechtsextremen Präsidenten Bolsonaro, Anm.d.A) mehrere indigene Gebiete, die in der Nähe des geplanten Wasserkraftwerks Tabajara liegen und von direkten und indirekten Auswirkungen des Projektvorhabens betroffen wären, gar nicht berücksichtigt. Hinzu käme, so die Funai, dass die ursprüngliche Studie auch nicht die in der Region in freiwilliger Isolation lebenden lebenden indigenen Gruppen berücksicht habe. Deshalb stimme Funai zu, die entsprechenden Studie neu zu erstellen und dabei die indigenen Gebiete Jiahui, Tenharim Rio Sepoti, Tenharim do Igarapé Preto, Pirahã, Ipixuna, Nove de Janeiro und Igarapé Lurdes ebenfalls zu berücksichtigen. Dazu sei es notwendig, Primärdaten zumindest aus den indigenen Gebieten Jiahui, Igarapé Preto und Igarapé Lourdes zu erhalten. Die anderen indigenen Gebiete können im Prinzip anhand von Sekundärdaten untersucht werden, so die Justiz.
Die Funai solle, so die Justiz, auch eine Feldstudie über den südlichen Teil des indigenen Territoriums Tenharim-Marmelos durchführen, um genauere Informationen über die Folgen der Überschwemmungen und eine mögliche dauerhafte Überflutung der gebiete infolge des potentiellen Staudammbauszu erhalten. Die Überschwemmungen gefährdeten nicht nur das Überleben der Menschen, sondern auch die Kultur der Indigenen, da der Ort für die Gemeinschaft als heilig gilt, betonte die Justiz den medienberichten zufolge. Auch die Auswirkungen auf Gebiete, in denen sich isolierte Gruppen bewegen, müssen analysiert werden.
Die Justiz legt zudem fest, dass die geforderten öffentliche Anhörungen und weitere einzuleitenden Projektfortschritte bei dem Projekt erst dann stattfinden dürften, wenn die von der Justiz nun eingeforderten neuen Hintergrundstudien abgeschlossen sind. Zuwiderhandlungen seitens der Projektplanenden oder Regierungsvertretenden werde mit einer Geldstrafe von 100.000 Reais belegt.
Bereits seit Jahren gibt es Streit um das Kraftwerk Tabajara. Das Kraftwerksprojekt Tabajara wurde 2013 in das Genehmigungsverfahren aufgenommen und stößt seither auf den Widerstand sozialer und indigener Organisationen. Im Jahr 2012 lehnte die brasilianische Umweltbehörde IBAMA die eingereichten Studien ab und verweigerte die Genehmigung. Am Ende desselben Jahres wurden jedoch neue Studien vorgelegt und diese wurden dann akzeptiert. Auch die Bundesstaatsanwaltschaft verfolgt den Fall und hat bereits mehrmals vor Gericht erfolgreich geklagt, bevor es nun zu dem neuen gerichtlichen Efolg für die Bundesstaatsanwaltschaft gab. Bereits zuvor hatten sich Wissenschaftler:innen zu Wort gemeldet und darauf hingewiesen, dass die Mängel in der Umweltstudie, die für den Bau des Kraftwerks vorgelegt wurde, vor allem für die indigenen Gemeinschaften und die Flussanrainer in der Region enorme Folgen haben könnten. Die Flussanrainergemeinschaften befänden sich – anders als von der Umweltverträglichkeitsstudie behauptet – sehr wohl noch im Einzugsgebiet des Machado-Fluss. Deshalb müsse sie in die Umweltverträglichkeitsstudien einbezogen werden. Zwar sei es nicht so, dass jede Anrainergemeinschaft direkt am Fluss lebe aber nichtsdestoweniger seien diese Gemeinschaften abhängig in Bezug auf die Lebensweise, den Fischfang, den Anbau im Überschwemmungsgebiet. Dieser Ansicht folgte nun die Bundesjustiz in ihrem Urteil.