Indigene Kanadas fordern für den Sankt-Lorenz-Strom Sonderstatus als juristische Person mit eigenen Rechten
Der Sankt-Lorenz-Strom könnte bald einen Sonderstatus als „Person“ mit zusätzlichen Rechten und Schutzmaßnahmen erhalten, nachdem die Versammlung der First Nations Quebec-Labrador (AFNQL) kürzlich eine Resolution verabschiedet hat. Dies berichten kanadische Medien übereinstimmend. Die indigenen Vertreter:innen der Versammlung der First Nations Quebec-Labrador (AFNQL) versammelten sich am 19. April und stimmten einstimmig für eine Resolution, die dem zweitgrößten Fluss Kanadas eine eigene Rechtspersönlichkeit verleiht. Der Vorsitzende Ghislain Picard war am Montag in New York, um die Resolution zusammen mit Jean-Charles Piétacho, Vorsitzender des Innu-Rates von Ekuanitshit, bei den Vereinten Nationen einzureichen. In der Resolution vom 19. April heißt es dem Medienbericht zufolge, dass der Sankt-Lorenz-Strom, ein 1.197 Kilometer langes Wassersystem, „mehreren unmittelbaren Bedrohungen ausgesetzt ist, die die Existenz und die Lebensweise derjenigen gefährden, die für ihr Wohlergehen von ihm abhängen“, und dass die First Nations verpflichtet seien, seine Unversehrtheit als „angestammte Wächter:innen des Territoriums und der Gewässer, einschließlich des Flusses und seiner Nebenflüsse“, zu verteidigen.
Der Versammlungsrat der AFNQL folgt damit den vorherigen Beschlüssen der indigenen Gruppen im Norden Quebecs. Dort hatten sich die örtlichen indigenen Innu-Räte in Bezug auf den Magpie River (in der Innu-Sprache auch Muteshekau-shipu genannt) in Quebecs Cote-Nord den Status einer Rechtspersönlichkeit verliehen. Auch andernorts gewinnt die Idee, Flüssen einen eigenen juristischen Rechtsstatus zuzusprechen, an Bedeutung. 2011 wurde der Vilcabamba-Fluss in Ecuador als erster Fluss weltweit anerkannt, der zu seinem Recht kam. Ecuador hatte zuvor im Jahre 2008 „Mutter Erde“ in der Verfassung als juristische Person eingeschrieben, so dass lokale Initiativen daraufhin argumentativ drängen konnten, dem Vilcamba einen eigenen Rechtsstatur zuzuweisen. 2017 verabschiedete das neuseeländische Parlament ein Gesetz, mit dem der Whanganui-Fluss zu einer juristischen Person erklärt wurde. Gleiches geschah 2017 in Uttarakhand in Indien. Durch diese neue Rechtssetzung erhoffen sich Fluss- und Wasserverteidiger:innen unter anderem, im Falle von Verschmutzung des Flusses dies nicht mehr nur Vergehen, sondern juristisch als Straftat bis hin zu Körperverletzung werten und ahnden zu können. Der Theorie nach könnte solch ein juristischer Rechtsanspruch auch Infrastrukturprojekte wie Wasserkraftwerke und Staudämme verhinden helfen. Dies wäre schon ein weiterer wichtiger Schritt hin zu sauberen und frei fliessenden Flüssen.