Bildrechte: Gerd Fahrenhorst. Creative Commons 4.0.
Nach der Munich Re besuchte GegenStrömung am 06.05.2024 auch die (virtuelle) Jahreshauptversammlung der Hannover Re.
In Kooperation mit dem Dachverband der kritischen Aktionär*innen reichten wir detaillierte Fragen zur Ausübung der menschenrechtlichen und ökologischen Sorgfaltspflichten der Hannover Re ein, insbesondere bei der (Rück-)Versicherung von Hochrisikoprojekten wie Staudämmen, Bergbau, Pipelines u.ä. sowie auf dem entstehenden Wasserstoffmarkt.
Leider erhielten wir vom Vorstand kaum konkrete Antworten. Der Gegenantrag der Kritischen Aktionär*innen hatte bereits mangelnde Transparenz des Unternehmens über ihre Menschenrechtsprüfungen bemängelt.
Zu begrüßen ist, dass der Vorstand auf unsere Nachfrage hin zusagte, die Aufnahme der ILO Konvention 169 über die Rechte indigener Völker in die Grundsatzerklärung zur Achtung der Menschenrechte des Unternehmens mit aufzunehmen. Die Konvention ist weithin als Standard anerkannt und wir können daher nur erwarten, dass diese Prüfung positiv ausfallen wird.
Hingegen kritisieren wir scharf, dass die Hannover Re keinerlei Bemühungen vorweisen kann, die Betroffenen der Katastrophen bei den von ihnen mitversicherten Staudämmen Hidroituango und dem Tailings Damm Mariana zu entschädigen.
Mit Sorge nehmen wir zudem wahr, dass die Hannover Re im Bereich Wasserstoff keinen Ausschluss von fossilem (sogenanntem „blauen“) Wasserstoff vorsieht.
Hier unsere Rede und Fragen im Wortlaut:
Sehr geehrte Damen und Herren,
mein Name ist Lisa Kadel, ich spreche für die Initiative GegenStrömung, die sich für menschenrechtskonformes Handeln deutscher Akteure im Ausland einsetzt.
Zunächst einmal danke ich dem Dachverband der Kritischen Aktionär*innen für die Möglichkeit, hier zu sprechen.
Der Dachverband Kritische Aktionäre hat gemeinsam mit der Initiative GegenStrömung und mit Betroffenen bereits in der Vergangenheit hier über Menschenrechtsverletzungen und ökologische Schäden im Zusammenhang mit von Ihnen versicherten Staudammprojekten gesprochen, insbesondere das Wasserkraftwerk Hidroituango, und und der Tailings Damm Mariana.
Ich bin heute hier, um daran anzuknüpfen und zu hören, was sich seitdem in Ihrem Unternehmen getan hat – in Bezug auf Staudämme, aber auch allgemein auf den Schutz von Menschenrechten in Risikosektoren, wie etwa auch Bergbau oder Pipelines und jegliche Großprojekte, die aufgrund ihres Flächenbedarfs zu Landkonflikten führen können.
Die Grundsatzerklärung der Hannover Rück zur Achtung der Menschenrechte sollte allen vorgelegt werden, die meinen, der Finanzsektor bräuchte im Gegensatz zur Industrie keine einheitlichen Regeln. Basierend auf der eigenen Risikoanalyse hat Hannover Re für das eigene Rückversicherungsgeschäft das größte Risiko potenzieller Auswirkungen auf Menschenrechte bei großen Bauprojekten wie Staudämme, Minen und Pipelines, den Betrieb von Minen sowie Unternehmen, die in Verbindung mit international geächteten Waffen stehen, identifiziert.
Es ist inkonsequent, dass Hannover Re zwar u.a. schwerwiegende Verstöße gegen die Rechte indigener Völker in das eigene ESG-Manual und ESG-Screening aufgenommen hat, die explizite Anerkennung der ILO-Konvention 169 und UN-Deklaration der Rechte indigener Völker mit deren Konsultations- und Zustimmungsrechten in der Grundsatzerklärung hingegen unterlässt.
Im Geschäftsbericht legt Hannover Re zudem nicht transparent dar, ob bzw. in welchem Umfang etwaige konkrete umwelt- oder menschenrechtlichen Missstände im Investment- oder Rückversicherungsgeschäft identifiziert worden sind, ob etwa Geschäfte genauer geprüft oder sogar abgelehnt werden mussten. Diese Transparenz ist wichtig, um nachvollziehen zu können, ob und wie Hannover Re die Auswirkungen und die Wirksamkeit der eigenen Maßnahmen bewertet und welche Schlussfolgerungen daraus für zukünftige Maßnahmen gezogen werden.
In Bezug auf Wasserkraft ist zu betonen, dass der fortschreitende Klimawandel bestehende Risiken verschärft, da die Auswirkungen von Überflutungen sich durch Dammbrüche massiv verschlimmern können. Hier geht es nicht um abstrakte finanzielle Risiken, sondern ganz konkret um Menschenleben. Zudem werden die Anlagen durch Dürren immer unzuverlässiger in der Stromproduktion. Zahlen der Internationalen Energieagentur für 2023 zeigen, dass trotz einem weltweiten Zubau von 20GW Wasserkraftkapazität die produzierte Strommenge zurückging. Zudem sind natürlich auch die altbekannten Probleme, von der Zerstörung des Flussökosystems über Methanausstoß aus den Reservoirs bis hin zu Zwangsumsiedlungen und anderen Menschenrechtsverletzungen weiterhin aktuell. Wir erwarten daher von Ihnen, dass Sie aus den früheren Projekten Konsequenzen gezogen haben und die Risiken von Staudämmen neu bewertet haben. Zudem erwarten wir im Sinne der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, dass Sie für Abhilfe und Entschädigung für die Betroffenen des bereits entstandenen Schadens sorgen.
Neben Staudämmen beobachten wir mit Sorge die menschenrechtlichen Risiken im Zusammenhang mit entstehenden Wasserstoffprojekten und würden auch hierzu gern mehr über Ihre Praktiken erfahren. Aus Klimaschutzgründen kann nur grüner Wasserstoff überhaupt eine Investitionsoption sein. Aber auch hier bestehen soziale und ökologische Risiken, insbesondere im Bereich Landnutzungsrechte und Wasserknappheit. Diese multiplizieren sich, wenn Projekte möglichst schnell und möglichst kostengünstig umgesetzt werden sollen. Unsere Erwartung an Sie sind ein Höchstmaß an menschenrechtlicher und ökologischer Sorgfalt bei der Auswahl Ihrer Kunden und die Einbeziehung potentiell Betroffener vor der Entscheidung für ein Projekt.
Nun zu meinen konkreten Fragen an Sie:
- Haben Sie konkrete Missstände in Bezug auf die Achtung der Menschenrechte in Ihrer Wertschöpfungskette identifiziert? Wenn ja, welche genau und was sind Ihre Maßnahmen, diese zu adressieren? Welche Schritte enthält ihre Risikoanalyse insbesondere bei Wasserkraft-, Wasserstoff-, Bergbau- und Pipelineprojekten, welche Betroffenengruppen werden dabei berücksichtigt?
- Wie genau prüfen Sie das Vorliegen von free, prior and informed consent durch betroffene indigene Gruppen? Beabsichtigen Sie, die ILO Konvention 169 zu den Rechten indigener Gruppen in Zukunft explizit in Ihre Grundsatzerklärung mit aufzunehmen? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, wann?
- Wie viele Anfragen, Hinweise und/oder Beschwerden haben Sie über Ihren Beschwerdemechanismus in Bezug auf arbeits-, umwelt- und menschenrechtliche Missstände erhalten? Was waren die Inhalte, wie haben Sie reagiert? Wie sehen die Ergebnisse Ihrer Prüfungen aus? In wie vielen Fällen prüfen Sie derzeit noch?
- Haben Sie die Rückversicherungen von Projekten und/oder Versicherungen/Unternehmen aufgrund von umwelt- und menschenrechtlichen Bedenken/zu hoher Risiken in diesem Bereich abgelehnt? Wenn ja, um welche Fälle handelt es sich und aus welchen Gründen?
- Würden Sie sich für verbindliche, gesetzliche Regeln für die klima-, umwelt- und menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten des Finanzsektors auch für die downstream-Wertschöpfungsketten bzw. Kundenbeziehungen aussprechen? Teilen Sie hier die Auffassung des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), dass dies nicht nötig sei?
- Wie viele Großstaudämme, Bergbauprojekte und Pipelines versichern Sie aktuell und wie hoch ist die abgedeckte Versicherungssumme insgesamt? In welchen Regionen befinden sich diese Projekte und wie hoch ist in den jeweiligen Regionen die Zahl der Projekte und die abgedeckte Versicherungssumme (ggf. prozentual zur Gesamtsumme)?
- Wie viele Projekte zur Herstellung von Wasserstoff versichern Sie insgesamt? Um welche Art der Herstellung handelt es sich dabei (grün, blau, grau)? In welchen Regionen befinden sich diese Projekte und wie hoch ist in den jeweiligen Regionen die Zahl der Projekte und die abgedeckte Versicherungssumme (ggf. prozentual zur Gesamtsumme)?
- In welcher Höhe mussten Sie im letzten Jahr für Schäden im Zusammenhang mit 1. Staudämmen und 2. Bergbauprojekten aufkommen? Um welche Schäden handelte es sich hier?
- Wie bereits erwähnt, können Staudämme klimawandelbedingte Überflutungsereignisse verschlimmern und durch Starkregen und Überflutungen geschädigt werden und sind durch klimawandelbedingte Dürren unzuverlässig in der Stromproduktion. Wie berücksichtigen Sie dies bei der ökosozialen und finanziellen Bewertung von Projekten und bei der Auswahl Ihrer Kunden?
- Zu Beginn meiner Rede rief ich bereits in Erinnerung, dass wir Sie gemeinsam mit dem Dachverband Kritische Aktionär*innen und Betroffenen in der Vergangenheit wiederholt auf Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit von Ihnen versicherten Wasserkraft- und Tailingsdämmen aufmerksam gemacht haben, insbesondere Hidroituango und Mariana. Welche Bemühungen haben Sie seitdem unternommen, die Betroffenen für erlittene Schäden zu kompensieren?
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und bin gespannt auf Ihre Antworten.