Im Jahr 2023 verzeichnete China im ersten Halbjahr wegen einer schweren Dürre einen Rückgang von 8,5% seiner Wasserkraft-Stromproduktion im Vergleich zum ersten Halbjahr 2022; die USA erlitten wegen der dortigen Dürre einen Rückgang von 6% im gleichen Vergleichzeitraum, während Brasilien leicht erhöhte Werte verzeichnete, – doch jetzt trifft es Brasilien mit voller Wucht: Seit Beginn der historischen Reihe der Wetteraufzeichnungen verzeichnet Brasilien – vor allem Amazonien und der Mittlere Westen – die seit 1950 schlimmste Dürre. Die sozialen, wirtschaftlichen und Umweltfolgen treffen alle in der Region sehr hart. Von der Außenwelt abgeschnittene Gemeinden, da die Flüsse ausgetrocknet sind und nicht einmal mehr mit kleinen Booten befahrbar sind; von ausgetrockneten Brunnen am Tapajós-Fluss berichten die indigenen Munduruku; die Landwirtschaft wartet dringend auf Regen; die Erde verkrustet auch dort, wo nomalerweise grüne Vegetation blüht. Und auch die Wasserkraft leidet. Im letzten Monat berichteten Medien, dass der bekanneste – und meist kritisierte – Staudamm in Amazonien: Belo Monte derzeit nur 2,9 % seiner portentiellen 11-GW-Kapazität produziert. Eine von achtzehn Turbinen läuft nur überhaupt. Es fehlt an Wasser.
Doch statt die Fehler und falschen Versprechungen der Vergangenheit einzugestehen und deren Behebung anzugehen, statt sich wirklich Gedanken über Klimakrise zu machen und zu fragen, was Klimaveränderungen für Wasserkraft überhaupt bedeutet, verlangt nun der Energie- und Bergbauminister, Alexandre Silveira, von der Bundesumweltbehörde IBAMA, dass diese ab nächstem Jahr (wenn es dann in der Region wieder regnet) den gesetzlich erlaubten Maximalrahmen zur Ableitung des Flusswassers des Xingu bei der ersten Staustufe, Pimentel, in den Kanal hin zum Staureservoir von Belo Monte, deutlich erhöhen müsse: ansonsten wären wegen geringerer Stromproduktion höhere Energiepreise die Folge, da das Land dann fossile Kraftwerke zwischenschalten müsste, um die Lücke zu schließen. Zudem zitiert der Medienbericht bei GLOBO das Bergbau- und Energieministerium mit der Überlegung, den Staudamm Belo Monte als wichtig für die nationale Energiesicherheit einzustufen, wodurch die Diskussion um die Entscheidung über die Freigabe der Wasserfreigabe in den Nationalen Rat für Energiepolitik (CNPE, ein Gremium, das sich aus verschiedenen Ministerien zusammensetzt) getragen würde. So wäre es dann nicht mehr das Bundesumweltministerium IBAMA alleine, das darüber entscheidet. Wer sich hierbei an den gezielten Rück- und Kompetenzabbau beim IBAMA unter Bolsonaro erinnert fühlen mag, die/der liegt vielleicht so falsch nicht, zumindest wenn es nach den Vorstellungen des Energie- und Bergbauministers geht.
Das Problem einer weiter erhöhten Ableitung von Xingu-Wasser in den Kanal hin zum Staureservoir von Belo Monte: Die Volta Grande leidet schon jetzt auf 100 km Länge an Wassermangel, teilweise führt die Volta Grande nur noch 20 % des eigentlichen Wassers.
Beim Bau und bei der Erteilung der Betriebsgenehmigung wurden hunderte von richterlich festgehaltenen Vereinbarungen getroffen zum Schutze der 25 flussabwärts von Pimentel in der Volta Grande do Xingu befindlichen Fischer:innengemeinschaften und der dort sich ebenfalls befindlichen 3 indigenen Gemeinschaften, denn diese sind auf einen Mindestpegel des Xingu zu ihrem Überleben angewiesen. Nun spielt der Minister Alexandre Silveira die Rechte der lokalen Bevölkerung gegen die Interessen der Wirtschaftslobby mit dem eiskalten Argument der Stromnotlage und steigenden Preisen aus – und die damaligen Versprechen zum Schutz der Rechte der lokalen Bevölkerung wären dann – wieder einmal – nichts mehr wert. All dies – und noch viel mehr dessen, was dann auch eingetreten ist, hatten die Kritiker:innen den Befürworter:innen von Belo Monte aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft entgegen gehalten, niemand wollte sie damals anhören. Und nun zahlen einmal mehr die lokalen Anwohner:innen, die Kleinfischer:innen und Indigenen den Preis für diese Ignoranz.