Im Jahr 2011 wurde die Lizenz für das Megawasserkraftwerk Belo Monte samt Staudämmen und Staureservoir erteilt, danach starteten Planungs- und Bau und letztlich Betriebsphase. Bereits damals warnten betroffenen Flussanwohnende, Indigene, Kleinfischer:innen, Nichtregierungsorganisationen und Wissenschaftler:innen vor den Folgen des Bau für Mensch und Umwelt. Eine der schärfsten Kritiker:innen waren die Menschenrechts-Aktivist:innen des Netzwerks Xingu Vivo para Sempre, die vor Kurzem eine Bilanz von Belo Monte und dessen Auswirkungen vorstellten, die wir hier leicht gekürzt dokumentieren.
Quelle: Xingu Vivo Para Sempre.
„Auswirkung 1 – Die Große Flusschleife Volta Grande wird austrocknen: bestätigt. Derzeit wird die normale Wassermenge des Volta Grande do Xingu, an der Belo Monte gebaut wurde, um bis zu 80 % für die Turbinen des Kraftwerks umgeleitet. Die Schiffbarkeit des Flusses, des wichtigsten Verkehrswegs für den Fluss und den Transport der Produktion der lokalen Gemeinschaften, der Waren aus der Stadt und der Bevölkerung an den Ufern selbst, ist in verschiedenen Teilen der so genannten reduzierten Fließstrecke unrentabel geworden. In den Sommermonaten Amazoniens verwandeln sich die Bäche und Lagunen in Schlamm, und die Felder der Kleinbäuerinnen und -bauern entlang des Flusses sind durch den Wassermangel infolge sinkenden Grundwasser ausgetrocknet. Zahlreiche wissenschaftliche Studien – mehrere davon von der Umweltbehörde Ibama selbst – haben die grundsätzlichen Mängel dieses Systems zur Nutzung des Flusses für Wasserkraftproduktion (das so genannte „Hidrograma de Consenso“) bestätigt, aber trotz aller Auswirkungen hat das Präsidium der Umweltbehörde nicht nur die Anwendung desselben im Jahr 2021 genehmigt, sondern könnte in den kommenden Jahren einem noch geringeren Durchfluss zustimmen.
Auswirkung 2 – Überbevölkerung von Altamira und Auswirkungen auf die Region: bestätigt. Mit dem Beginn der Arbeiten in Belo Monte und der Aussicht auf die Schaffung von Arbeitsplätzen führte die Zuwanderung von Menschen in die Region zu einem Schnellwuchs der städtischen Zentren in der Region, das im Fall von Altamira praktisch zu einer Verdoppelung der städtischen Bevölkerung der Gemeinde führte. Neben dem Druck auf die öffentlichen Einrichtungen (vor allem die sanitären Grundstruktur, Krankenhäuser und Schulen) führte dieses Phänomen zu einer Explosion der Gewalt (2017 war Altamira laut der Gewaltkarte von IPEA die gewalttätigste Stadt Brasiliens). Die Stadt wurde von der organisierten Kriminalität heimgesucht, der Drogenhandel eroberte sowohl die Stadt als auch die ländlichen Gemeinden, die Frauenmorde explodierten, die Abholzung erreichte katastrophale Ausmaße, und Agrarkonflikte inklusive Grilagem und Pistolagem nahmen zu.
Auswirkung 3 – Vertreibung von etwa 40.000 Menschen von ihrem Land und aus ihrer Heimat: bestätigt. Dies war eine der schlimmsten Tragödien in der Region in den letzten 50 Jahren (und betraf unter anderem die Koordinatorin von Xingu Vivo, Antonia Melo, und den Großteil des Teams der Bewegung Xingu Vivo). Hunderte von Familien am Flussufer und auf den Inseln verloren ihre Heimstatt, wurden an den Stadtrand von Altamira vertrieben und in die so genannten Kollektivsiedlungen eingepfercht, regelrechte Monokulturen von Fertighäusern minderer Qualität, weit weg vom Fluss, ohne öffentliche Dienstleistungen und ohne Einkommensmöglichkeiten (das gleiche Schicksal war den Bewohnern des Tieflands der Stadt vorbehalten). Die Rückkehr der Flussuferanwohner:innen an das Flussufer, eine der Hauptbedingungen, die die Staudammbetreiberin Norte Energia für die Erteilung der Betriebsgenehmigung auferlegt wurden, ist noch immer nicht umgesetzt worden.
Auswirkung 4: Belo Monte produziert keine Energie: bestätigt. Bereits zu Beginn des Genehmigungsverfahrens für das Projekt Belo Monte stand fest, dass das Wasserkraftwerk im Jahresdurchschnitt nur 39 % seiner installierten Leistung erbringen würde, da die Niederschläge, die den Fluss speisen, saisonabhängig sind. Diese Prognose bestätigte sich so sehr, dass die brasilianische Presse in der zweiten Hälfte des Jahres 2021 ausführlich darüber berichtete, dass nur eine der 18 Turbinen des Wasserkraftwerks funktionierte. Das Tragische an dieser Beobachtung ist jedoch, dass Politiker, Geschäftsleute und ein Teil der Presse begannen, die Opfer des Kraftwerks für die Energiekrise des Landes verantwortlich zu machen. „Wo haben wir schon Flussbewohner gesehen, die Wasser brauchen, um zu überleben? Wo sind wir hingeraten, dass wir eine teurere Stromrechnung bezahlen müssen? Verdammtes Volk des Xingu, verdammte NGOs, verdammtes MPF“, folgt die Litanei dieser Leute.
Auswirkung 5 – Tod der Fische: Bestätigt. Seit mehr als sechs Jahren ist die Volta Grande nicht mehr in der Lage, die Reproduktion der Fischpopulationen zu gewährleisten. Unter der sengenden Sonne erleiden die in Wasserlachen gefangenen Jungfische, die sich dort gebildet haben, wo sich die Wälder einst mit trotz Niedrigwasser noch mit Wasser befüllte Igapós befanden, einen langsamen Tod durch erhitztes Wasser, Sauerstoffmangel und Wasserfäule. Im Xingu, der von Belo Monte betroffen ist, gibt es praktisch keine Fische mehr, und die Flussuferbewohner und die indigene Bevölkerung leiden Hunger. Die Fischer haben seit langem ihre Existenzgrundlage verloren, stehen vor enormen finanziellen Schwierigkeiten und sind zunehmend gezwungen, andere Lebensgrundlagen zu suchen.
Auswirkung 6 – Vermehrte Entwaldung: bestätigt. Altamira hat sich in den letzten Jahren als Vorreiterin bei der Abholzung im Amazonasgebiet erwiesen, mit besonderen Auswirkungen auf die indigenen Gebiete des Munizips. Nach Angaben des Instituto Socioambiental wurden zwischen September und Oktober 2020 5.400 Hektar in den indigenen Gebieten Cachoeira Seca, Apyterewa, Ituna Itatá und Trincheira Bacajá abgeholzt. Die vier indigenen Gebiete, die im Einflussbereich des Belo Monte-Staudamms liegen, führen nach Angaben des satelliten gestützten Übermachungssystems Prodes die Rangliste der am stärksten entwaldeten Gebiete im Amazonasgebiet an. Allein im Jahr 2021 wurden in Altamira fast 6.500 Hektar öffentlicher Wälder abgeholzt.
Auswirkung 7 – Vermehrung von Malariamücken: bestätigt. Nach den Erhebungen der Gesundheitsbehörden in Altamira gab es von Januar bis Juni 2020 einen Anstieg der Malariafälle in der Xingu-Region um 40 % im Vergleich zum gleichen Zeitraum im Jahr 2019. Im Jahr 2020 gab es laut SESPA in Altamira 884 Fälle.
Auswirkung 8 – Anstieg der Treibhausgasemissionen: bestätigt. Laut einer Studie von Forschern der USP, der Universität Linköping in Schweden, der Bundesuniversität Pará und der Universität Washington, die in der Zeitschrift Science Advances (https://www.science.org/doi/10.1126/sciadv.abe1470) veröffentlicht wurde, verursachte Belo Monte einen bis zu dreifachen Anstieg der Treibhausgasemissionen in der Region Volta Grande do Xingu. Den Forschern zufolge ist das Methangas, das bei der Zersetzung der organischen Masse der vom Staudamm überfluteten Waldreste entsteht, der Hauptfaktor für die Erwärmung der Atmosphäre in diesem Prozess.
Auswirkung 9 -Energie für den Bergbau: zum Teil bestätigt. Die Energie von Belo Monte wird in das nationale Verbundnetz eingespeist, aber das kanadische Bergbauunternehmen Belo Sun, das sich in Volta Grande niederlassen möchte, argumentiert, dass einer der Vorteile des Standorts gerade in der Energieversorgung liege. Belo Sun soll die größte Goldmine im offenen Tagebau in Brasilien werden, und sie wird einer Katastrophe gleichen oder sogar größeren Ausmaßes sein als Belo Monte, wenn dieses Projekt durchgeführt wird.
Historisches Fiasko
Zehn Jahre nach der Versteigerung von Belo Monte erweist sich das umweltschädlichste Projekt der letzten Zeit in jeder Hinsicht als nicht durchführbar.“