Methanemissionen aus der Wasserkraft
Wasserkraftwerke verringern die Fließgeschwindigkeit von Flüssen. Fast alle Techniken – ob Talsperre oder Laufwasserkraftwerk – basieren darauf, dass ein Fließgewässer aufgestaut wird und aus dem Gefälle Energie entzogen wird. Zumindest in Teilen wird ein fließendes Gewässer zu einem stehenden Gewässer.
In fließendes Wasser wird immer wieder Luft eingespült und Sauerstoff gelöst, steht Wasser dagegen längere Zeit, wird der Sauerstoff wieder an die Luft abgegeben. Fließgewässer weisen deshalb einen höheren Sauerstoffgehalt als stehende Gewässer auf. Dies hat Folgen für Verrottungsprozesse von organischem Material, das sich im Wasser befindet.
Bei der Verrottung in Anwesenheit von Sauerstoff – aerobe Zersetzung genannt – zersetzen Milliarden von unterschiedlichen Kleinstlebewesen und Mikroben organische Abfälle. Dabei nehmen sie Sauerstoff auf und stoßen Kohlendioxyd aus.
Findet die Zersetzung organischer Stoffe dagegen unter Sauerstoffmangel statt, spricht man von anaerober Fäulnis. An diesem Prozess sind ausschließlich hochspezialisierte Mikroben beteiligt, die unter solch extremen Bedingungen gedeihen; höhere Lebewesen können nicht überleben. Bei der anaeroben Zersetzung entstehen Giftstoffe und Faulgase – vor allem Methan.
In den tieferen Wasserschichten stehender Gewässer werden organische Stoffe in anaeroben Fäulnisprozessen zersetzt. Das Wasser riecht schlecht und ist aufgrund der darin enthaltenen Toxine auch für Menschen und Tiere ungenießbar. Wenn dies in den Stauwasserreservoirs von Wasserkraftwerken geschieht, ist auch die Biodiversität der Flüsse gefährdet.
Das entstehende Faulgas ist aber auch für das Weltklima bedeutsam. Der im Gasgemisch enthaltene Schwefelwasserstoff (H2S) sorgt für den üblen Geruch, der insbesondere bei wärmeren Temperaturen von Stauseen ausgehen kann. Den größten Anteil am Faulgas hat das farb- und geruchlose Gas Methan (CH3).
Methan in der Atmosphäre und der Klimawandel
Methan zählt zu den Treibhausgasen (im folgenden GHG, nach dem englischen Begriff „green-house gases“). Obwohl Methan nur einen Zweimillionstel Teil der Luft ausmacht, hat es enorme Auswirkungen. Denn Methan ist als GHG um ein Vielfaches wirksamer als CO2 – wieviel genau ist umstritten bzw. nicht genau bekannt. Methan ist schätzungsweise für einen Anteil von etwa 15 Prozent des Klimawandels verantwortlich – doch dieser Anteil könnte größer sein als bisher gedacht und zudem aus verschiedenen Gründen in der Zukunft wachsen.[1] Üblicherweise wird angegeben, dass Methan 21-mal beziehungsweise 28-mal wirksamer als CO2 ist, je nachdem ob man sich auf die Angaben aus dem Kyoto-Protokoll bezieht, bzw. aus dem Fünften Sachstandsbericht des zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen (Fifth Assessment Report of the IPCC – im folgenden AR5). Werden noch feedback-Mechanismen[2] berücksichtigt, erhält man dem AR5 zufolge einen Umrechnungsfaktor von 34.
Doch diese Umrechnungsfaktoren beziehen sich auf einen lange Verweildauer von Methan in der Atmosphäre – sie vergleichen Methan und CO2 über einen Zeitraum von 100 Jahren. Dabei wird berücksichtigt, dass Methan in der Atmosphäre abgebaut wird, was zu einem niedrigeren Umrechnungswert führt.
Um den menschengemachten Klimawandel aufzuhalten, sind allerdings die nächsten 20 Jahre entscheidend. Über diesen Zeitraum betrachtet ist Methan wesentlich Klimaschädlicher. Nach Angaben des AR5 ist in den ersten 20 Jahren Methan ein 83-mal so wirksames GHG wie CO2, werden Feedback-Prozesse berücksichtigt, sogar 86-mal.
Insbesondere zu Beginn ihrer Lebensdauer geben Wasserkraftwerke größere Mengen GHG in die Atmosphäre ab, da in dieser Zeit besonders viel organisches Material in den gerade überfluteten Reservoirs vorhanden ist und dort verrottet. Gerade in tropischen und subtropischen Gebieten – etwa dem Einzugsgebiet des Mekong-Stroms in Südostasien[3] – können Wasserkraftwerke so viel GHG ausstoßen, wie Kraftwerke, die mit fossilen Brennstoffen arbeiten.
Vor diesem Hintergrund erscheint es fragwürdig, Wasserkraftwerke als Alternative für die Stromerzeugung durch fossile Brennstoffe zu propagieren. Eine scheinbar nachhaltige Lösung könnte hier zu mehr Problemen führen, anstatt Lösungen zu bieten. Insbesondere in Ländern des Südens nicht nur aus Gründen des Klimaschutzes, sondern auch aus sozialen und wirtschaftlichen Gründen. Dies um so mehr, wenn man die Folgen des Klimawandels für die Wasserkraft berücksichtigt.
[1]https://www.oekosystem-erde.de/html/treibhausgase.html
[2]Dabei werden nicht nur die direkte Treibhauswirkung der GHG berücksichtigt, sondern auch die indirekten, die sich aus der durch das GHG verursachten Erwärmung ergeben (Zum Beispiel führt jede Erwärmung zu einer Erhöhung des Wasserdampfgehalts der Atmosphäre – Wasserdampf wirkt aber auch als GHG und führt so zu einer zusätzlichen Erwärmung). Je kürzer der Zeitraum für den Vergleich, desto geringer ist die Wirkung dieser feedback-Prozesse.
[3]https://iopscience.iop.org/article/10.1088/1748-9326/aaa817/meta
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